JudikaturJustiz3Ob300/98h

3Ob300/98h – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wilfrid Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der prot. Firma R***** KG, ***** gegen die beklagte Partei J*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Hans-Peter Benischke und Dr. Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wegen 260.000 S sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. September 1998, GZ 4 R 112/98t-22, mit dem über Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 24. März 1998, GZ 21 Cg 243/97w-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 12.195 S (darin enthalten 2.032,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 24. 7. 1996 schlossen die beklagte Partei und die R***** KG (folgend: Gemeinschuldnerin = GS) einen Werkvertrag über Verputzarbeiten, der unter anderem folgenden Inhalt hatte:

"Gegenforderungen des Auftraggebers (hier Beklagte) werden jedenfalls sowohl bei einer Abtretung als auch bei einer Verpfändung der Forderungen des Auftraggebers vorweg in Abzug gebracht. Dies gilt auch für Forderungen von Konzernunternehmen des Auftraggebers und für Arbeitsgemeinschaften, an denen der Auftraggeber beteiligt ist; damit ist der Auftragnehmer (hier: GS) ausdrücklich einverstanden."

Am 24. 10. 1996 wurde über das Vermögen der R***** KG das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Am 29. 11. 1996 meldete die Firma ***** Sepp S***** GmbH (folgend: anderes Konzernunternehmen), die ebenso wie die Beklagte eine 100 %ige Tochtergesellschaft der T***** AG ist, im Konkursverfahren eine Forderung von 460.482 S an, die vom Masseverwalter nach anfänglicher Bestreitung in voller Höhe anerkannt worden ist. Die dieser Forderung zugrunde liegenden Leistungen wurden im Zeitraum vom 7. 5. 1996 bis 4. 6. 1996 erbracht. Am 16. 12. 1996 verfasste die T***** AG ein an den Masseverwalter gerichtetes Schreiben folgenden Inhalts:

"Kompensationserklärung

Die Firma ***** R***** KG hat am 23. 7. 1996 ein Anbot für Verputzarbeiten gelegt. Aufgrund dieses Offertes hat die Firma J*****gesellschaft mbH (hier: Beklagte) den Auftrag erteilt, den die Firma R***** mit Schreiben vom 31. 7. 1996 bestätigte. In diesem Vertrag wurde unter Punkt 2a vereinbart, dass alle Gegenforderungen des Auftraggebers vorweg in Abzug gebracht werden. Dies gilt auch für Forderungen von Konzernunternehmen des Auftraggebers und für Arbeitsgemeinschaften, an denen der Auftraggeber beteiligt ist. Die Firma J***** GesmbH ist eine 100 %ige Tochter der T***** AG. Die Sepp S***** GesmbH ist ebenfalls eine 100 %ige Tochter im T*****-Konzern. Die Firma J*****Bau GesmbH hat somit eine Gegenforderung in der Höhe von S 494.925,02 aus Rechnungen der Sepp S***** GesmbH. Die Firma J***** GesmbH erklärt aufgrund des Vertrages vom 24. 7. 1996 nochmals ausdrücklich die Kompensation der Forderung des Konzernunternehmens Sepp S***** GesmbH mit den Forderungen der ***** R***** KG in der Höhe von S 494.925,02...".

Am 12. 9. 1997 zog die Firma ***** Sepp S***** GmbH ihre Forderung(sanmeldung) im Konkurs mit der Begründung zurück, dass die Anmeldung dieser Forderung irrtümlich erfolgt sei, da die Beklagte aufgrund des Vertrages vom 24. 7. 1996 mit dieser Forderung kompensiert habe.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei Zahlung von 260.000 S samt Zinsen, den von der beklagten Partei - für den Fall der Unwirksamkeit der im Konkurs abgegebenen Kompensationserklärung - der Höhe nach außer Streit gestellten Teil des Werkentgelts. Die von der "Konzernmutter" (T*****-AG) namens der Beklagten abgegebene Erklärung, mit einer die Forderung der GS übersteigenden Gegenforderung einer anderen Konzerntochtergesellschaft aufzurechnen, sei unwirksam. Die "Konzernmutter" (wohl gemeint: die beklagte Partei) habe die Forderung erst nach der Konkurseröffnung erworben bzw im Zeitpunkt des Forderungserwerbs jedenfalls von der Zahlungsunfähigkeit der GS Kenntnis gehabt oder Kenntnis haben müssen. Im Übrigen hätten im Zeitpunkt der Auftragserteilung (24. 7. 1996) an die GS weder die beklagte Partei noch die andere Konzerntochter zum Konzern der Muttergesellschaft gehört.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe im Sinne der mit der GS am 24. 7. 1996 vereinbarten Konzernverrechnungsklausel mit der Forderung einer anderen Konzerngesellschaft im Konkurs der Gemeinschuldnerin wirksam aufgerechnet.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass "die Aufrechnungserklärung für die beklagte Partei rechtsgültig sei". Im Vertrag vom 24. 7. 1996 sei eine sogenannte Konzernverrechnungsklausel vereinbart worden. Diese werde durch § 19 Abs 1 KO nicht ausgeschlossen, denn diese Bestimmung spreche allgemein von Forderungen, die zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung aufrechenbar gewesen seien. Dem Gesetz sei daher nicht zu entnehmen, dass es darauf ankomme, warum Aufrechenbarkeit gegeben gewesen sei. Durch § 20 Abs 1 KO solle der nachträglichen Begünstigung von Gläubigern und Schuldnern des Gemeinschuldners durch Zessionen von Forderungen entgegengewirkt werden. Die Konzernverrechnungsvereinbarungen stellten aber keine unzulässige Benachteiligung anderer Konkursgläubiger dar. Aus der Kompensationserklärung durch die Konzernmutter gehe klar hervor, mit welchen Ansprüchen aufgerechnet werden sollte und welche Forderungen der Gemeinschuldnerin zum Erlöschen kommen sollten. Die Kompensationserklärung enthalte auch die konkludente Behauptung, dass die Konzernmutter über diese Forderungen verfügungsberechtigt sei.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht gab nur der Berufung des Klägers Folge, änderte das erstinstanzliche Urteil im klagestattgebenden Sinn ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Im vorliegenden Fall sei nach dem beiderseitigen Vorbringen nicht strittig, dass die Parteien des Werkvertrages vom 24. 7. 1996 eine sogenannte Konzernverrechnungsklausel vereinbart hätten, nach der es der Beklagten gestattet sein sollte, gegen die Werklohnforderung der späteren Gemeinschuldnerin mit Forderungen von zum selben Konzern gehörenden Unternehmen aufzurechnen. Eine vertragliche Aufrechnung sei ungeachtet der mangelnden Gegenseitigkeit der Forderungen außerhalb des Konkurses grundsätzlich möglich, wenn sie der forderungsberechtigte Dritte gestatte und der Gläuber annehme. Die Drittaufrechnung sei unter diesen Voraussetzungen zulässig. Dies geschehe in der Praxis mit den sogenannten Konzernverrechnungsklauseln. Allerdings seien die Bestimmungen über die Aufrechnung im Konkurs (§§ 19, 20 KO) zwingend, weshalb jedenfalls Vereinbarungen unwirksam seien, durch welche die konkursmäßige Aufrechenbarkeit zugunsten einzelner Gläubiger auch für solche Fälle gesichert werden solle, in denen die Gegenseitigkeit verspätet eintrete. Die Aufrechenbarkeit im Konkurs sei nach § 20 KO insbesondere für Fälle ausgeschlossen, in denen die Gegenforderung erst nach der Konkurseröffnung entstanden oder die Forderung gegen den Gemeinschuldner erst nach der Konkurseröffnung an den Schuldner übergegangen sei. Die Aufrechenbarkeit setze nach ständiger Rechtsprechung und Lehre voraus, dass die Forderungen einander bei Eröffnung des Konkurses aufrechenbar gegenüber gestanden seien, nach der Konkurseröffnung sei auch die Entstehung der Aufrechenbarkeit ausgeschlossen. Um überhaupt von einer schützenswerten Aufrechnungslage vor Konkurseröffnung sprechen zu können, hätte der Dritte jedenfalls bereits vor Konkurseröffnung dem Schuldner der Konkursmasse die Ermächtigung zur Aufrechnung mit seiner Forderung gegen die Forderung des Gemeinschuldners erteilen müssen. Die Vereinbarung einer Konzernverrechnungsklausel zwischen dem späteren Gemeinschuldner und dem Schuldner vor Konkurseröffnung genüge daher zur Schaffung einer konkursfesten Aufrechnungslage nicht. Dass die forderungsberechtigte andere Konzerngesellschaft der Beklagten bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens eine solche Ermächtigung erteilt habe, sei weder behauptet worden, noch im Verfahren hervorgekommen. Vielmehr habe diese Gesellschaft über ihre Forderung auch noch nach der Konkurseröffnung durch Forderungsanmeldung und - nach dem Vorbringen beider Parteien unstrittig - durch Klageführung gegen den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin und Erwirkung eines Anerkenntnisteilurteiles in diesem Rechtsstreit verfügt, sodass von einer rechtzeitigen Ermächtigung zur Aufrechnung zugunsten der Beklagten vor Konkurseröffnung nicht ausgegangen werden könne. Schon allein deshalb sei die festgestellte Aufrechnung im Sinne des § 20 Abs 1 KO der Masse gegenüber rechtsunwirksam, ohne dass es einer Anfechtung durch den Masseverwalter bedürfte. Da Rechtsprechung zur Frage der Wirksamkeit einer Aufrechnung im Konkurs aufgrund einer Konzernverrechnungsklausel nicht vorhanden sei, sei die ordentliche Revision zuzulassen.

Die gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete Revision der beklagten Partei ist aus den vom Berufungsgericht zutreffend genannten Gründen zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die im gegenständlichen Verfahren zu entscheidende Rechtsfrage, ob eine nach Konkurseröffnung von einem (für einen) Schuldner des GS aufgrund einer mit diesem (vor Konkurseröffnung) vereinbarten sogenannten "Konzernverrechnungsklausel" erklärte Aufrechnung mit einer Forderung eines konzernverbundenen Gläubigers gegen den Gemeinschuldner im Lichte der §§ 19, 20 KO wirksam ist, ist hier zu verneinen:

Nach § 19 Abs 1 KO brauchen Forderungen, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits aufrechenbar waren, im Konkurs nicht geltend gemacht zu werden. Gemäß § 20 Abs 1 KO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden oder wenn die Forderung gegen den Gemeinschuldner erst nach der Konkurseröffnung erworben worden ist (erster Satz); das Gleiche gilt, wenn der Schuldner die Gegenforderung zwar vor der Konkurseröffnung erworben hat, jedoch zur Zeit des Erwerbes von der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners Kenntnis hatte oder Kenntnis haben musste (zweiter Satz).

Diese Bestimmung ist eine Folge des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Konkursgläubiger, der es notwendig macht, dass nach der Konkurseröffnung weder eine neue Konkursforderung entstehen, noch eine bestehende durch spätere Rechtshandlungen einer Person eine Vorzugsstellung vor anderen Forderungen erlangen darf (SZ 49/137 mwN; SZ 55/3; SZ 56/128 mwN uva). Diesem Grundsatz entspricht es, dass nach der Konkurseröffnung auch die Entstehung der Aufrechenbarkeit - insbesondere für Fälle, in denen die Gegenforderung erst nach der Konkurseröffnung entstanden oder die Forderung gegen den Gemeinschuldner erst nach der Konkurseröffnung auf den Schuldner übergegangen ist - ausgeschlossen ist (SZ 49/137 mwN ua). Eine Aufrechnung, die nach § 20 Abs 1 KO unzulässig ist, hat der Konkursmasse gegenüber keine Wirkung; die zur Masse gehörige Forderung bleibt im vollen Umfang bestehen, die Gegenforderung ebenfalls (SZ 55/3 mwN).

Während außerhalb des Insolvenzrechts über die Aufrechnungsbestimmungen der §§ 1438 ff ABGB hinaus Aufrechnungsmöglichkeiten ungeachtet etwa der mangelnden Gegenseitigkeit, sogenannte Drittaufrechnung, ua aufgrund der sogenannten "Konzernverrechnungsklausel" (dazu 6 Ob 2320/96m mwN; Schubert in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 20 KO Rz 20 mwN; Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht I4 § 19 Rz 16; ausführlich Pechmann, Fälle der unzulässigen Aufrechnung mit Konkursforderungen, 62 ff; BGHZ 81, 15; Kuhn/Uhlenbruck, dKO11 § 55 Rz 7q) wirksam vereinbart werden können, sind die Aufrechnungsbestimmungen der §§ 19, 20 KO (ebenso wie jene des vergleichbaren § 55d KO) zwingendes, unabdingbares Recht. Im Falle der - auch hier zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten vor der Konkurseröffnung vereinbarten - Konzernverrechnungsklausel findet eine Abtretung der Forderung (zwischen den konzernverwandten Unternehmen) nicht statt, vielmehr soll mit dieser Vertragsgestaltung die Aufrechnungsmöglichkeit für ein "Konzernunternehmen" erweitert werden, andererseits können jene (anderen) Konzernunternehmen aufrechnen, falls das erstgenannte Unternehmen mangels Gegenforderung hievon nicht Gebrauch machen kann. Da somit bis zur Erklärung der Aufrechnung ungewiss bleibt, wer aufrechnen wird, muss sich der im Konkurs (seines Gläubigers) Aufrechnende so behandeln lassen, als ob ihm die Forderung, mit der aufgerechnet wird (werden soll), erst im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung "abgetreten" worden wäre bzw als ob er erst nach der Konkurseröffnung (auch) Schuldner des Gemeinschuldners geworden wäre, weshalb die Aufrechnung an § 20 Abs 1 erster und/oder zweiter Satz KO scheitert (so Schubert aaO mwN; Gamerith aaO mwN in FN 83; Pechmann aaO 62 ff; insb 64 f mwN; BGHZ 81/15; BGH in ZIP 1996, 552 mwN). Gleichgültig, ob man in diesem Fall einen direkten (analogen) Verstoß gegen § 20 Abs 1 KO annehmen (so Schubert aaO; Gamerith aaO; BGHZ 81, 15) oder die (versuchte) Umgehung des § 20 Abs 1 Satz 1 zweiter Fall KO nach der "umgangenen Norm" (wie Pechmann aaO) beurteilen wollte, führt diese - auch schon vom Berufungsgericht zutreffend vertretene - Rechtsanschauung im vorliegenden Fall zur Unwirksamkeit der festgestellten Aufrechnungserklärung (namens) der Beklagten im Konkurs der Gemeinschuldnerin.

Ob eine vor der Konkurseröffnung unter Einbindung der anderen Konzerngesellschaft(en) erfolgte Aufrechnung aufgrund der vorliegend vereinbarten Konzernverrechnungsklausel allenfalls im Zusammenhang mit den weiteren Aufrechnungsvoraussetzungen des § 20 Abs 1 zweiter Satz oder Abs 2 KO für die beklagte Partei ein anderes (günstigeres) Prozessergebnis bringen könnte, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

Die dargelegten Erwägungen führen zur Bestätigung des berufungsgerichtlichen Urteils.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

Rechtssätze
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