JudikaturJustiz3Ob240/14m

3Ob240/14m – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. März 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Ausfolgungssache des im Inland gelegenen beweglichen Vermögens der verstorbenen E*****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, über den Revisionsrekurs des Nachlassverwalters D*****, vertreten durch Dr. Friedrich Schwank, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. November 2014, GZ 45 R 453/14x 5, womit infolge Rekurses des Nachlassverwalters der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 17. Oktober 2014, GZ 96 Nc 29/14x 2, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über den Antrag des Nachlassverwalters vom 25. Juli 2014 auf Ausfolgung des in Österreich gelegenen beweglichen Vermögens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Erblasserin, die ***** Staatsbürgerin war, ist am 23. April 2007 in *****, verstorben. Das über Antrag des in Australien zum Nachlassverwalter Bestellten vom 17. Oktober 2012 eingeleitete Verlassenschaftsverfahren betreffend ihren Liegenschafts-besitz in Österreich ist zu 2 A 535/12m des Bezirksgerichts Neusiedl am See anhängig; mit diesem Antrag war auch ein solcher auf Ausfolgung des beweglichen Vermögens in Österreich verbunden. Am 23. April 2014 wiederholte der Nachlassverwalter den Ausfolgungsantrag beim Bezirksgericht Neusiedl am See. Einen weiteren Ausfolgungsantrag brachte er am 25. Juli 2014 beim Erstgericht (Bezirksgericht Innere Stadt Wien) ein.

Nachdem das Erstgericht diesen Antrag vorerst an das Bezirksgericht Neusiedl am See weitergeleitet hatte, wies es den Ausfolgungsantrag mit Hinweis auf den Grundsatz „ne bis in idem“ zurück, weil ein noch nicht beendetes Verfahren mit identem Gegenstand bereits beim Bezirksgericht Neusiedl am See anhängig sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Nachlassverwalters teilweise Folge, behob den Beschluss des Erstgerichts zur Gänze, überwies den Ausfolgungsantrag vom 25. Juli 2014 an das Bezirksgericht Neusiedl am See als zuständiges Gericht und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig.

Der Rekurssenat hielt fest, dass die Anträge auf Ausfolgung des in Österreich befindlichen beweglichen Vermögens vom 17. Oktober 2012 und vom 23. April 2014 nach Erlassung der Entscheidung des Erstgerichts mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2014 beim Bezirksgericht Neusiedl am See zurückgezogen wurden. Da im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz (hier: 17. Oktober 2014) zu beurteilen sei, habe die später vorgenommene Zurückziehung außer Betracht zu bleiben. Im Übrigen führe im Außerstreitverfahren die Anhängigkeit desselben Verfahrensgegenstands bei mehreren Gerichten nicht zur Zurückweisung des zweiten Antrags; nach § 12 Abs 2 AußStrG sei die Sache vielmehr an jenes der an sich zuständigen Gerichte zu überweisen, bei dem sie zuerst anhängig geworden sei. Hier seien die Anträge auf Ausfolgung zuerst beim Bezirksgericht Neusiedl am See eingebracht worden, sodass dieses Gericht zuständig und der Antrag vom 25. Juli 2014 diesem Gericht zu überweisen sei. Die Ausfolgung gemäß § 150 AußStrG sei überdies ausgeschlossen, weil in Österreich ohnedies ein Verlassenschaftsverfahren aufgrund des im Inland gelegenen unbeweglichen Vermögens durchzuführen sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zu den Fragen fehle, ob nach Zurückziehen eines beim ursprünglich angerufenen Gericht eingebrachten Antrags während des Rechtsmittelverfahrens betreffend die Zurückweisung des zweiten Antrags eine Überweisung nach § 12 AußStrG zu erfolgen habe, und ob ein Ausfolgungsverfahren zulässig sei, wenn unstrittig ein Verlassenschaftsverfahren wegen unbeweglichen Vermögens im Inland durchzuführen sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Nachlassverwalters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Entscheidung über den Ausfolgungsantrag aufzutragen. Im Wesentlichen wird damit argumentiert, die aus den Bestimmungen des § 106 Abs 1 Z 2 JN und § 150 AußStrG abzuleitende und vom Gesetzgeber beabsichtigte strikte Trennung zwischen einem Abhandlungsverfahren über inländische Liegenschaften und einem Ausfolgungsverfahren stehe dem vom Rekursgericht angenommenen Ausschluss eines Ausfolgungsverfahrens bei Durchführung einer inländischen Abhandlung entgegen. Dies widerspreche auch dem den Verfahrensgesetzen innewohnenden Grundsatz der Zweckmäßigkeit und Verfahrensökonomie, weil es zu einer Verzögerung gegenüber dem sonst einfachen und verkürzten Ausfolgungsverfahren komme. Das könne zur Zuständigkeit verschiedener Gerichte führen. Wegen der in Wien gelegenen beweglichen Nachlassgegenstände (diverse Guthaben) sei das angerufene Erstgericht für das Ausfolgungsverfahren zuständig, sodass sich die Frage nach einer Überweisung des Antrags erübrige.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig , weil die vom Rekursgericht geäußerten Rechtsansichten nicht aufrecht zu erhalten sind, und deshalb auch berechtigt .

1. Die innerstaatlichen Regelungen über die internationale Zuständigkeit in Verlassenschaftssachen finden sich in den §§ 106, 107 JN. Darin wird entsprechend der auch sonst im Gesetz verwendeten Terminologie für die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte der Ausdruck inländische Gerichtsbarkeit verwendet. Ob Österreich die internationale Zuständigkeit zur Verlassenschaftsabhandlung in Anspruch nimmt, richtet sich gemäß § 106 Abs 1 JN primär danach, ob das Vermögen der verstorbenen Person im Inland oder im Ausland gelegen ist und ob es sich um bewegliches oder unbewegliches Vermögen handelt. Die inländische Gerichtsbarkeit für eine Verlassenschaftabhandlung ist für das im Inland gelegene unbewegliche Vermögen stets gegeben (§ 106 Abs 1 Z 1 JN). Über im Inland gelegenes bewegliches Vermögen ist gemäß § 106 Abs 1 Z 2 JN im Inland (nur) abzuhandeln, wenn der Verstorbene zuletzt entweder österreichischer Staatsbürger war (lit a) oder seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (lit b) oder wenn die Durchsetzung aus dem Erbrecht, Pflichtteilsrecht oder einer letztwilligen Erklärung abgeleiteter Rechte im für die Durchsetzung sonst in Frage kommenden Ausland unmöglich ist (lit c). Besteht demnach keine inländische Abhandlungsgerichtsbarkeit und ist deshalb das im Inland gelegene bewegliche Vermögen nicht abzuhandeln, sieht § 150 AußStrG auf Antrag die Durchführung eines Ausfolgungsverfahrens vor.

2. Diese klare gesetzliche Regelung, die für den hier vorliegenden Fall der Zusammensetzung des inländischen Nachlasses aus unbeweglichen und beweglichen Sachen die inländische Abhandlungsgerichtsbarkeit auch für Letztere gerade nicht vorsieht, hat zur Folge, dass ein Abhandlungsverfahren über in Österreich gelegenes unbewegliches Vermögen und ein Ausfolgungsverfahren über bewegliches Vermögen nebeneinander und jeweils selbständig zu führen sind (so auch Schatzl/Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 150 Rz 3 mwN).

Die von diesen Autoren dort aufgestellte Forderung, dass nur dann, wenn kein Abhandlungsverfahren durchzuführen ist, das (vereinfachte) Ausfolgungsverfahren nach § 150 AußStrG Platz greifen dürfe, findet im Gesetzestext keine Grundlage. Die kritisierte Konsequenz dieser Rechtslage, dass ein Nachlass der Jurisdiktion unterschiedlicher Staaten unterstellt werde, trifft auch dann zu, wenn neben dem in Österreich gelegenen unbeweglichen Vermögen weiteres (bewegliches und/oder unbewegliches) Vermögen im Ausland zum Nachlass gehört, was wohl den Regelfall darstellen wird. Daher erscheint es auch verfahrensökonomisch keineswegs geboten, die für einen Teil des Nachlasses bestehende Möglichkeit einer einfachen, kostensparenden und raschen Übergabe im Rahmen eines Urkundenverfahrens mit dem Argument auszuschließen, dass für andere inländische Nachlassgegenstände eine solche Möglichkeit nicht vorgesehen sei, und so eine gar nicht normierte internationale Zuständigkeit für eine Abhandlung zu konstruieren. Die Regelungen der Verordnung Nr 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (EuErbVO) sind hier noch nicht relevant.

Das vom Nachlassverwalter beantragte Ausfolgungsverfahren ist daher selbständig zu führen.

3. Die Erblasserin war weder österreichische Staatsbürgerin noch hatte sie ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Es bestehen auch keine Hinweise darauf, die Durchsetzung von aus dem Erbrecht, Pflichtteilsrecht oder einer letztwilligen Erklärung abgeleiteter Rechte sei im Ausland unmöglich; vielmehr belegt die Bestellung eines Nachlassverwalters durch ein australisches Gericht das Gegenteil.

Während das Bestehen einer inländischen Abhandlungsgerichtsbarkeit für das im Inland gelegene bewegliche Vermögen verneint werden muss, ist die nach § 107 JN stets gegebene internationale Zuständigkeit für die Durchführung eines Ausfolgungsverfahrens nach § 150 AußStrG somit zu bejahen.

4. Die örtliche Zuständigkeit für „Verlassenschaftsverfahren (§§ 143 bis 185 AußStrG)“ regelt § 105 JN, der somit auch für das Ausfolgungsverfahren gilt ( Traar in Fasching/Konecny ³ § 105 JN Rz 2). Da sich hier ein allgemeiner Gerichtsstand der Verstorbenen in Streitsachen im Inland nicht ermitteln lässt, gehört es vor das Gericht, in dessen Sprengel sich der größte Teil des im Inland gelegenen Vermögens befindet. Daher ist wegen der gebotenen Trennung von Abhandlungs und Ausfolgungsverfahren in diesem Zusammenhang für das Ausfolgungsverfahren nur auf das im Inland gelegene bewegliche Vermögen abzustellen.

Aus dem angeschlossenen Abhandlungsakt zu den erblasserischen Liegenschaften (Inventar vom 30. Dezember 2013) ergibt sich, dass es sich beim beweglichen inländischen Vermögen um Ansprüche der Erblasserin gegenüber ausschließlich in Wien 1 situierten Schuldnern (Bank, Treuhänder) handelt, sodass die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts gegeben ist.

5. Eine örtliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts Neusiedl am See ist hingegen zu verneinen. Schon aus diesem Grund kommt die vom Rekursgericht ausgesprochene Überweisung des Ausfolgungsantrags vom 25. Juli 2014 nicht in Frage, weil diese nach § 12 Abs 2 AußStrG nur an ein zuständiges Gericht zulässig ist. Daher erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit der Wirkung und Beachtlichkeit der Rückziehung der früher gestellten Ausfolgungsanträge.

6. Da auch für die Zurückweisung des Ausfolgungsantrags durch das Erstgericht jede Grundlage fehlt, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos zu beheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über den Antrag des Nachlassverwalters vom 25. Juli 2014 auf Ausfolgung des in Österreich gelegenen beweglichen Vermögens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.