JudikaturJustiz3Ob548/92

3Ob548/92 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Oskar M*****, vertreten durch Dr.Karl Heinz Klee ua Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei K***** Gesellschaft mbH *****, vertreten durch Dr.Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 56.800,-- samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 21.Juni 1991, GZ 4 R 105/91-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 8.Februar 1991, GZ 8 Cg 96/90-14, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei betreibt seit 1980 den Liftkomplex K***** samt dem ca. 2750 m hoch gelegenen Restaurant "W*****" und einer dort endenden Mautstraße. Zur Versorgung der Gasthausküche und für Heizeinrichtungen bestand bis jedenfalls Herbst 1981 westlich der Restaurantterrasse ein oberirdischer, ortsfester, nicht überdachter Flüssiggastank. Die Versorgungsleitung führte unterirdisch außerhalb des talwärts gelegenen eingeschoßigen Gebäudeteiles zur Gasthausküche. Diese Flüssiggasanlage wurde von der Bezirkshauptmannschaft L***** mit Bescheid vom 29.8.1981 unter der Erteilung von Auflagen gewerbebehördlich genehmigt. Am 20.4.1987 gegen 10 Uhr ereignete sich im Untergeschoß der Garage eine Gasexplosion, herumfliegende Trümmer beschädigten auf dem talwärts gelegenen Parkplatz des Restaurants geparkte Fahrzeuge, darunter das Wohnmobil des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen *****. Der Gastank selbst wurde nicht beschädigt. Wegen einer undichten auf der Oberseite des Tanks in der Nähe des Schachtes befindlichen Gasarmatur war in den Tagen vor der Explosion Gas ausgedrungen und in der Schneeschichtung zu einem 4,3 m nördlich gelegenen, von der Garagenaußenmauer hochgeführten Zuluftrohr gedrungen. Dessen Ansaugstutzen lag 59 cm tiefer als die höchste Stelle der Gasarmaturen. Über dieses Zuluftrohr gelangte das Flüssiggas in das Untergeschoß des Garagentraktes und bildete dort ein zündfähiges Luft-Gas-Gemisch. Fehler des Personals der beklagten Partei, das mit der Bedienung und Wartung der Behälteranlage betraut gewesen war, sind nicht erwiesen. Der Kläger hatte bei der beklagten Partei eine Mautkarte gelöst, die ihn zur Rückfahrt auf der Mautstraße berechtigte. Das Abstellen oder Parken von Wohnmobilen auf dem Parkplatz der beklagten Partei vor dem Gletscherrestaurant war nicht verboten.

Der Kläger begehrte, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, den Zuspruch des Betrages von S 56.800,-- samt Anhang an Fahrzeugschaden und Spesenersatz. Er stützte unter anderem sein Begehren auf die Bestimmungen des Reichshaftpflichtgesetzes.

Die beklagte Partei "bestritt" dies.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Daß Explosionstrümmer auf den öffentlichen Parkplatz geflogen seien, erscheine nach Maßgabe der Ausnahmebestimmungen keinesfalls als ausreichender Anhalt für die unmittelbare Anwendung des Reichshaftpflichtgesetzes.

Das Berufungsgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß dieses Begehren dem Grunde nach zu Recht besteht. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. Bei dem Flüssiggasbehälter der beklagten Partei, aus dem der Gasaustritt erfolgt sei, der zur Explosion und zur Beschädigung des Wohnmobils des Klägers geführt habe, handle es sich um eine Anlage zur Abgabe von Gas im Sinne des § 1a Abs.1 RHPflG (siehe Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 415, der etwa Gasometer als solche Anlagen anführt; der Gasbehälter der beklagten Partei sei seinem Wesen nach nichts anderes). Sei ein Unfall, der den Tod oder die Gesundheitsbeschädigung eines Menschen oder eine Sachbeschädigung zur Folge habe, auf die Wirkungen des Gases zurückzuführen, das von einer Anlage zur Abgabe von Gas ausgehe, so sei der Inhaber der Anlage - hier also die beklagte Partei - verschuldensunabhängig verpflichtet, den Schaden zu ersetzen. Ein Entlastungsbeweis (durch den Nachweis, daß sich die Anlage in ordnungsgemäßem Zustand befunden habe), sei bei solchen Schäden im Gegensatz zu Schäden, die bloß auf dem Vorhandensein der Anlage beruhten, jedoch nicht auf die Wirkungen des Gases zurückgingen, ausgeschlossen. Es komme hier also nicht darauf an, ob sich die Anlage in einem vorschriftsgemäßen ordentlichen Zustand befunden habe. Ein Ausnahmetatbestand im Sinn des § 1a Abs.3 RHPflG liege nicht vor. Hier sei der vom Kläger geltend gemachte, durch die Explosion verursachte Schaden auf einem den Gästen der beklagten Partei zur Verfügung stehenden Parkplatz am Ende einer vom Kläger nach Lösung einer Mautkarte benützten Mautstraße eingetreten. Der Haftungsausschluß habe seinen Grund wohl darin, daß durch Anlagen auf befriedeten Grundstücken die Öffentlichkeit nicht gefährdet werde. Die Personen, die beim Betrieb der Anlage tätig seien oder auch sonst erlaubterweise sich auf der Liegenschaft befänden, setzten sich in der Regel bewußt der Gefahr aus. Gelange jemand unerlaubterweise auf das umschlossene Gelände, so handle er auf eigene Gefahr und sei nicht schutzwürdig. Von diesem Zweck der Norm her müsse aber geschlossen werden, daß die Haftungsbefreiung nicht Platz greife, wenn das eingefriedete Grundstück dem öffentlichen Verkehr freistehe. Es wäre eine unverständliche Differenzierung, wenn es in solchen Fällen auf das Vorliegen einer Umzäunung ankäme. Ob der Parkplatz umzäunt gewesen sei, sei vom Erstgericht nicht festgestellt worden. Es komme auch darauf gar nicht an, weil der Parkplatz dem öffentlichen Verkehr freigestanden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

In ihr wird die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes über das Vorliegen des Haftungstatbestandes nach § 1a Abs.1 RHPflG nicht bestritten. Behauptet wird nur, es läge der Ausnahmetatbestand nach § 1a Abs.3 Z 1 RHPflG ("befriedetes Grundstück") vor. Die beklagte Partei vertritt in ihrer Revision die Auffassung, daß vor endgültiger Abklärung der Rechtsfrage, ob ein Ausschluß der Haftung gemäß § 1a Abs.3 Z 1 RHPflG gegeben sei oder nicht, zunächst zu prüfen wäre, ob es sich um ein umfriedetes Grundstück im Sinne dieser Gesetzesstelle handle. Da in dieser Richtung keine Feststellungen der Vorinstanzen vorlägen, hätte nach Ansicht der beklagten Partei das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes aufzuheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Urteilsfällung an die erste Instanz zurückzuverweisen gehabt.

§ 1a Abs.1 und Abs.3 RHPflG stehen zueinander im Verhältnis von Regel und Ausnahme. Abs.1 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Haftung besteht, Abs.3 besagt, daß, wenn ein oder mehrere bestimmte Merkmale hinzutreten, ein Schadenersatzanspruch nicht gegeben sei. Es entspricht nun anerkannten Behauptungs- und Beweislastregeln, daß die Regel vom Anspruchswerber, die Ausnahme aber vom Anspruchsgegner zu behaupten und zu beweisen ist (ÖAV 1986, 75; Rosenberg, Die Beweislast5 124 f; Leipold, Beweislastregel und gesetzliche Vermutungen 53 ff). Daß ein Haftungsausschluß ("Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen....") vorliegt, wäre daher von der beklagten Partei zu behaupten und zu beweisen gewesen (VersR 1982, 368; Kunschert in Geigel, Der Haftpflichtprozeß20 566). Außer einer allgemeinen Bestreitung brachte dazu die beklagte Partei nichts vor. Das Erstgericht hat - worauf die beklagte Partei selbst hinweist - überschießende Feststellungen in dieser Richtung nicht getroffen. Eine sekundäre Mangelhaftigkeit seines Verfahrens liegt daher schon aus diesem Grund nicht vor. In der Revision wird von der beklagten Partei auch nicht als Mangel des Verfahrens erster oder zweiter Instanz gerügt, daß im Zusammenhang mit dem vom Kläger erstmals in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vorgetragenen Haftungsgrund nach dem Reichshaftpflichtgesetz vom Gericht ihr etwa das Rechtsgespräch verweigert, die Manuduktionspflicht verletzt oder eine überraschende Rechtsansicht vertreten worden sei.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs.4 ZPO (SZ 23/243).