JudikaturJustiz3Ob36/93

3Ob36/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. März 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****-Versicherungs-AG, Landesdirektion Niederösterreich-Süd, ***** vertreten durch Dr.Helmut Schmidt, Dr.Ingo Schreiber, Rechtsanwälte in Wr.Neustadt, wider die beklagte Partei Josef D*****, vertreten durch Dr.Ernst Fasan ua Rechtsanwälte in Neunkirchen, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (Streitwert S 95.926,20), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 16.Dezember 1991, GZ R 480/91-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 21.August 1991, GZ 2 C 798/90i-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.094,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 849,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist aufgrund eines bestehenden Versicherungsverhältnisses verpflichtet, dem Beklagten den Schaden zu ersetzen, der durch einen Rohrbruch im Keller des Hauses T*****, D*****steiner Straße 4, eingetreten ist. Auf das Versicherungsverhältnis sind unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS), deren Art.11 mit der Überschrift "Sachverständigenverfahren" wie folgt lautet, anzuwenden:

"Jeder Vertragspartner kann verlangen, daß Ursache und Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden. Die Feststellungen, die die Sachverständigen im Rahmen ihrer Zuständigkeit treffen, sind verbindlich, wenn nicht nachgewiesen wird, daß sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen.

Für das Sachverständigenverfahren gelten, soweit im folgenden nichts Abweichendes bestimmt wird, die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über Schiedsgerichte: .....

Aufgrund der Feststellung der Sachverständigen oder des Obmannes wird die Entschädigung berechnet....".

Da sich die Streitteile über Ursache und Höhe des Schadens nicht einigen konnten, verlangte die klagende Partei mit Schreiben vom 20.9.1988, daß dies durch Sachverständige festgestellt werde. Gemäß den Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung wurden drei Sachverständige ernannt bzw. gewählt. Diese bezeichneten sich als Schiedsgericht und sprachen mit Schiedsspruch vom 18.10.1989 aus, daß die klagende Partei dem Beklagten einen Betrag von S 155.400,-- abzüglich Abschlagszahlungen zu leisten habe. Aufgrund dieses Schiedsspruches wurde dem Beklagten mit Beschluß des Bezirksgerichtes Wr.Neustadt vom 13.Februar 1990, E 2381/90, wegen des restlichen Anspruches von S 100.744,20 samt Anhang die Fahrnispfändung bewilligt und am 21.2.1990 auch vollzogen.

Die klagende Partei erhob gegen den Anspruch Einwendungen. Sie beantragte die Fällung des Urteiles, der Anspruch des Beklagten aus dem Schiedsspruch vom 18.10.1989 sei erloschen. Sie brachte unter anderem vor, der Beklagte habe die Forderung, deretwegen Exekution bewilligt worden sei, am 18.9.1987 an die Raiffeisenbank S***** regGenmbH abgetreten. Davon sei die klagende Partei am 23.9.1987 in Kenntnis gesetzt worden. Da diese Zession nach wie vor aufrecht sei und die Forderung vom Zessionar nicht an den Zedenten rückzediert worden sei, könne der Beklagte einen ihm allenfalls zustehenden Anspruch nicht im Wege des Exekutionsverfahrens durchsetzen.

Der Beklagte wendete unter anderem ein, nach der eigenen Behauptung in der Klage sei die klagende Partei von einer angeblichen Zession des Klagsanspruches an die Raiffeisenbank S***** bereits vor Einleitung des Schiedsverfahrens verständigt worden. Auch den diesbezüglichen Einwand (der mangelnden Aktivlegitimation) hätte die klagende Partei daher im Schiedsverfahren erheben müssen, der Oppositionsweg sei ihr daher versagt. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 31.5.1990 brachte der Beklagte unter Vorlage eines Schreibens der Raiffeisenbank S***** vom 10.5.1990 vor, daß es zu einer "Aufhebung der Zession" gekommen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der Beklagte seine Forderung an die Raiffeisenbank S***** zediert habe und das Kreditinstitut die klagende Partei davon mit Schreiben vom 18.9.1987 verständigt habe. Mit Schreiben vom 19.1.1988 sei die Zession nochmals bestätigt worden. Am 10.5.1990 habe die Raiffeisenbank S***** der klagenden Partei mitgeteilt, "daß die Zession als gegenstandslos zu betrachten" sei. Es könne nicht festgestellt werden, ob hiebei eine Rückzession dieser Forderung an den Beklagten erfolgt sei oder ob die Forderung an einen bisher unbekannten Dritten zediert worden sei. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß das Vorbringen der klagenden Partei, die Forderung sei bereits vor Fällung des Schiedsspruches zediert worden, in Wahrheit die Behauptung eines Aufhebungsgrundes nach § 595 Z 6 ZPO darstelle. Es sei mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar, wenn ein Schiedsspruch jemandem eine Forderung zuspreche, der diese Forderung schon vor Einleitung des Schiedsverfahrens wirksam an einen Dritten abgetreten habe. Die Geltendmachung dieses Umstandes sei jedoch wegen Fristversäumnis nach § 596 ZPO nicht mehr möglich. Bei anderer Ansicht wäre auf jeden Fall dieses Vorbringen im Verfahren nach § 35 EO verspätet. Die Zession sei ja nicht nach, sondern vor dem Schiedsspruch und vor Einleitung des schiedsgerichtlichen Verfahrens erfolgt und hätte daher im schiedsrichterlichen Verfahren selbst geltend gemacht werden müssen. Die Tatsache, daß aufgrund des Schiedsspruches der materiell nicht berechtigte Beklagte die Forderung zugesprochen erhalten habe, könne daher die klagende Partei in diesem Verfahren nicht mehr relevieren.

Dieses Urteil bekämpfte die klagende Partei mit Berufung.

Der Beklagte führte unter anderem in seiner Berufungsbeanwortung aus, es sei unbeachtlich, ob die Zessionsaufhebungserklärung der Raiffeisenbank S***** regGenmbH einen bloßen Verzicht oder eine Rückzession oder eine Zession an einen Dritten bedeute.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Berücksichtigung der Zession in dem nach Art.11 ABS geregelten Sachverständigenverfahren sei nicht vorgesehen. Die behauptete Abtretung stelle daher einen tauglichen Oppositionsgrund dar, weil ihre frühere Berücksichtigung objektiv aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht möglich gewesen sei. Eine Rückabtretung der Forderung sei weder behauptet noch festgestellt worden.

Die außerordentliche Revision des Beklagten, in der zutreffend gemäß § 506 Abs.1 Z 5 ZPO ausgeführt wurde, daß es zur Frage, ob in einem derartigen Schiedsverfahren die Frage der Aktivlegitimation eingewendet werden könne und zu prüfen sei, es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung fehle, ist zwar zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Prüfung der Frage, ob die Einwendungen im Oppositionsstreit im vorangegangenen Titelverfahren wirksam hätten geltend gemacht werden können, kommt es allein darauf an, ob die Erhebung dieser Einwendungen objektiv aus verfahrensrechtlichen Gründen unmöglich war (EFSlg. 41.849; SZ 49/4; EvBl. 1973/8 ua, zuletzt 1 Ob 12/91; Heller-Berger-Stix 397). Die Einwendung der mangelnden Sachlegitimation war der klagenden Partei aber im Titelverfahren verschlossen. Die nach § 64 VVG bzw. Art.11 ABS bestellten Sachverständigen hatten nur die Aufgabe, die Ursache und Höhe des behaupteten Schadens festzustellen. Ihnen stand keine Kompetenz zu, über den Anspruch des Versicherungsnehmers zu entscheiden. Das Feststellungsverfahren hat mit dem Anspruch selbst und seinem Schicksal nichts zu tun. Die "Entscheidung" des Sachverständigenausschusses hatte sich allein auf die dargestellten Tatfragen und die daraus abzuleitende Versicherungsleistung zu beschränken. Die Sachverständigen durften Rechtsfragen nicht lösen und sie sollten sich überhaupt aus einer Stellungnahme zu solchen Fragen heraushalten. Die Sachverständigen waren nicht zur Entscheidung über den strittigen Anspruch selbst, sondern nur zur Feststellung einzelner Tatbestandselemente berufen (ZVR 1980/304; Petrasch in ZVR 1979, 326; A.Ehrenzweig, Deutsches [Österreichisches] Versicherungsvertragsrecht 192; Schauer, Einführung in das österreichische Versicherungsvertragsrecht 243).

War aber die Sachlegitimation nicht Gegenstand des Verfahrens, in dem der Exekutionstitel geschaffen wurde, dann war es der klagenden Partei objektiv unmöglich, diese Einwendung im Verfahren vor dem Sachverständigenausschuß, der sich als Schiedsgericht gerierte, vorzubringen. Dann aber konnte sie dies zum Anlaß von Einwendungen nach § 35 EO machen. Da es sich hiebei um eine Frage der rechtlichen Beurteilung der erhobenen Einwendungen handelt, war ein ausdrücklicher Hinweis auf diese Rechtslage in der Klage nicht erforderlich.

Hinzuweisen ist darauf, daß der Beklagte die Feststellung des Erstgerichtes, es könne nicht festgestellt werden, ob eine Rückzession dieser Forderung an den Beklagten erfolgt sei oder ob die Forderung an einen bisher unbekannten Dritten zediert worden sei, ausdrücklich in der Berufungsbeantwortung - weil seiner Ansicht nach unerheblich - nicht bekämpfte und er auch in der außerordentlichen Revision nicht mehr auf sein zwar undeutliches, aber in Richtung einer Rückzession weisendes Vorbringen zurückkam.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.