JudikaturJustiz3Ob176/14z

3Ob176/14z – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Mag. G*****, vertreten durch Dr. Roswitha Ortner, Rechtsanwältin in Villach, gegen die verpflichtete Partei E*****, vertreten durch Mag. Dr. Klaus J. Karner, Rechtsanwalt in Villach, wegen 17.315,84 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 25. Juni 2014, GZ 3 R 94/14g 11, womit infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Hermagor vom 8. Mai 2014, GZ 2 E 260/14h 5, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird dahin Folge gegeben, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der betreibenden Partei werden für ihren Revisionsrekurs 2.411,04 EUR (darin 174,84 EUR Umsatzsteuer und 1.362 EUR Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 2. April 2014 bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei gegen die verpflichtete Partei im vereinfachten Bewilligungsverfahren die Forderungs und Fahrnisexekution zur Hereinbringung von Unterhaltsbeträgen.

Der bewilligte Antrag der betreibenden Partei hat ua folgenden Inhalt:

Titelart: Vergleich

Dienststelle: Hermagor, BG

vom: 18. 10. 2005

Vollstreckbarkeitsdatum: 16. 12. 2005

Kapitalforderung: 4.328,96 EUR

Aktenzeichen: 750 1 C 562/05 v

Laufender Unterhalt ab: 5. 4. 2014

Zahlungstag im Monat: 5

Betrag: 1.082,24 EUR

Hinweis: Hinsichtlich der Fahrnisexekution wird nur der rückständige Unterhalt begehrt!

Rückständiger Unterhalt 12/13 3/14:

1.082,24 EUR x 4 = 4.328,96 EUR

Jahresleistung:

12 x 1.082,24 EUR = 12.986,88 EUR

Der Verpflichtete bezahlt die monatlichen Betriebskosten der betreibenden Partei im Betrage von 267,76 EUR. Diese Summe ist von dem Unterhaltsbetrag von 1.350 EUR in Abzug zu bringen, dies ergibt einen restlichen Unterhalt von monatlich 1.082,24 EUR.

In seinem Einspruch gegen die Exekutionsbewilligung machte der Verpflichtete geltend, die Angaben in der Exekutionsbewilligung (= Exekutionsantrag) stimmten nicht mit dem Exekutionstitel überein.

Über Auftrag des Erstgerichts legte die betreibende Partei den Exekutionstitel einen gerichtlichen Vergleich vom 18. Oktober 2005 vor, in dem der Verpflichtete als „Kläger“ und die betreibende Partei als „Beklagte“ bezeichnet sind. Der erste Absatz des Punktes 2) („Ehegattenunterhalt“) lautet:

„Der Kläger verpflichtet sich, der Beklagten beginnend ab dem auf die rechtskräftige Scheidung ihrer Ehe folgenden Kalendermonat einen monatlichen Unterhaltsbetrag von derzeit EUR 1.350,-- zu leisten. Der genannte Betrag ist bis zum Fünften eines jeden Monats im Vorhinein abzugsfrei an die Berechtigte auszuzahlen. Der Unterhaltsbeitrag ist unter Zugrundelegung des Verbraucherpreisindex 2000 oder des an dessen Stelle tretenden amtlichen Nachfolgeindex wertgesichert zu entrichten. Der Unterhaltsbeitrag ändert sich ab dem Monat August eines jeden Jahres um den Prozentsatz, um den sich zwischen dem Monat Dezember des vorvergangenen Jahres und dem Monat des vorangegangenen Jahres eine Geldwertänderung ergeben hat. Im Fall eines Zahlungsverzuges haben die gesetzlichen Verzugsfolgen einzutreten.“

Das Erstgericht wies den Einspruch des Verpflichteten ab. Die Exekutionstitel seien vollstreckbar und würden die bewilligte Exekution decken. Die Angaben im Exekutionsantrag würden mit denen in den Exekutionstiteln übereinstimmen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Verpflichteten dahin Folge, dass es die mit Beschluss „vom 8. Mai 2014“ (richtig: „vom 2. April 2014“) bewilligte Exekution unter gleichzeitiger Aufhebung aller schon vollzogenen Exekutionsakte einstellte. Die Rechtsfolge der Einstellung der Exekution nach § 54e EO trete auch im vorliegenden Fall ein, weil die im Exekutionstitel enthaltene Wertsicherungsklausel, die für die Berechnung des nach dem Titel geschuldeten Unterhalts nicht unwesentlich sei, in den Exekutionsantrag nicht aufgenommen worden sei. Insofern würden also Titel und Exekutionsantrag nicht übereinstimmen.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur erheblichen Rechtsfrage fehle, ob im vereinfachten Bewilligungsverfahren nach § 54b EO die Unterlassung der Anführung einer im Titel enthaltenen Wertsicherungsklausel im Exekutionsantrag die Einstellung der Exekution nach § 54 Abs 1 Z 2 EO zur Folge habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei mit dem (erkennbaren) Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht den Zweck des § 8 Abs 2 EO in nicht vertretbarer Weise verkannt hat; er ist auch im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts berechtigt.

In ihrem Rechtsmittel bringt die betreibende Partei vor, sie habe nur auf den ursprünglich vereinbarten Betrag von 1.350 EUR Exekution geführt, nicht hingegen auf einen allfälligen wertsicherungsbedingten Erhöhungsbetrag, weshalb es nicht erforderlich gewesen sei, die Wertsicherungsklausel im Exekutionsantrag anzuführen. § 54e EO bezwecke den Schutz des Schuldners. Werde auf einen niedrigeren als den sich aus einer Wertsicherung ergebenden Betrag Exekution geführt, fehle es an einem schützenswerten Interesse des Schuldners.

Dazu wurde erwogen:

1. Das mit der EO-Novelle 1995 geschaffene vereinfachte Bewilligungsverfahren machte um die Einbringung des Exekutionsantrags im Elektronischen Rechtsverkehr und dessen elektronische Bearbeitung zu ermöglichen die Vorlage des Exekutionstitels samt Bestätigung seiner Vollstreckbarkeit mit dem Exekutionsantrag entbehrlich. Der dadurch bewirkte Mangel der amtswegigen Überprüfbarkeit der Berechtigung des Exekutionsbegehrens anhand des Titels wurde durch eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz des Verpflichteten vor ungerechtfertigten Exekutionen ersetzt, darunter die Möglichkeit des Verpflichteten, gemäß § 54c EO gegen die Exekutionsbewilligung Einspruch zu erheben ( Jakusch in Angst 2 § 54b Rz 1).

1.1. Liegen die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Bewilligungsverfahren nach § 54b Abs 1 EO vor, muss der Exekutionsantrag zufolge § 54b Abs 2 Z 1 EO neben dem von § 54 Abs 1 EO geforderten Inhalt auch die Angaben des § 7 Abs 1 EO enthalten, also jene Angaben, die der Exekutionstitel zur Bezeichnung der Personen des Berechtigten und des Verpflichteten sowie zur Umschreibung der geschuldeten Leistung aufweist. Jakusch (in Angst 2 § 54b Rz 12) zählt dazu auch eine im Exekutionstitel allenfalls enthaltene Nebenbestimmung zur geschuldeten Leistung, wie eine Bedingung oder Befristung (§ 7 Abs 2 EO), eine mit dem Leistungsanspruch etwa verbundene Verpflichtung zu einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung (§ 8 Abs 1 EO) oder „eine Wertsicherungsklausel“ (§ 8 Abs 2 EO) oder ein Wahlrecht (§ 12 EO).

1.2. In Bezug auf § 8 Abs 2 EO ist zu bedenken, dass diese Bestimmung eine „Aufwertung“ (und nicht eine Abwertung, wie im Rekurs ausgeführt wird) im Auge hat: Sie ermöglicht als Ausnahme von dem in § 7 Abs 1 EO begründeten Erfordernis der bestimmten Bezeichnung der geschuldeten Geldleistung die Hereinbringung eines zusätzlichen Betrages, der infolge Aufwertung aus einer Wertsicherungsklausel geschuldet wird (siehe § 54 Abs 1 Z 2 lit d EO; vgl Klicka/Meinhart in Burgstaller/Deixler-Hübner § 8 Rz 22). Es geht um den betriebenen „Anspruch, der sich auf Grund einer Wertsicherungsklausel ergibt“.

1.3. Zweck der geforderten genauen Aufnahme der Daten des Exekutionstitels in den Exekutionsantrag ist es, einerseits dem Gericht die Prüfung des Exekutionsantrags an Hand dieses behaupteten Inhalts des Exekutionstitels zu ermöglichen. Andererseits soll dadurch der Verpflichtete in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob der angeführte Exekutionstitel überhaupt existiert, um gegebenenfalls Einspruch erheben zu können. Insofern wird die Nichtprüfung der Existenz des Exekutionstitels samt Vollstreckbarkeitsbestätigung seitens des Gerichts durch die Prüfung des Verpflichteten ersetzt ( Kloiber in Burgstaller/Deixler Hübner § 54b Rz 18).

Auch die Verpflichtung zur Anführung der Angaben nach § 7 Abs 1 EO zur Bezeichnung der Personen des Berechtigten und des Verpflichteten sowie zur Umschreibung der geschuldeten Leistung dient dazu, dem Schuldner die Überprüfung des Vorliegens und des Inhalts des Titels zu ermöglichen ( Kloiber in Burgstaller/Deixler Hübner § 54b Rz 19).

1.4. Weicht der Exekutionsantrag vom Titel ab, etwa weil ein geringerer Betrag als im Exekutionstitel zugesprochen betrieben wird, so muss dies im Exekutionsantrag ausdrücklich aufgezeigt werden ( Jakusch in Angst 2 § 54b Rz 12b; Kloiber in Burgstaller/Deixler Hübner § 54b Rz 19). Wird nicht der gesamte im Exekutionstitel zugesprochene Betrag betrieben und die Abweichung nicht aufgezeigt, liegt ein Einspruchsgrund vor ( Kloiber in Burgstaller/Deixler Hübner § 54c Rz 13).

2. Der titelmäßig geschuldete monatliche Unterhaltsbeitrag beträgt im vorliegenden Fall 1.350 EUR. Dieser Betrag ist wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex 2000 vereinbart.

2.1. Die betreibende Partei hat diesen titelmäßig geschuldeten monatlichen Unterhalt von 1.350 EUR sowie den von ihr geforderten monatlichen Unterhalt von 1.082,24 EUR angegeben und die monatsbezogene Differenz von 267,76 EUR damit erklärt, dass der Verpflichtete die monatlichen Betriebskosten der betreibenden Partei in dieser Höhe bezahlt. Diese Berechnung ist einfach nachvollziehbar.

2.2. Das Rekursgericht hat die Einstellung der Exekution (§ 54e EO) damit begründet, dass von der betreibenden Partei die im Titel enthaltene Wertsicherungsklausel verschwiegen worden sei, wodurch die Abweichung zwischen Titelforderung und betriebener Forderung nicht mehr eindeutig nachzuvollziehen sei. Ausgehend davon, dass die betreibende Partei eindeutig keinen Wertsicherungsbetrag gefordert hat (siehe 2.1.), fordert also das Rekursgericht eine Negativbehauptung, dass von der betreibenden Partei kein höherer Betrag als der titelmäßig geschuldete Betrag begehrt wird.

2.3. Diese Anforderung steht weder mit dem Zweck des § 8 Abs 2 EO noch mit dem Konzept des § 54b EO in Einklang. Aufgrund der im Exekutionsantrag enthaltenen Beträge ist für den Schuldner ohne irgendeinen Zweifel nachprüfbar, wie die betriebene Forderung im Verhältnis zum Titel steht und wie sie sich errechnet. Erneut ist zu betonen, dass aus dem Exekutionsantrag durch die Nennung des titelmäßigen Unterhaltsbeitrags klar und deutlich hervorgeht, dass keine Erhöhung des betriebenen Betrages durch eine Wertsicherungsklausel (siehe oben 1.2.) begehrt wird. Eine Negativbehauptung, dass kein über den titelmäßig geschuldeten Betrag hinausgehender Betrag betrieben wird, wird weder von § 54 EO noch von § 54b Abs 2 EO gefordert.

2.4. Auch wenn sich § 8 Abs 2 EO auf eine Aufwertung bezieht, soll nicht unerwähnt bleiben, dass die vom Verpflichteten im Rekurs (ON 8) ins Spiel gebrachte Deflation für den maßgeblichen Zeitraum völlig lebensfremd ist. Nach den Verlautbarungen der Statistik Austria hat die Indexzahl für den Monat August 2005, auf die im Titel Bezug genommen wird, nach dem Verbraucherpreisindex 2000 einen Wert von 110,7. Die entsprechende Indexzahl für Dezember 2013 beträgt 132,2.

3. Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist daher dahin Folge zu geben, dass die den Einspruch des Verpflichteten abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der betreibenden Partei sind die Kosten ihres Revisionsrekurses zuzusprechen.