JudikaturJustiz3Ob504/60

3Ob504/60 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Juni 1961

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Liedermann, Dr. Machek, Dr. Berger und Dr. Überreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Serif H*****, ***** vertreten durch Dr. Otto Brezina, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Bankverein für K*****, Aktiengesellschaft in Liquidation, ***** vertreten durch Dr. Othmar Schöniger-Hekele, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erteilung einer Zustimmung (Streitwert S 880.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 6. Oktober 1960, GZ 1 R 234/60-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 14. Juni 1960, GZ 1 Cg 9/59-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.702,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Zwangsfolge zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Kläger war Kunde der Beklagten und hat bei ihr ein Konto unterhalten. Er beauftragte im Jahre 1945 die Beklagte mit der Eröffnung eines Dokumentenakkreditivs. Diese eröffnete das Akkreditiv nicht selbst, sondern ersuchte die C***** in Wien im Auftrage des Klägers für Rechnung der Firma M*****, ein übertragbares Akkreditiv zugunsten deutscher Lieferfirmen, die noch vom heutigen Kläger bezeichnet werden sollten, bis zum Betrage von RM 2,200.000 unwiderruflich giltig bis 31. 3. 1945 zu eröffnen. Die Beklagte buchte vom Konto des Klägers diesen Betrag ab und überwies ihn im Wege des kroatisch-deutschen Clearings an die C***** Wien. Dort langte die Überweisung infolge der Kriegsereignisse nicht mehr ein. Erst auf Grund des Art 32 des österreichisch-deutschen Vermögensvertrages wurde die steckengebliebene Überweisung durchgebucht, der Betrag unter Berücksichtigung der österreichischen Währungsgesetze dem Depot der Beklagten im Feber 1959 gutgebracht. Mit Bescheid des Kreisvolksgerichtes für die Stadt Zagreb vom 20. 3. 1946 wurde die Transferierung des gesamten Eigentums des Klägers, welches sich auf dem Gebiet des Föderativstaates Jugoslawien befindet, unter provisorische Verwaltung und Aufsicht der Stadtverwaltung der Volksgüter in Zagreb gestellt. Der Kläger lebt jetzt in Triest.

Der Kläger begehrt die Beklagte schuldig zu erkennen zuzustimmen, dass die C***** den Gegenwert des nicht ausgenützten Akkreditivs bzw die darauf entfallende 2 %ige Bundesschuldverschreibung an ihn ausfolge. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes stützt er auf § 99 JN. Die Beklagte als sein Mandatar sei verpflichtet, ihm alles herauszugeben, was sie auf Grund des bestehenden Auftragsverhältnisses erhalten habe.

Die Beklagte wendet ein 1) örtliche Unzuständigkeit, 2) Verjährung, denn es sei jugoslawisches Recht anzuwenden, weil Erfüllungsort Agram sei und die 10jährige Verjährungsfrist abgelaufen sei, 3) Mangel der Aktivlegitimation. Mit der Abbuchung des Betrages der Deckungsvaluta vom Konto des Klägers und Durchführung des Auftrages habe der Kläger jede Verfügungsmacht darüber verloren. Es sei M***** forderungsberechtigt, für dessen Rechnung das Akkreditiv eröffnet worden sei.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzuständigkeit und gab dem Klagebegehren statt. Die Forderung sei nicht verjährt, weil vor dem Vermögensvertrag noch nicht der Bestand der Forderung feststand und ein Anspruch auf Abtretung nicht mit Erfolg hätte geltend gemacht werden können. Außerdem sei das gesamte Vermögen des Klägers konfisziert worden. Es sei daher dem Kläger die Geltendmachung des Anspruches in Jugoslawien verwehrt gewesen. Der Kläger habe somit innerhalb des gesetzlichen Verjährungszeitraumes nicht Erfüllung fordern können. Der Kläger habe nach Abbuchung im Zuge der Anweisung nicht jede Verfügungsberechtigung über den akkreditierten Betrag verloren, weil ihm in der Vertragsurkunde sein Dispositionsrecht gewahrt geblieben sei. Der Kläger habe den nur im Inland realisierbaren Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur Ausfolgung des Akkredititvbetrages nur im Inland geltend machen können, sodass die Vereinbarung des Erfüllungsortes Zagreb hier als nicht bindend ausscheidet.

Das Berufungsgericht bestätigte die Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede und bestätigte auch das erstgerichtliche Urteil. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens liege nicht vor. Es handle sich nicht um eine Forderung aus dem Akkreditiv, sondern um eine solche aus dem Auftragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten. Die Aktivlegitimation sei daher gegeben. Diese sei dem Kläger auch nicht durch die angebliche Konfiskation seines Vermögens genommen worden, weil die Forderung im Zeitpunkt der angeblichen Konfiskation noch nicht bestanden habe. Der Anspruch habe erst in dem Zeitpunkt entstehen können, in dem der Akkreditivauftrag durchgebucht war, also erst nach Abschluss des österreichisch-deutschen Vermögensvertrages. Es sei daher bedeutungslos, ob das Vermögen des Klägers in Jugoslawien konfisziert worden sei. Mit Rücksicht auf den Zeitpunkt der Entstehung der Forderung liege auch keine Verjährung vor. Die Devisenvorschriften stehen dem Klagebegehren nicht entgegen. Gegen dieses Urteil erhebt die beklagte Partei Revision. Sie macht als Revisionsgründe § 503 Z 2, 3, 4 ZPO geltend und beantragt, das Klagebegehren abzuweisen oder das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an die Untergerichte zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Als Mangel des Verfahrens wird geltend gemacht, dass ein Sachverständiger aus dem Bankfach nicht vernommen worden sei. Die Beklagte habe entgegen der aktenwidrigen Annahme des Berufungsgerichtes einen solchen Antrag in erster Instanz gestellt. Der Sachverständige sei bei der offenbaren Schwierigkeit der richtigen Beurteilung banktechnischer Vorgänge und Sachverhalte notwendig gewesen. Diese Rüge ist unberechtigt. Es handelt sich hier im Wesentlichen um die Entscheidung von Rechtsfragen, die ausschließlich vom Gerichte zu treffen ist. Der Vernehmung eines Sachverständigen bedarf es deshalb nicht, sodass auch die tatsächlich unterlaufene Aktenwidrigkeit nicht von Bedeutung ist. Mit der Rechtsrüge führt die Beklagte neuerlich aus, dass dem Kläger die Aktivlegitimation mangle. Der erhobene Anspruch sei nie dem Kläger, sondern M***** zugestanden. Selbst wenn er dem Kläger zugestanden wäre, hätte er ihn durch die Konfiskation verloren. Auch diese Rüge ist unberechtigt. Das Berufungsgericht hat richtig ausgeführt, es handelt sich bei dem geltend gemachten Anspruch nicht um einen solchen aus dem Akkreditiv, sondern aus dem Auftragsverhältnis. Dass der Kläger Kunde der Beklagten war, nur er den Auftrag zur Eröffnung des Akkreditivs gegeben hat, der Deckungsbetrag von seinem Konto abgeschrieben wurde, ist unbestritten. War der Kläger Auftraggeber, so ist er auch zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Auftragsverhältnis allein legitimiert. Die Tatsache, dass das Akkreditiv für Rechnung der Firma M***** eröffnet wurde und die aus dem Akkreditiv zu bezahlenden Waren dieser Firma zur Verfügung stehen sollten, ändert daran nichts. Es ist übrigens unrichtig, wenn das Berufungsgericht ausführt, dass das Akkreditiv zugunsten der Firma M***** eröffnet wurde. Begünstigte aus dem Akkreditiv waren die noch zu bezeichnenden deutschen Lieferfirmen. Wenn das Akkreditiv aber für Rechnung des M***** eröffnet wurde, besagt dies keineswegs, dass damit der Rückforderungsanspruch aus dem nicht ausgenützten Akkreditiv dem M***** abgetreten worden wäre. Es handelt sich nicht darum, auf wessen Rechnung das Akkreditiv zu erstehen war, sondern darum, wer Vertragspartner des Beklagten war, wer daher Ansprüche auf dem Auftragsverhältnis der Beklagten gegenüber erheben kann, dies ist aber der Kläger; ob M***** einen Rückforderungsanspruch geltend gemacht hat, ist völlig unbeachtlich.

Ob das Vermögen des Klägers in Jugoslawien im Jahre 1946 konfisziert wurde oder nicht, ist aus rechtlichen Gründen ohne Bedeutung, worauf ebenfalls das Berufungsgericht bereits zutreffend verwiesen hat. Auf Grund des Auftragsverhältnisses kann der Kläger nur das von der Beklagten herausverlangen, was ihr auf Grund dieses Auftragsverhältnisses zugekommen ist, was sie in Händen hat. Die Beklagte hat den Deckungsbetrag vom Konto des Klägers abgebucht und hat diesen Betrag wohl nicht auf ihre Rechnung, aber im eigenen Namen an die C***** überwiesen. Daraus ist kein Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der C***** entstanden.

Über diesen Betrag konnte die Beklagte erst wieder verfügen, als dieser Betrag ihrem Konto bei der C***** gutgebracht wurde (und natürlich nach Ablauf des unwiderruflichen Akkreditivs). Vorher hatte die Beklagte aus dem Auftragsverhältnis nichts in Händen. Der Betrag wurde aber der Beklagten erst nach dem österreichisch-deutschen Vermögensvertrag nach Durchbuchung der steckengebliebenen Überweisung ihrem Konto gutgebracht. Erst von diesem Zeitpunkt an hat sie - unbeschadet allfälliger ihr zustehender Herausgabeansprüche gegen irgendwelche Verrechnungsstellen - etwas aus dem Auftragsverhältnis in Händen. Erst von diesem Zeitpunkt an steht dem Kläger ein Herausgabeanspruch zu. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht angenommen, dass die Forderung frühestens im Jahre 1958 entstanden ist. Ist die Forderung aber erst in diesem Zeitpunkt entstanden, kann sie von einer Konfiskation des Vermögens des Klägers in Jugoslawien im Jahre 1946 nicht erfasst worden sein. Ist die Forderung erst in diesem Zeitpunkt entstanden, ist sie auch nicht verjährt, weil seither die unbestrittene 10jährige Verjährungsfrist nach jugoslawischem Recht nicht abgelaufen ist. Damit sind aber auch schon die Rechtsausführungen in der Revision zur Frage der Verjährung widerlegt.

Welche rechtliche Folgerungen die Beklagte aus dem vereinbarten Erfüllungsort Zagreb ableiten will, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat das herauszugeben, was sie aus dem Auftragsverhältnis in Händen hat. Das ist das, was ihr auf ihrem Konto bzw auf ihrem Depot bei der C***** aus dieser Überweisung gutgebracht wurde. Dies ist unabhängig davon, welche Währung nunmehr in Agram gilt. Dieses Guthaben liegt in Österreich. Es entscheidet in devisenrechtlicher Hinsicht das Sachstatut, sodass das österreichisches Devisenrecht anzuwenden ist. Das österreichische Devisenrecht steht aber diesem Anspruch nicht entgegen, wie der Oberste Gerichtshof bereits in einem gleichgelagerten Fall zu 2 Ob 54/58, JBl 1959, S 73, ausgesprochen hat. An Stelle der Kundmachung der Österreichische Nationalbank Nr 104 ist die Kundmachung Nr 4/1959 getreten (Amtsblatt der Wiener Zeitung Nr 39 vom 17. 2. 1959). Mit Rechtskraft dieses Urteiles gilt die Zustimmung der Beklagten als erteilt. Einer weiteren Erfüllungshandlung in Agram bedarf es nicht mehr. Hätte die Beklagte einen nicht bestehenden Anspruch des M***** erfüllt, könnte dies auf den bestehenden Anspruch des Klägers keinen Einfluss haben. Dem Berufungsgericht ist somit ein Rechtsirrtum nicht unterlaufen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.