JudikaturJustiz3Ob253/00b

3Ob253/00b – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. März 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Franciska G*****, vertreten durch Dr. Christian Riesemann, Rechtsanwalt in Graz, gegen die verpflichtete Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen Herausgabe, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 18. Mai 2000, GZ 4 R 75/00d-28, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 14. Jänner 2000, GZ 47 E 1667/98z-23, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. 10. 1997, A 4/97-11, wurde der Bund ua schuldig erkannt, der betreibenden Partei die historische Handschrift "Eusebius von Caesarea: Historia ecclesiastica" binnen 14 Tagen bei Exekution auszufolgen.

Das Erstgericht bewilligte aufgrund dieses Erkenntnisses mit Beschluss vom 3. 3. 1998, bestätigt mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 24. 11. 1999, 3 Ob 322/98v, die Exekution auf Herausgabe dieser Handschrift, die in der Universitätsbibliothek der Karl Franzens-Universität in Graz aufbewahrt wird, und die Fahrnisexekution zur Hereinbringung der Exekutionskosten.

Die verpflichtete Partei beantragte mit dem am 13. 1. 2000 eingebrachten Schriftsatz ON 22, "die gegenständliche Exekution" für den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Beendigung des mit Antrag des Bundesdenkmalamtes an den Magistrat der Landeshauptstadt Graz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 26. 5. 1999 eingeleiteten und beim Magistrat der Landeshauptstadt Graz als Bezirksverwaltungsbehörde nunmehr zu GZ A 10BD-53-99 anhängigen Verfahrens, gegebenenfalls unter Auferlegung einer entsprechenden Sicherheitsleistung, aufzuschieben. Sie brachte vor, der Vollzug der Exekution würde nunmehr bewirken, dass die Handschrift an die betreibende Partei herauszugeben wäre. Da die betreibende Gläubigerin in Slowenien wohne und sich dort aufhalte, würde der Vollzug der Herausgabeexekution die akute Gefahr der Verbringung der Handschrift in das Ausland mit sich bringen. Das Bundesdenkmalamt habe hinsichtlich dieser Handschrift keine Bescheide im Sinn des § 1 Abs 3 oder des § 3 des Ausfuhrverbotsgesetzes für Kulturgut, BGBl 1986/391, erlassen, die eine Ausfuhr dieser Handschrift gestatten würden. Bestehe Gefahr, dass Gegenstände, die dem Verbot des genannten Gesetzes unterliegen, ohne Genehmigung ausgeführt werden, so habe die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 10 Abs 1 AusfuhrverbotsG über Antrag des Bundesdenkmalamtes Sicherungsmaßnahmen anzuordnen, insbesondere solche Gegenstände zu verzeichnen oder die zwangsweise Verwahrung in einem Museum oder einer sonstigen öffentlichen Sammlung, die aufgrund ihres Aufgabenkreises in Betracht komme, anzuordnen. Das Bundesdenkmalamt habe daher mit dem am 31. 5. 1999 beim Magistrat der Landeshauptstadt Graz eingelangten Antrag beantragt, die Behörde möge der Universität Graz bis auf weiteres verbieten, diese Handschrift an die betreibende Gläubigerin oder deren Rechtsvertreter auszufolgen. Nunmehr finde sich die entsprechende gesetzliche Regelung in § 16 DMSG idF BGBl 1999 I 170. Gemäß § 17 Abs 1 Z 1 DMSG sei für die Ausfuhr von Kulturgut und von Archivarien eine Bewilligung des Bundesdenkmalamtes erforderlich, die nur in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen erteilt werden könne. Das Verfahren beim Magistrat der Stadt Graz sei zufolge Art II Abs 5 DMSG nach diesem Bundesgesetz fortzuführen. Die für diesen Antrag entsprechende Regelung finde sich nun in § 31 Abs 3 DMSG. Weiters ergebe sich ein Ausfuhrverbot bereits aus der unmittelbaren Anwendung der Verordnung (EWG) Nr 3911/92 des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 9. 12. 1992. Die Verbringung der Handschrift nach Slowenien würde gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht verstoßen.

Eine Fortführung des Exekutionsverfahrens hätte zur Folge, dass der Zweck dieses Antrags vereitelt würde. Mit einem dem Antrag stattgebenden Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde wäre für die Republik Österreich dann nichts gewonnen, wenn im Zeitpunkt der Bescheiderlassung die Handschrift nach Vollzug der gerichtlichen Herausgabeexekution bereits aus der Bibliothek der Universität Graz verbracht worden wäre und daher die Sicherungsmaßnahmen ins Leere gingen. Der Antrag ziele darauf ab, dass der Universität Graz die Ausfolgung der Handschrift an die betreibende Gläubigerin persönlich bzw an deren Rechtsvertreter verboten werde; er stelle daher auf die Beibehaltung der Gewahrsame der Universität Graz an dieser Handschrift ab. Ein in Zukunft ergehender antragsgemäß erlassener Bescheid könnte nicht mehr in Vollzug gesetzt werden, weil der Vollzug der Herausgabeexekution vollendete Tatsachen geschaffen hätte und die Handschrift unwiederbringlich der Gewahrsame der Universität Graz entzogen wäre. Ein solcher Bescheid der Verwaltungsbehörde würde sich als Vernichtung des Vollstreckungsanspruchs darstellen und verwirkliche somit inhaltlich einen Tatbestand, der die Exekution unzulässig mache. Es sei sohin ein Fall gegeben, der dem Aufschiebungstatbestand des § 42 Abs 1 Z 5 EO nach Art und Gewicht völlig gleichzuhalten sei. Eine Rückerlangung der Handschrift nach ihrer Verbringung nach Slowenien wäre für die Republik Österreich nicht mehr möglich; österreichisches Kulturgut wäre dann unwiederbringlich verloren. Auch der Umstand, dass die betreibende Gläubigerin auf ein Anbot der Verpflichteten vom Mai 1999, die Handschrift um S 250.000 anzukaufen, nicht Stellung genommen habe, erhärte die Befürchtung, dass sie an einem Verkauf der Handschrift an die verpflichtete Partei offenbar nicht sehr interessiert, sondern eher gewillt sei, die Handschrift nach Slowenien auszuführen und für sich zu behalten.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Aufschiebung von Fahrnis- und Herausgabeexekution in entsprechender Anwendung des § 42 Abs 1 Z 5 EO ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung. Die Einbringung des Antrags beim Magistrat Graz könne nicht von vornherein als aussichtslos beurteilt werden. Ein stattgebender Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde würde inhaltlich einen Tatbestand verwirklichen, der die Exekution unzulässig bzw unmöglich machen würde. Es sei damit ein Fall gegeben, der dem Aufschiebungstatbestand des § 42 Abs 1 Z 5 EO nach Art und Gewicht gleichzuhalten sei, weil es keinen Unterschied machen könne, ob sich die Unzulässigkeit der Exekution aus einem über eine Klage im Sinn des § 42 Abs 1 Z 5 EO ergangenen Urteil oder aber gleichlautend aus einem verwaltungsbehördlichen Bescheid ergebe. Eine analoge Heranziehung dieses Aufschiebungsgrundes erscheine daher zulässig. Von der Auferlegung einer Sicherheitsleistung könne aufgrund der als gegeben anzusehenden Bonität der verpflichteten Partei abgesehen werden.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss über Rekurs der betreibenden Gläubigerin dahin ab, dass der Aufschiebungsantrag abgewiesen wurde; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und der (ordentliche) Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen das anhängige Verfahren gemäß § 31 Abs 3 DMSG im Fall einer Herausgabeexekution einem Aufschiebungsgrund nach § 42 Abs 1 EO gleichzuhalten sind, fehle.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz sei der Aufschiebungsantrag abzuweisen, weil die Einbringung des Antrags des Bundesdenkmalamtes vom 26. 5. 1999 beim Magistrat Graz an Art und Gewicht nicht den in § 42 EO genannten Aufschiebungsgründen gleichkomme. Es würde nämlich einen nicht nachvollziehbaren Wertungswiderspruch bedeuten, wenn zwar erst die Erlassung und Zustellung einer einstweiligen Verfügung einen Aufschiebungsgrund darstelle, aber bereits ein Antrag auf Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 31 Abs 3 DMSG als Aufschiebungsgrund anerkannt würde. Ob ein wirksamer Bescheid gemäß § 31 Abs 3 DMSG als tauglicher Aufschiebungsgrund analog § 42 Abs 1 EO anzusehen sei, könne vorläufig dahingestellt bleiben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 ZPO nicht gebunden ist, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.

Gemäß § 44 Abs 1 EO hat die Bewilligung der Exekutionsaufschiebung zu unterbleiben, wenn die Exekution begonnen oder fortgeführt werden kann, ohne dass dies für denjenigen, der die Aufschiebung verlangt, mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles verbunden wäre. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der in diesem Exekutionsverfahren ergangenen Entscheidung 3 Ob 322/98v darauf hingewiesen, dass Gegenstand dieser Herausgabeexekution einzig die - wie von der betreibenden Gläubigerin im Exekutionsantrag angegeben - in der Universitätsbibliothek in Graz zu vollziehende Herausgabe dieser Handschrift ist. Der Vollzug dieser Exekution findet ausschließlich in Österreich statt. Der Umstand, dass die betreibende Gläubigerin in Slowenien wohnhaft ist, begründet für sich allein keineswegs eine konkrete Gefahr, dass sie die von ihr nach Österreich gebrachte Handschrift unter Verletzung eines gesetzlichen Verbotes wieder in das Ausland verbringen würde, und die verpflichtete Partei hat hiezu auch entgegen der sie treffenden Verpflichtung (s Jakusch in Angst, EO § 42 Rz 62, § 44 Rz 5) konkret nichts Geeignetes vorgebracht, geschweige denn einen entsprechenden Sachverhalt bescheinigt (durch das Vorbringen, die betreibende Partei habe auf ein Kaufanbot nicht reagiert, wird eine solche Gefahr nicht dargetan).

Die Argumentation der verpflichteten Partei im Aufschiebungsantrag, eine Sicherungsmaßnahme nach § 31 Abs 3 DMSG könne nach Ausfolgung der Handschrift an die betreibende Gläubigerin nicht mehr gesetzt werden, ist falsch. Die vorgesehenen Maßnahmen sind in keiner Weise auf den Fall beschränkt, dass ein Gegenstand, der den Beschränkungen der Ausfuhr unterliegt, bereits in einem Museum oder in einer sonstigen öffentlichen Sammlung verwahrt wird.

Der Vollzug der Herausgabeexekution würde somit eine Sicherungsmaßnahme nach § 31 Abs 3 DMSG keineswegs unmöglich machen. Da somit die in § 44 Abs 1 EO für eine Aufschiebung vorausgesetzte Gefährdung der verpflichteten Partei zu verneinen ist, sind die vom Rekursgericht und von der Revisionsrekurswerberin relevierten Rechtsfragen nicht entscheidungsrelevant.

Inwiefern ein Grund für die ebenfalls beantragte Aufschiebung der Fahrnisexekution bestehen sollte, wurde von der verpflichteten Partei nie vorgebracht und ist hier auch nicht zu ersehen, weil eine Sicherungsmaßnahme nach § 31 Abs 3 DMSG die vollstreckbare Geldforderung der betreibenden Gläubigerin in keiner Weise berühren würde.