JudikaturJustiz3Ob232/15m

3Ob232/15m – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. März 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, Liechtenstein, vertreten durch Dr. Heinz Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung und Herausgabe (Streitwert 22.801,90 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Juli 2015, GZ 16 R 61/15f 71, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 15. Dezember 2014, GZ 5 Cg 53/12v 49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.329,84 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 221,64 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nachdem über das Vermögen einer GmbH, deren Alleingesellschafterin die Klägerin eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein ist, im Jahr 2009 das Konkursverfahren eröffnet worden war, meldete die Beklagte unter Vorlage eines Rückstandsausweises eines näher bezeichneten Finanzamts vom 22. 6. 2009 eine vollstreckbare Abgabenforderung von 11.400,95 EUR an, die vom Masseverwalter anerkannt und weder von der Insolvenzschuldnerin noch von einem Gläubiger bestritten wurde.

Mit Schreiben vom 14. 5. 2012 teilte der Rechtsvertreter der Klägerin dem zuständigen Finanzamt mit, dass die Klägerin die im Insolvenzverfahren angemeldete Abgabenforderung gemäß § 1422 ABGB einlösen würde. Er wies auf die am selben Tag erfolgte Überweisung des offenen Abgabenbetrags hin. Der in diesem Schreiben enthaltenen Aufforderung, binnen 14 Tagen das Original des Rückstandsausweises herauszugeben und eine angeschlossene Abtretungserklärung amtlich beglaubigt unterfertigt zu übermitteln, kam das Finanzamt nicht nach. Vielmehr teilte die Finanzprokuratur dem Rechtsvertreter der Klägerin mit, dass § 1422 ABGB bei der Tilgung von Abgabenforderungen nicht anzuwenden sei. Mit der Zahlung sei zwar die Abgabenschuld getilgt worden, jedoch ein Forderungsübergang nicht erfolgt, weshalb dem Verlangen nach Unterzeichnung der übermittelten Abtretungserklärung sowie Übermittlung eines Rückstandsausweises nicht entsprochen werden könne.

Mitte des Jahres 2014 wurde das Konkursverfahren nach Befriedigung sämtlicher Gläubiger gemäß § 167 KO aufgehoben.

Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung, dass die im Konkursverfahren angemeldeten Forderungen an Steuern und sonstigen Abgaben im Gesamtbetrag von 11.400,95 EUR aufgrund des Rückstandsausweises vom 22. 6. 2009 zufolge Einlösung gemäß § 1422 ABGB auf sie übergegangen und gemäß § 9 EO zu ihren Gunsten vollstreckbar sind. Weiters beantragte sie, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr binnen 14 Tagen eine mit der Bestätigung der Vollstreckbarkeit und dem Amtssiegel des Finanzamts versehene Originalausfertigung des Rückstandsausweises vom 22. 6. 2009 auszufolgen.

Sie brachte zusammengefasst vor, dass sie die Abgabenforderung gemäß § 1422 ABGB durch Zahlung des offenen Betrags wirksam eingelöst und ein rechtliches Interesse an der Feststellung des erfolgten Forderungsübergangs sowie ein Recht auf Herausgabe des bereits vorhandenen Exekutionstitels habe. Die begehrte Feststellung ersetze eine § 9 EO entsprechende Urkunde. Sie wolle sich gegenüber der GmbH als Schuldnerin nicht auf den Rechtsgrund des § 1042 ABGB stützen, weil ihr das Recht zustehe, den einfachsten, kostengünstigsten und sichersten Weg zu wählen. Bei einem Obsiegen mit dem Klagebegehren sei die mit Kosten verbundene - Neuschaffung eines Titels nicht nötig.

Die Beklagte wandte die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein. Über die Frage der Einlösung einer Abgabenforderung sei im Abgabenverwaltungsweg zu entscheiden. Eine Einlösung von Abgabenforderungen sei keine rechtlich zulässige Entrichtungsart. Das Aufforderungs-begehren würde auch der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht widerstreiten. Der Klägerin mangle es am rechtlichen Interesse an der begehrten Feststellung. Sie könne vom Insolvenzgericht einen gerichtlich beglaubigten Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis begehren und darüber hinaus einen Anspruch nach § 1042 ABGB unmittelbar gegen die Schuldnerin geltend machen. Ein solcher Anspruch wäre auch vom Masseverwalter im Konkursverfahren anerkannt worden, wenn die Klägerin die bereits vorhandenen Urkunden, insbesondere das Schreiben der Finanzprokuratur über die erfolgte Abgabentilgung, vorgelegt hätte.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs mit der (zusammengefassten) Begründung, dass die Lehre und die überwiegende Rechtsprechung die Zulässigkeit des Rechtswegs zur Durchsetzung übergegangener Abgabenforderungen bejahten, und gab der Klage statt. Nach der Lehre und der überwiegenden Rechtsprechung sei die Einlösung öffentlich rechtlicher Schulden nach § 1422 ABGB möglich. Vorschriften, die einen Forderungsübergang zuließen, wollten nach ihrem Sinn auch den Rückgriff durchsetzbar machen. § 9 EO gelte in gleicher Weise für zivilrechtliche wie auch für öffentlich rechtliche Forderungen und auch für die Fälle einer „Forderungsübergabe“ nach § 1422 ABGB. Der Klägerin als Forderungserwerberin bleibe es überlassen, ihre Forderung nicht auf § 1042 ABGB zu stützen, sondern den Altgläubiger auf Feststellung des Forderungsübergangs zu klagen, zumal der bisherige Gläubiger nach § 9 EO verpflichtet sei, eine solche Urkunde auszustellen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigt; die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Zulässigkeit der Abtretung von Abgabenforderungen nach § 1422 ABGB fehle.

Das Erstgericht habe die Zulässigkeit des Rechtswegs zu Recht bejaht.

Nach zutreffenden Stimmen aus der Lehre, die auch mit der überwiegenden Rechtsprechung in Einklang stünden, verwandle sich die Rechtsnatur des Abgabenanspruchs beim Übergang von einem öffentlich rechtlichen auf einen privatrechtlichen „Rechtsträger“ in eine privatrechtliche Forderung, die im ordentlichen Rechtsweg durchgesetzt werden könne. Damit sei auch der von der Klägerin geltend gemachte Ausfolgungsanspruch hinsichtlich des Rückstandsausweises als Hilfsanspruch zur Durchsetzung der übergegangenen Forderung als zivilrechtlicher Anspruch zu qualifizieren.

Zwischen der Anwendbarkeit von § 1422 ABGB und § 1358 ABGB sei bei Abgabenforderungen nicht zu unterscheiden. Auch wenn die Einlösung von Abgabenforderungen gemäß § 1422 ABGB anders als die Verbürgung für solche gemäß § 222 Abs 3 BAO in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehen sei, sei der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen von einem Übergang des öffentlich rechtlichen Anspruchs auf den Bürgen ausgegangen. Ebenso habe er ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 9 EO auf Rückstandsausweise als Exekutionstitel bejaht. Unabhängig davon, ob der Forderungsübergang nach § 1358 oder nach § 1422 ABGB erfolgt sei, stelle dieser jedenfalls eine Einzelrechtsnachfolge iSd § 9 EO dar.

Für das Vorliegen des Feststellungsinteresses sei der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz relevant. Nach der Konkursaufhebung käme zur Erlangung eines Exekutionstitels, gestützt auf § 1042 ABGB, nur eine klageweise Geltendmachung in Betracht, die aber gegenüber der vorliegenden Klageführung keinen einfacheren Rechtsbehelf darstelle.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revision die Nichtigerklärung der Urteile der Vorinstanzen; hilfsweise stellt sie einen Abänderungsantrag.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

In der Revision verweist die Beklagte erneut auf den nach ihrer Auffassung verwirklichten Nichtigkeitsgrund der Unzulässigkeit des Rechtswegs. Im Übrigen hält sie ihren Standpunkt aufrecht, dass die Einlösung einer Abgabenforderung gemäß § 1422 ABGB unzulässig sei. Die Klägerin habe ihren Sitz im Ausland. Jedenfalls aber könne § 9 EO auf Rückstandsausweise über Abgabenforderungen des Bundes nicht angewendet werden, weil diese über Einwendung des Verpflichteten, aber auch amtswegig - jederzeit zurückgenommen werden könnten. Erhebe der Abgabenschuldner gegen den vom Neugläubiger betriebenen Anspruch Einwendungen mittels Oppositionsklage, widerspräche das dem Grundsatz, dass über Einwendungen gegen verwaltungsbehördliche Titel im Verwaltungsverfahren zu entscheiden sei.

Dazu wurde erwogen:

1. Die behauptete Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs kann in der Revision nicht erfolgreich geltend gemacht werden. Das Berufungsgericht hat die Nichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ausdrücklich verneint und somit für den Obersten Gerichtshof bindend (stRsp; RIS Justiz RS0042981; RS0043405) die Zulässigkeit des Rechtswegs bejaht.

2. Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist als Titelergänzungsklage iSd § 10 EO zu qualifizieren.

2.1 Aus dem Klagevorbringen ist eindeutig abzuleiten, dass die Klägerin die Feststellung ihres Vollstreckungsanspruchs aus dem vollstreckbaren Rückstandsausweis aufgrund des von ihr behaupteten Forderungsübergangs gemäß § 1422 ABGB begehrt.

2.2 Zweck der Klage nach § 10 EO ist der Nachweis bestimmter Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen für einen bereits vorhandenen Titel, nicht aber die Schaffung eines neuen Titels (RIS Justiz RS0001384 [T4]). Sie setzt somit die Existenz eines, wenn auch in dieser Form für sich allein nicht exekutionsfähigen, Exekutionstitels voraus. Das Klageziel ist die Feststellung des Bestehens des Vollstreckungsanspruchs ( Jakusch in Angst/Oberhammer , EO³ § 10 Rz 1; Binder/Burgstaller/Meinhart in Burgstaller/ Deixler Hübner [18. Lfg 2014] § 10 EO Rz 2 f; RIS Justiz RS0000429; 3 Ob 188/02x; 3 Ob 38/15g mwN).

2.3 Stehen dem betreibenden Gläubiger als Rechtsnachfolger des Titelgläubigers die nach § 9 EO erforderlichen urkundlichen Nachweise (zur Anwendbarkeit des § 9 EO auf einen Forderungsübergang gemäß § 1422 ABGB s 1 Ob 262/04t = RIS Justiz RS0000287 [T2]) seines objektiv gegebenen Vollstreckungsanspruchs nicht bzw nicht in der im Gesetz geforderten Form zur Verfügung, kann er Klage nach § 10 EO erheben (RIS Justiz RS0000306).

2.4 Geht es um den Nachweis des Übergangs einer Forderung nach § 9 EO auf Seiten des Berechtigten, kann die Klage sowohl gegen den Schuldner, wenn die Gefahr besteht, dass dieser später die Rechtsnachfolge mit einer Impugnationsklage bestreitet ( Binder/Burgstaller/Meinhart in Burgstaller/Deixler Hübner § 10 Rz 23 mwN), als auch gegen den Rechtsvorgänger des Klägers, also gegen den aus dem Exekutionstitel Berechtigten, gerichtet werden (SZ 28/265; 1 Ob 854/52 = RIS Justiz RS0000401; 5 Ob 94/95; Jakusch in Angst/Oberhammer , EO 3 § 10 Rz 14; Binder/Burgstaller/ Meinhart in Burgstaller/Deixler Hübner § 10 EO Rz 23).

2.5 Wegen ihres auf die Feststellung des Vollstreckungsanspruchs gerichteten Ziels bildet die Klage nach § 10 EO das Gegenstück zur Klage nach § 36 EO, die dem Verpflichteten zur Bestreitung dieses Vollstreckungs-anspruchs zur Verfügung steht ( Jakusch in Angst/Oberhammer , EO 3 § 10 EO Rz 2; zur Bestreitung der Rechtsnachfolge durch Klage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO RIS Justiz RS0000343).

Grundsätzlich ergibt sich aus dem dargelegten Verhältnis der Klage nach § 10 EO zu jener nach § 36 EO, dass die Rechtskraft des Urteils nach § 10 EO einer Klage nach § 36 EO, die auf denselben, nur in sein Gegenteil verkehrten Sachverhalt gestützt wird, entgegensteht ( Jakusch in Angst/Oberhammer , EO 3 § 10 Rz 20). Das gilt jedoch nur dann, wenn der Rechtsnachfolger auch gegen den Schuldner ein rechtskräftiges Urteil nach § 10 EO erwirkt hat. Um dem Schuldner bereits von vornherein die Möglichkeit zu nehmen, später mit Klage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO die Rechtsnachfolge zu bestreiten, würde sich daher empfehlen, auch den Schuldner mitzuklagen; eine zwingende Verpflichtung dazu ergibt sich jedoch aus dem Gesetz nicht.

Der Umstand, dass die Klägerin ihre Klage nur gegen die Zedentin eingebracht hat, die sowohl den Rechtsübergang als auch ihre Verpflichtung zur Ausstellung der nach § 9 EO erforderlichen Urkunden bestreitet, schadet daher nicht (vgl Binder/Burgstaller/Meinhart in Burgstaller/Deixler Hübner § 10 EO Rz 23 mwN).

3. Zutreffend haben die Vorinstanzen auch den in erster Instanz von der Beklagten erhobenen Einwand des fehlenden Rechtsschutzinteresses der Klägerin verneint.

3.1 Die Beklagte hat ihre Abgabenforderung im Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin angemeldet. Die Forderung wurde nicht bestritten. Richtig ist, dass bei Einlösung einer angemeldeten Insolvenzforderung der Einlösende in die Teilnahmerechte des Hauptgläubigers eintritt. Wenn der Übergang unter Mitwirkung des bisherigen Gläubigers analog § 9 EO bescheinigt wird und der Masseverwalter den Forderungsübergang nicht bestreitet, ist die Anmerkung des Übergangs im Anmeldeverzeichnis vorzunehmen. Andernfalls ist der Anspruch auf Feststellung des Forderungsübergangs nachträglich anzumelden und einer nachträglichen Prüfungstagsatzung zu unterziehen (RIS Justiz RS0118699; 8 Ob 153/03p).

3.2 Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz war eine solche Vorgangsweise jedoch infolge Aufhebung des Konkursverfahrens nicht mehr möglich. Schon aus diesem Grund kann der Klägerin ein Rechtsschutzinteresse in diesem Verfahren nicht abgesprochen werden.

4. Die Einlösung einer Abgabenforderung gemäß § 1358 ABGB oder § 1422 ABGB durch einen privaten Dritten ist jedenfalls dann möglich, wenn bereits ein Exekutionstitel über die Abgabenforderung vorliegt.

4.1 Insoweit ist der Beklagten zunächst zuzugestehen, dass eine Leistungsklage des Zessionars, der eine Abgabenforderung erworben hat, gegen den Schuldner unter dem Aspekt der Gewaltentrennung nicht unproblematisch erscheint: Mit der Entscheidung über diese Leistungsklage müsste als Hauptfrage beantwortet werden, ob die Abgabenforderung zu Recht besteht. Da der Zessionar naturgemäß keinen Bescheid über die Abgabenschuld erlassen kann, bliebe ihm, bejahte man die Abtretbarkeit auch vor Erlassung eines Exekutionstitels, nur die Geltendmachung im Rechtsweg.

Der Oberste Gerichtshof verneinte wegen dieser Problematik in einigen Entscheidungen die Zulässigkeit des Rechtswegs für eine Leistungsklage des Zessionars über abgetretene öffentlich-rechtliche Forderungen (1 Ob 535/34 ImmZ 1935/93 bezüglich Kanalgebühr, Wohnbausteuer und Wasserbezugsgebühr; 4 Ob 530/68 SZ 41/80 öffentlich-rechtliche Forderung einer Wegegenossenschaft; 3 Ob 255, 256/75 NZ 1978, 11 Abgabenforderung; 2 Ob 550/78 SZ 51/141 Abgabenforderung).

4.2 Andere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs halten hingegen eine auf § 1358 ABGB gestützte Leistungsklage für übergegangene öffentlich-rechtliche Steuer- und Gebührenforderungen für zulässig (3 Ob 373, 374/53 SZ 26/145 Erbschaftssteuer; 14 ObA 86/87 DRdA 1989/21 [ Mader ] und RIS Justiz RS0032266 jeweils Lohnsteuer; 6 Ob 237/04b = RS0032266 [T2] und RS0119990 jeweils KESt).

Diese Auffassung teilt mit unterschiedlichen Begründungsansätzen auch die überwiegende Lehre ( Wolff in Klang VI 2 294; Stoll , Das Steuerschuldverhältnis [1972] 197, 200; Reischauer in Rummel ABGB 3 § 1422 Rz 30; ebenso nun Gamerith in Rummel ABGB 3 § 1358 Rz 7; Mader/W. Faber in Schwimann , ABGB 3 §§ 1422, 1423 Rz 16 und § 1358 Rz 9; Bramerdorfer , Der zivilrechtliche Regressanspruch des Steuerhaftenden gegenüber dem Steuerschuldner, JBl 2002, 82 ff, aA Ortner , Die Abtretung öffentlich rechtlicher Ansprüche, ÖJZ 1966, 197, der nur eine Exekutionsführung des Zessionars iSd § 9 EO für möglich hält).

4.3 Hier macht die Klägerin allerdings ohnedies nicht die eingelöste Abgabenforderung gegenüber der Schuldnerin geltend. Verfahrensgegenstand ist vielmehr eine gegen die Zedentin gerichtete Titelergänzungsklage. Der dem Exekutionstitel zugrunde liegende materielle Anspruch ist dabei nicht neuerlich zu prüfen (3 Ob 20/14h; RIS Justiz RS0000420 [T2]). Hauptfrage des Titelergänzungsverfahrens ist vielmehr, ob die Forderung auf die Klägerin übergegangen ist. Der Prüfung der Frage, ob über die Zulässigkeit der Abtretung des öffentlich rechtlichen Anspruchs die Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat (so ausdrücklich 4 Ob 530/68 SZ 41/80; vgl aber RIS Justiz RS0113773 und Jakusch in Angst/Oberhammer , EO³ § 10 Rz 8/1, wonach auch für die Ergänzung finanz und verwaltungsbehördlicher Titel immer der Rechtsweg offen steht), steht hier die bindende Bejahung der Zulässigkeit des Rechtswegs durch die Vorinstanzen entgegen.

4.4 Diese bindende Bejahung der Zulässigkeit des Rechtswegs enthebt den Obersten Gerichtshof aber nicht der Prüfung, ob die Klage materiell rechtlich berechtigt ist. Das ist nur der Fall, wenn § 1422 ABGB eine Haftung iSd § 1358 ABGB für die Abgabenschuld der Schuldnerin hat die Klägerin nicht behauptet anwendbar ist. Das ist zu bejahen.

a) Jedenfalls dann, wenn das Abgabenrecht die persönliche Haftung oder die Haftung mit bestimmten Vermögensstücken für eine fremde Schuld anordnet, wäre es systemwidrig, dem Haftenden selbst dann kein Instrumentarium für seinen Regressanspruch zur Verfügung zu stellen, wenn bereits ein vollstreckbarer Exekutionstitel für die Forderung besteht (vgl Mader , DRdA 1989/21 [EAnm]; Gamerith in Rummel ABGB 3 § 1358 Rz 7; Reischauer in Rummel ABGB 3 § 1422 Rz 30).

b) Ein zusätzliches Argument für die Fälle des § 1358 ABGB ergibt sich aus § 222 Abs 3 BAO und dem dortigen Verweis auf die Bürgschaftsnormen des ABGB ( Bramerdorfer , JBl 2002, 82; Mader DRdA 1989/21 [EAnm]; vgl auch Stoll , Steuerschuldverhältnis 205).

c) Nichts anderes kann aber nach Auffassung des Senats für die Einlösung einer Abgabenforderung durch einen nicht haftenden Dritten (zur Verpflichtung der Abgabenbehörde, Zahlungen eines Dritten aufgrund der gesetzlich beschriebenen Aufgaben der Abgabenverwaltung anzunehmen vgl Stoll , Steuerschuldverhältnis 205; anders jedoch ders in BAO [1994] 2230) gelten: Nimmt die Abgabenbehörde, die bereits über einen vollstreckbaren Titel gegen den Schuldner verfügt wie hier und anders als im Anlassfall der Entscheidung VwGH 91/13/0046 die Zahlung des Dritten an, der ein ausdrückliches Einlösungsbegehren stellt (vgl dazu Reischauer in Rummel ABGB 3 § 1422 Rz 6 f), wäre es systemwidrig, die von der Abgabenbehörde zugestandene Abgabentilgung nicht in unmittelbarer oder sinngemäßer Anwendung des § 1422 ABGB mit der Rechtswirkung eines Forderungsübergangs zu verknüpfen. Würde man den die Forderung einlösenden Dritten (bloß) auf einen Anspruch nach § 1042 ABGB verweisen, müsste dieser hinnehmen, dass Sicherungsmittel nicht auf ihn übergehen. Vor allem aber könnte der Dritte von dem bereits bestehenden Exekutionstitel gegen den Schuldner keinen Gebrauch machen.

d) Der Senat gelangt daher zusammengefasst zum Ergebnis, dass die Einlösung einer Abgabenforderung durch einen Dritten, für die dieser nicht persönlich oder mit bestimmten Vermögenswerten haftet, jedenfalls dann zu einem Forderungsübergang auf den Dritten führt, wenn er der Abgabenbehörde gegenüber ein entsprechendes Einlösungsbegehren erhoben hat und wenn für die zugrunde liegende Abgabenforderung bereits ein vollstreckbarer Exekutionstitel vorliegt. Der Dritte kann daher bei Nachweis des Forderungsübergangs iSd § 9 EO Exekution aufgrund des Titels führen (ebenso 1 Ob 262/04t; ferner Ortner , ÖJZ 1966, 197 [200]; Stoll , Steuerschuldverhältnis 199 FN 582).

4.5 An dieser Beurteilung kann auch der Umstand, dass der Exekutionstitel ein Rückstandsausweis ist, nichts ändern.

a) Der Rückstandsausweis, der gemäß § 229 letzter Satz BAO ein Exekutionstitel sowohl für das finanzbehördliche als auch das gerichtliche (§ 1 Z 13 EO) Vollstreckungsverfahren ist, ist kein Bescheid, sondern ein „Auszug aus den Rechnungsbehelfen“, mit dem die Behörde eine sich bereits aus dem Gesetz oder aus früher erlassenen Bescheiden ergebende „Zahlungsverbindlichkeit“ bekannt gibt ( Althuber/Tanzer/Unger , BAO HB § 229 [2016] 668 f; 10 ObS 164/06z SZ 2006/167 = RIS Justiz RS0053380 [T3]; VwGH 2014/08/0013 VwSlg 17.661 A/2009 uva).

b) Die Möglichkeit, Einwendungen gegen den Anspruch bzw Einwendungen gegen die Durchführung der Vollstreckung iSd §§ 12 und 13 AbgEO bei der Behörde geltend zu machen (RIS Justiz RS0000193) und damit verbunden den Antrag auf Aufschiebung des Exekutionsverfahrens zu stellen, bleibt dem Verpflichteten des gerichtlichen Exekutionsverfahrens auch dann gewahrt, wenn das Vollstreckungsverfahren aufgrund eines Rückstandsausweises betrieben wird (3 Ob 255/01y; RIS Justiz RS0000193 [T2]). Der Zessionar hat eine zur Einstellung der gerichtlichen Exekution führende Entscheidung der zuständigen Behörde nach §§ 12 oder 13 AbgEO zu akzeptieren. Ein Rechtsschutzdefizit für den Schuldner ist daher nicht erkennbar.

c) Bestreitet hingegen der Schuldner die Rechtsnachfolge iSd § 9 EO, ist auch bei verwaltungsbehördlichen Titeln generell der Rechtsweg zulässig (RIS Justiz RS0000193; Liebeg , Abgabenexekutionsordnung [2001] § 13 Rz 20).

d) Dem Einwand der Revision, der Schuldner könne bei Zulassung einer Exekutionsführung durch den Zessionar dadurch ein Rechtsschutzdefizit erleiden, dass er nicht mehr in der Lage sei, seine ihm aus dem Verhältnis zum Zessionar zustehenden zivilrechtlichen Gegenforderungen als Oppositionsgrund geltend zu machen, kommt keine Berechtigung zu:

Hat der Schuldner als Verpflichteter des Exekutionsverfahrens eine Gegenforderung gegen den Betreibenden als Zessionar, spricht nichts dagegen, ihm eine Klagemöglichkeit nach § 35 EO zu gewähren: In diesem Fall richtet sich die Klage gerade nicht gegen den Bestand des dem Exekutionstitel zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Abgabenanspruchs. Der anspruchsvernichtende Umstand betrifft vielmehr ausschließlich die rein privatrechtlich zu beurteilende Frage, ob dem Verpflichteten eine Gegenforderung gegen den Zessionar zusteht. Die gerichtliche Entscheidung im Verfahren nach § 35 EO führt also in diesem Fall nicht zu einem Eingriff in die verwaltungsbehördliche Entscheidung.

5. Nicht mehr strittig ist im Revisionsverfahren, dass die Klägerin für eine Exekutionsführung auch im Besitz des vollstreckbaren Rückstandsausweises sein muss und dass einer Ausfolgung des im Insolvenzverfahren von der Beklagten ohnedies vorgelegten Rückstandsausweises keiner Geheimhaltungspflicht widerspricht. Auch dieser Teil des Begehrens ist daher berechtigt.

Warum der Umstand, dass die Klägerin ihren Sitz im Ausland hat, gegen eine Exekutionsführung aufgrund eines inländischen Exekutionstitels gegen die im Inland ansässige Titelschuldnerin sprechen könnte, zeigt die Revision nicht auf.

6. Der Revision ist daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.