JudikaturJustiz3Ob143/06k

3Ob143/06k – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juli 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Verein *****, vertreten durch Gugerbauer Partner Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die verpflichteten Parteien 1. E***** GmbH, 2. H***** GmbH und 3. P***** GmbH, *****, alle vertreten durch Berger, Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Exekution gemäß § 354 EO, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 29. März 2006, GZ 4 R 8/06k-8, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Graz vom 10. November 2005, GZ 12 E 7115/05g-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts - Abweisung des Antrags auf Exekutionsbewilligung - wiederhergestellt wird.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rekurses an die zweite Instanz sowie die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Die betreibende Partei hat den verpflichteten Parteien die mit 1.777,37 EUR (darin 296,23 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung sowie die mit 2.132,93 EUR (darin 355,49 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Handelsgericht Wien verpflichtete im dort anhängigen Zivilprozess AZ 34 Cg 12/04b mit Beschluss vom 10. November 2004 die beklagten Parteien gemäß § 82 ZPO zur Vorlage näher bezeichneter Urkunden. Die klagende (hier: betreibende) Partei beantragte aufgrund dieses Beschlusses die Bewilligung der Exekution gemäß § 354 EO. Das Erstgericht wies den Exekutionsantrag mit der wesentlichen Begründung ab, Beschlüsse gemäß § 82 ZPO seien unanfechtbar und keine Exekutionstitel.

Das Rekursgericht bewilligte die beantragte Exekution. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es verwies darauf, dass der Oberste Gerichtshof einen Auftrag zur Urkundenvorlage gemäß § 303 ZPO für nicht vollstreckbar halte. Es sei aber etwa eine nicht abgesondert anfechtbare einstweilige Vorkehrung im Besitzstörungsverfahren gleichfalls vollstreckbar. Allerdings sei der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 55/05g (richtig: 4 Ob 44/05g) - wenn auch obiter - ersichtlich davon ausgegangen, dass die Verletzung (Nichtbefolgung) des Auftrags nach § 82 ZPO „zumindest zunächst" (ersichtlich im Ausgangsrechtsstreit) sanktionslos bleibe. Dieser Auftrag sei jedoch als Exekutionstitel „im Wege des § 354 EO durchsetzbar". Allein aus einer Vollstreckbarkeitsbestätigung lasse sich indes - entgegen der Ansicht der betreibenden Partei - nicht auf das Vorliegen eines für eine Exekution tauglichen Titels schließen. Die Entscheidung hänge von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO ab, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage nach der Vollstreckbarkeit eines Beschlusses gemäß § 82 EO noch nicht direkt befasst habe, und die zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Zweifel über die Sanktion der Nichtbefolgung eines Vorlageauftrags offen lasse. Mit ihrem Revisionsrekurs beantragen die verpflichteten Parteien die Abänderung der zweitinstanzlichen Entscheidung dahin, dass der Exekutionsantrag abgewiesen werde.

Die betreibende Partei beantragt mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung (deren Zurückweisung durch das Erstgericht zwischenzeitig vom Rekursgericht mit dem Beschluss vom 5. Juli 2006, GZ 4 R 225/06x-18, behoben wurde), den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat sich in einem Parallelverfahren (mit derselben betreibenden Partei) mit den gestellten Rechtsfragen, ob Beschlüsse gemäß § 82 ZPO Exekutionstitel sind und ob die Urkundenvorlage mit einer Exekutionsführung nach § 354 EO erzwungen werden kann, in seinem Beschluss vom 27. Juni 2006, AZ 3 Ob 142/06p, eingehend befasst und ist nach Behandlung der im Schrifttum und der bisherigen oberstgerichtlichen Judikatur vertretenen Ansichten zum Ergebnis gelangt, dass gemäß § 82 ZPO ergangene Beschlüsse keine Exekutionstitel iSd § 1 Z 1 EO sind, weil die Nichtbefolgung der Urkundenvorlageverpflichtung schon im Zivilprozess bestimmte Rechtsfolgen nach sich ziehe (Kostennachteile; Verlust von Beweismitteln; negativer Einfluss auf die Beweiswürdigung). Auf die eingehende Begründung der zitierten Vorentscheidung kann hier verwiesen werden. Das Erstgericht hat demnach zu Recht den Exekutionsantrag abgewiesen. Seine Entscheidung ist wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten fußt auf § 78 EO iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.