JudikaturJustiz3Ob193/55

3Ob193/55 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. April 1955

Kopf

SZ 28/101

Spruch

Vergleich über die Unterlassung eines Patentvorbenützungsrechtes und den Verzicht auf Einspruch gegen die Patentanmeldung. Entscheidung vom 20. April 1955, 3 Ob 193/55.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die klagende Partei erzeugte auf Grund eines mit dem Beklagten geschlossenen Lizenzvertrages eine Profilgummisohle. Am 13. Dezember 1949 meldete der Beklagte eine Profilgummisohle zum Patent an und schloß im Jahre 1950 einen Lizenzvertrag mit den S.-Werken, nachdem er ohne Einhaltung - einer Kündigungsfrist das Vertragsverhältnis zur klagenden Partei gelöst hatte. Da die Klägerin die Einbringung eines Einspruches gegen die Patentanmeldung wegen der ihr zustehenden Vorbenützungsrechte beabsichtigte, kam es zu Verhandlungen zwischen den Streitteilen und am 12. Februar 1952, drei Tage vor Ablauf der Einspruchsfrist, zu einer Vereinbarung, in der sich der Beklagte verpflichtete, der Klägerin für die Abstandnahme von der Geltendmachung der Vorbenützungsrechte und den Verzicht auf einen Einspruch den Betrag von 90.000 S in Monatsraten zu bezahlen. In dem Vertrag verzichtete die Klägerin außerdem auf Schadenersatz wegen vorzeitiger Auflösung des Vertrages und nahm zur Kenntnis, daß die Patentrechte an die S.-Werke in Alleinlizenz vergeben wurden. Es wurde außerdem vereinbart, daß der Beklagte von der Leistung des Betrages befreit sein sollte, wenn von dritter Seite gegen die Patenterteilung Einspruch erhoben würde und es infolge des Einspruchs oder aus anderen Gründen nicht zur Erteilung des Patents kommen sollte.

Die Klägerin begehrte mit der vorliegenden Klage die Zahlung der vereinbarten 90.000 S. Der Beklagte wendete ein, daß die patentierte Gummisohle nicht mit der von der Klägerin erzeugten identisch sei. Letztere sei nur ein Vorläufer seiner patentierten Sohle gewesen. Beim Abschluß der Vereinbarung sei man von der Ansicht ausgegangen, daß es sich um die gleiche Sohle handle. Das Patentamt habe festgestellt, daß der Gegenstand der Patentanmeldung nicht vorbenützt und nicht vorveröffentlicht worden sei; es hätte daher der Klägerin kein Einspruchsrecht zugestanden, so daß jeder Grund zu einer Zahlung fehle. Die Zahlungspflicht des Beklagten sei aber auch deshalb erloschen, weil seitens der Firma B. Einspruch erhoben worden sei und außerdem noch eine Nichtigkeitsklage drohe. Die Vereinbarung sei auch nur durch Zwang zustandegekommen und nach § 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB. anfechtbar.

Das Erstgericht stellte fest, daß mit dem Einspruch der Klägerin auf jeden Fall gerechnet werden mußte, der Einspruch bereits schriftlich vorbereitet war und die Überreichung nur wegen des Abschlusses der Vereinbarung vom 12. Februar 1952 unterblieben sei. Es sei auch schon bei Vertragsabschluß mit weiteren Einsprüchen gerechnet worden. Für die Höhe des Betrages sei maßgebend gewesen, daß die Klägerin zirka 45.000 S zur Herstellung der Preßformen für die Sohlenerzeugung ausgegeben hatte. Der Einspruch der Firma B. sei zurückgezogen worden. Das Patentamt habe keine Feststellung über eine Vorbenützung getroffen, dagegen eine Einschränkung des Patentumfanges mit Rücksicht auf eine vom Beklagten selbst stammende Veröffentlichung seines Profilsohlenmusters in der Alpenvereinszeitschrift "Berge und Heimat" verfügt. Das Erstgericht stellte fest, daß das Patent erteilt worden und das Patentverfahren beendet sei sowie daß die S.-Werke das Patentrecht auf Grund des mit dem Beklagten geschlossenen Lizenzvertrages verwerten. Durch einen Vergleich der Patentanmeldung mit der Patentschrift ergebe sich, daß in der Beschreibung des Patentanspruches nicht sämtliche Merkmale, der Gummisohle angeführt wurden und die Bezeichnung der Greiferwinkel eine andere sei, da nur die Winkel, die die Mittellinien der Greiferpaare bilden, und nicht die Winkel der einzelnen Greifer der Sohle angeführt sind. Dieser Vergleich zeige die augenfällige Übereinstimmung sowohl in der Zahl und Form wie auch in der Winkelstellung der Greifer. Es sei daher unerfindlich, worauf sich die Einwendung stütze, daß die Patentsohle nicht mit der von der Klägerin erzeugten Sohle ident sei. Auch die Behauptung, daß anläßlich des Einspruchs der Firma B. vom Patentamt festgestellt worden sei, daß die Sohle nicht vorbenützt und vorveröffentlicht worden sei, sei durch die Aussage des eigenen Patentanwalts des Beklagten widerlegt worden. Die Klägerin habe ein Einspruchsrecht besessen, das beste Aussicht aus Erfolg gehabt habe. Die Bedrohung durch eine Nichtigkeitsklage sei nicht erwiesen worden und auch ohne Bedeutung, solange sie nicht zur Nichtigerklärung des Patents geführt hätte. Für ebenso unstichhältig wurde die Einwendung erkannt, daß der Patentanspruch im vollen Umfang der Vorbenützung vernichtet worden sei, so daß die Befreiung von der Zahlungspflicht nach Punkt X des Vertrages eingetreten sei. Für die Vereinbarung vom 12. Februar 1952 sei bloß die Patentanmeldung des Beklagten und das der Klägerin zustehende Einspruchsrecht maßgebend gewesen sowie die Tatsache, daß das Patent wirklich erteilt worden sei. Bezüglich des behaupteten Zwanges mangle es an konkreten Angaben. Die Feststellung eines auffallenden Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sei praktisch unmöglich. Es müsse in dem Verzicht auf den Einspruch und die Schadenersatzansprüche wegen vorzeitiger Vertragsauflösung eine entsprechende Gegenleistung erblickt werden. Das Abkommen sei deshalb auch nicht sittenwidrig gewesen, so daß dem Klagebegehren stattgegeben wurde.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Bei Abschluß des Übereinkommens seien sich die Aufgabe strittiger und zweifelhafter Rechte durch die Klägerin und die Übernahme einer Zahlungsverpflichtung durch den Beklagten gegenübergestanden. Das Übereinkommen stelle sich als ein Vergleich dar. Da ein solcher Vergleich wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes nicht angefochten werden könne, sei es ohne Bedeutung, wie groß die tatsächlichen Investitionen der Klägerin für die Erzeugung und den Vertrieb der Sohle gewesen sind und ob der Einspruch der Klägerin von Erfolg gewesen wäre oder nicht. Es sei daher auch die Klärung weiterer Einzelheiten des Patentverfahrens entbehrlich gewesen, ebenso die Vernehmung eines Sachverständigen und die Parteienvernehmung, nachdem die Parteienvertreter ohnehin vernommen worden waren und der Beklagte selbst beim Vergleichsabschluß nicht anwesend war. Für eine Zwangslage des Beklagten ergebe sich ebensowenig ein Anhaltspunkt wie für die behauptete Sittenwidrigkeit.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsrüge wird vom Revisionswerber dahin ausgeführt, daß er zunächst die Meinung des Berufungsgerichtes bekämpft, es handle sich bei der Vereinbarung vom 12. Februar 1952 um einen Vergleich. Nach Ansicht des Revisionswerbers liege ein Innominatvertrag mit wechselseitigen Pflichten vor. Wenn man aber einen Vergleich annehme, so sei er wegen Irrtums anfechtbar, weil der Irrtum die Wesenheit des Gegenstandes betreffe. Die Streitteile seien davon ausgegangen, daß dem Beklagten das Patent im vollen Umfang der Anmeldung erteilt würde, wenn die Klägerin keinen Einspruch erhebe. Mit weiteren Einsprüchen sei nicht gerechnet worden. Es sei nicht vorauszusehen gewesen, daß das Patent nur in jenem Umfang erteilt würde, in welchem weder eine Vorbenützung noch eine Vorveröffentlichung gegeben gewesen sei.

Den Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Nach den getroffenen Feststellungen kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Vereinbarung als Vergleich anzusehen ist. Die Parteien haben sowohl über die Vertragsverletzung des Beklagten als auch über die Absicht der Klägerin, Einspruch gegen die Patentanmeldung zu erheben, verhandelt und waren kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist zu einer Einigung gelangt, in der die Klägerin ausdrücklich auf das Einspruchsrecht und auf Schadenersatz Verzicht leistete, wogegen sich der Beklagte mit Rücksicht auf die gewinnbringende Durchführung seines neuen Lizenzvertrages mit den S.-Werken zu einer Barleistung bewogen fühlte. Mit dem Vertrag wurden daher strittige Rechte dergestalt bestimmt, daß jeder Teil wechselseitig etwas zu geben, zu tun und zu unterlassen versprach. Ein solcher Vertrag ist kein Innominatkontrakt, sondern ein Vergleich nach § 1380 ABGB. Eine Anfechtung wegen Irrtums hatte der Beklagte in erster Instanz nicht vorgenommen. Sie könnte auch nur erfolgen, wenn der Irrtum die Wesenheit der Person oder des Gegenstandes betraf oder wenn er sich in einem Punkte zeigte, den beide Parteien als gewiß vorausgesetzt haben. Der vom Revisionswerber behauptete Irrtum fällt in keine der beiden Gruppen. Er betrifft nicht - wie der Revisionswerber meint - die Wesenheit des Gegenstandes. Gegenstand, des Vergleichs war die Patentanmeldung des Beklagten vom 13. Dezember 1949, wie dies im Punkt I des Vertrages ausdrücklich festgehalten ist. Nach den getroffenen Feststellungen ist dieses Patent erteilt worden. Eine zweite Patentanmeldung erfolgte nicht. Es ist daher unerfindlich, wieso die Parteien oder der Beklagte allein über die Wesenheit des Vertragsgegenstandes im Irrtum gewesen sein sollten. Wenn der Revisionswerber den Irrtum darin erblickt, daß nicht vorausgesehen werden konnte, daß eine Einschränkung des Patents erfolgen würde, und zwar derart, daß das vorbenützte Profil überhaupt nicht in Patentschutz genommen wurde, so übersieht er, daß es sich dabei um Vorgänge handelt, die nach Abschluß des Vergleiches liegen. Von einem Irrtum kann aber nur gesprochen werden, wenn die Parteien sich über Tatsachen täuschen, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits vorhanden waren. Wenn der Beklagte in den Unterinstanzen - weitergehend als in der Revision - ausgeführt hatte, daß die Parteien angenommen hätten, daß die von der Klägerin vorbenützte Profilart mit der zum Patent angemeldeten identisch sei, so kommt auch diesem Einwand keine Berechtigung zu, weil jedenfalls die Tatsache feststand, daß der Einspruch der Klägerin gegen die namentlich bezeichnete Patentanmeldung gerichtet war, und es in diesem Zeitpunkt durchaus zweifelhaft war, welchen Erfolg ein solcher Einspruch haben würde. Die Frage, in welchen Einzelheiten eine Vorbenützung angenommen werden müsse, war gerade die strittige Frage. Sie blieb es sogar nachträglich noch während der Dauer dieses Rechtsstreits, weil die Klägerin auch heute noch behauptet, daß ihr Einspruch zu einer Verweigerung der Patenterteilung geführt hätte. Darüber Feststellungen zu treffen, Verbot sich mit Rücksicht auf den getroffenen Vergleich. Eine Anfechtung des Vergleiches nach § 1385 ABGB. hätte daher erfolglos bleiben müssen. Für eine Anfechtung wegen eines gemeinsamen Irrtums fehlte es schon an den hiezu notwendigen Behauptungen durch den Beklagten. Schon die Untergerichte verwiesen auf die Tatsache, daß gerade dem Beklagten als Fachmann ein solcher Irrtum viel weniger als der Klägerin hätte unterlaufen können.

Es muß aber auch der Auslegung des Vertrages durch die Untergerichte gefolgt werden. Eine Überprüfung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung kann dabei nur so weit erfolgen, als damit nicht den auf Grund der übrigen Beweisergebnisse getroffenen Feststellungen widersprochen wird. Der Revisionswerber meint, daß es nicht richtig sei, den Punkt X dahin auszulegen, daß nur eine gänzliche Versagung des Patents seine Leistungspflicht zum Erlöschen bringen konnte. Die Leistung sollte nur in dem Falle erbracht werden, daß die Patenterteilung im vollen Umfang der Anmeldung erreicht würde. Der Sinn und Zweck der Vereinbarung wäre gewesen, zu erreichen, daß dem Patentamt die patentschädlichen Tatsachen nicht bekannt wurden. Dieser Zweck sei aber deshalb nicht erreicht worden, weil der Einspruch durch die Firma B. erfolgte. Dazu wurde aber festgestellt, daß schon zur Zeit des Vertragsabschlusses mit weiteren Einsprüchen ernstlich gerechnet worden war, worauf übrigens auch die Fassung des Punktes X hindeutet, und daß dem Beklagten jedenfalls die eigene Vorveröffentlichung in diesem Zeitpunkte bekannt war. Es mußte daher mit einer gewissen Einschränkung des Patents gerechnet werden. Punkt X spricht nur allgemein von der Erteilung des Patents. Hätte der Beklagte die Erteilung des Patents genau nach der Anmeldung ohne jede Einschränkung im Auge gehabt, so hätte er dies im Vertragstext zum Ausdruck bringen müssen. Wenn dies nicht geschehen ist, muß angenommen werden, daß die Erteilung des Patents in einem solchen Umfange in der Vertragsabsicht gelegen war, daß die wirtschaftliche Auswertung des Patents in dem vorgesehenen Umfang möglich blieb, denn dann ist der Zweck der Patentanmeldung erreicht. Dieser Zweck war die Aufrechterhaltung des Lizenzvertrages mit den S.-Werken, die die Patentierung verlangt hatten. Der Lizenzvertrag ist nach den Feststellungen auf der Grundlage des erteilten Patents tatsächlich zustandegekommen, so daß der Beklagte sein Ziel, das er auch mit dem Abschluß des Vergleichs mit der Klägerin verfolgte, erreicht hat. Er hätte daher eine einschränkende Auslegung des Punktes X und damit eine Befreiung von der Zahlungspflicht nur durch den Beweis erreichen können, daß durch die geänderte Patenterteilung die Geschäftsgrundlage verschoben worden war, auf der sich der Vergleich aufbaute. Der Beklagte hat aber Behauptungen in dieser Richtung nicht aufgestellt, vielmehr sogar die in dieser Richtung gehenden Behauptungen der Klägerin, daß er aus dem Lizenzvertrag mit den S.- Werken einen Millionengewinn erzielte, geflissentlich übergangen. Es hat daher bei der wortgetreuen und auch dem wirtschaftlichen Sinn der Vereinbarung entsprechenden Auslegung des Punktes X zu bleiben, wonach eine Leistungsbefreiung nicht einzutreten hat, wenn das Patent erteilt worden ist, mag auch die Patenterteilung nur unter gewissen Einschränkungen erfolgt sein, die das Wesen des Patents aber nicht berühren. Wenn der Revisionswerber aber mit seiner Einwendung sagen wollte, daß das erteilte Patent gegenüber der erfolgten Anmeldung nicht mehr als Einschränkung angesehen werden könnte, sondern als Ganzes betrachtet wesensverschieden vom ursprünglichen Patentanspruch sei, so erweist sich die Einwendung bei einem Vergleich des in der Patentanmeldung erhobenen Patentanspruchs mit der Patentschrift als durchaus unstichhältig. Ein solcher Vergleich ergibt, daß die Mittellinien je zweier einander gegenüberliegender Greifer an den Seitenflanken vor dem Gelenk nach vorne offene stumpfe Winkel bilden, die nach der Patentanmeldung im Bereich von 90 bis 125 Grad liegen, während sie in der Patentschrift auf den Bereich von 110 bis 120 Grad eingeschränkt sind. Die weitere Kennzeichnung der hinter dem Gelenk liegenden Greifer wurde in die Patentschrift nicht mehr aufgenommen Anspruch 2.) in der Patentanmeldung). Dagegen wurde dem Patentanspruch 3.) (Verjüngung der Greifer gegen den Sohlenrand zu) und 4.) (paarweise Zusammenfassung der Greifer) im wesentlichen in der Patentschrift Rechnung getragen, wobei sie auch nicht in den kennzeichnenden Teil aufgenommen wurden. Der Anspruch 5.) (Höhe der Greifer) wurde in die Patentschrift nicht aufgenommen. Es ergibt sich daher aus dem Vergleich, daß die Patenterteilung dem angemeldeten Patentanspruch gemäß erfolgte und diesem gegenüber bloß eine Einschränkung darstellt, die an der Identität des zum Patent erhobenen Patentanspruches keinen Zweifel läßt. Das Wesentliche des kennzeichnenden Teils, nämlich die Verwendung stumpfer Winkel, blieb unverändert, wenn auch die Winkel auf 110 Grad bis 120 Grad eingeschränkt wurden. Der Umfang des Patents ist daher wohl gegenüber der ursprünglichen Anmeldung stark eingeschränkt worden; das Wesentliche an der Erfindung ist aber doch patentiert worden.