JudikaturJustiz33R124/22f

33R124/22f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Tscherner und den Richter Mag. Schmoliner in der Rechtssache der klagenden Partei ***** , vertreten durch Dr. Felix Karl Vogl, Rechtsanwalt in Schruns, wider die beklagte Parteien 1. ***** , 2. ***** , 3. ***** , sämtliche vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, 4. ***** , vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in Graz, und 5. ***** , vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung (EUR 35.000) über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 25.10.2022, GZ 56 Cg 6/22h 55 (Rekursinteresse EUR 2.345,47) in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der 1., 2., 3. und 5. beklagten Partei deren mit EUR 336,14 (darin EUR 56,02 USt) sowie der 4. beklagten Partei deren mit EUR 280,54 (darin EUR 46,76 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung

Text

Der Kläger begehrte von den beklagten Versicherungsgesellschaften die Abgabe der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung, ihm den Abschluss bestimmter näher bezeichneter Krankenversicherungstarife anzubieten.

Die Beklagten wandten im Wesentlichen ein, sie seien mangels Kontrahierungszwangs nicht verpflichtet, dem Kläger die gewünschten Tarife anzubieten.

Mit in der Verhandlung vom 30.9.2022 mündlich verkündetem Urteil wies das Erstgericht das Klage- sowie die erhobenen Eventualbegehren ab und verpflichtete den Kläger dem Grunde nach zum Kostenersatz; die ziffernmäßige Bestimmung des Kostenbetrages behielt es der schriftlichen Urteilsausfertigung vor (§ 53 Abs 2 ZPO). Zuvor hatten die Parteienvertreter Kostenverzeichnisse sowohl dem Gericht als auch dem jeweiligem Gegenvertreter übergeben.

Mit dem am 14.10.2022 eingebrachten Schriftsatz (ON 52) meldete der Kläger das Rechtsmittel der Berufung gegen das mündlich verkündete Urteil an und erhob Einwendungen gegen die Kostennoten der Beklagten.

Am 24.10.2022 brachte der Kläger eine „Ergänzung der Einwendungen gegen die Kostennote der Beklagten“ (ON 54) ein, in der er sich zusätzlich zu den bereits im Schriftsatz vom 14.10.2022 erhobenen Einwendungen auch gegen die von der 1., 2., 3. und 5. Beklagten verzeichnete Honorierung [einer] der Verhandlung [...] wendet.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht diese ergänzenden Einwendungen als verspätet zurück.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers aus den Rekursgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben.

Die Beklagten beantragten, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Die 1., 2., 3. und 5. Beklagte wandten überdies die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ein.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zur Zulässigkeit:

Zutreffend weisen die genannten Beklagten darauf hin, dass sich das Rekursinteresse im vorliegenden Fall nicht nach dem Streitwert in der Hauptsache richtet. Nach § 11 Abs 1 RATG dient bei Verfahren über Anträge auf Kostenbestimmungen der Kostenbetrag, dessen Zuspruch beantragt wird, als Bemessungsgrundlage. Im Kostenrekursverfahren ist Bemessungsgrundlage jener Betrag, dessen Zuspruch oder Aberkennung im Kostenrekurs beantragt wird. Betrachtet man die Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis nach § 54 Abs 1a ZPO als „vorgezogenen Kostenrekurs“ (vgl M. Bydlinksi in Fasching/Konecny 3 § 54 ZPO Rz 27), so kann für diese nichts anderes gelten. Dementsprechend hat das OLG Innsbruck zu 1 R 211/09b als Kostenbemessungsgrundlage jenen Betrag herangezogen, dessen Aberkennung bzw Nichtzuspruch in den Einwendungen beantragt wird. Da der Kläger mit seinen ergänzenden Einwendungen nur den Nichtzuspruch eines Betrages von EUR 2.345,47 brutto anstrebt, bildet auch nur dieser Betrag die Bemessungsgrundlage.

Nach § 517 Abs 1 ZPO kann bei einem EUR 2.700 nicht übersteigenden Betrag nur gegen die ausdrücklich in dieser Bestimmung genannten Beschlüsse erster Instanz Rekurs ergriffen werden. Darunter finden sich Entscheidungen über die Prozesskosten (Z 5 der zitierten Bestimmung). Entscheidungen über Prozesskosten sind solche, mit denen in irgendeiner Form dem Grunde oder der Höhe nach über die Kostenersatzpflicht erkannt wurde. Der Rechtsmittelausschluss nach § 517 ZPO greift nur dann ein, wenn gewiss ist, dass die angefochtene Entscheidung keine solche über Prozesskosten ist ( Sloboda in Fasching/Konecny 3 § 517 Rz 24). Eine Entscheidung über Kosten ist eine solche, die nur für die Kostenfrage von Belang ist (RS0044153), wie zum Beispiel die Zurückweisung eines Kostenrekurses (2 Ob 142/99t) oder einer Kostenrekursbeantwortung (6 Ob 21/15k) oder wenn Gegenstand eines Wiedereinsetzungsantrags einzig und allein die versäumte Vorlage des Kostenverzeichnisses ist (4 Ob 87/81). Die Einwendungen – und damit auch die Frage, ob diese zulässig sind – wirken sich ausschließlich auf die Kostenentscheidung aus. Ausgehend davon stellt sich die angefochtene Entscheidung im weiteren Sinne als eine solche über Prozesskosten dar, weshalb trotz des unter EUR 2.700 liegenden Wert des Entscheidungsgegenstands der Rekurs nach § 517 Abs 1 ZPO nicht unzulässig ist.

2. Nach § 54 Abs 1a ZPO ist das am Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz dem Gericht zu übergebende Kostenverzeichnis gleichzeitig auch dem Gegner auszuhändigen. Dieser kann dazu in einer Notfrist von 14 Tagen Stellung nehmen. Notfristen sind gesetzliche Fristen, deren Verlängerung das Gesetz ausdrücklich untersagt ( Buchegger in Fasching/Konecny II/3 3 § 128 ZPO Rz 2; Gitschthaler in Rechberger/Klicka , ZPO 5 §§ 128–129 Rz 4). Der Kläger hat von der ihm zustehenden Möglichkeit, Einwendungen gegen die Kostenverzeichnisse seiner Gegner zu erheben, fristgerecht in Form seines am 14.10.2022 eingebrachten Schriftsatzes (ON 52) Gebrauch gemacht. Die von ihm in weiterer Folge erhobenen Einwendungen vom 24.10.2022 wurden, wie er selbst zugesteht, außerhalb der Notfrist des § 54 Abs 1a ZPO eingebracht. Sie sind damit grundsätzlich verspätet.

Zuzugestehen ist dem Kläger, dass sich der Grundsatz der Einmaligkeit, der bei Rechtsmittelschriften angenommen wird (RS0041666), für die Einwendungen aus dem Gesetz nicht ableiten lässt. Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht es daher einer Partei grundsätzlich frei, auch mehrere Schriftsätze mit Einwendungen einzubringen; ein Kostenersatz dafür findet nach dem letzten Satz des § 54 Abs 1a ZPO idF BGBl 2011/108 ohnehin nicht statt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass alle Einwendungen innerhalb der 14 Tages-Frist eingebracht werden. Eine spätere „Ergänzung“ sieht das Gesetz nicht vor, denn dies würde auch zum Ergebnis führen, dass eine Partei, die innerhalb der Frist beispielsweise leere Einwendungen erhoben hat, nach Ablauf der Frist beliebige Ergänzungen vornehmen und auf diesem Weg eine Verlängerung der nicht erstreckbaren Frist erwirken könnte. Dies widerspricht jedoch der Intention des Gesetzgebers, der mit der Einführung dieser Bestimmung die Gerichte entlasten wollte (113 dB XXIV. GP 31).

Soweit der Kläger darauf hinweist, dass auch im Oppositionsprozess nach § 35 EO die Möglichkeit bestehe, Einwendungen im Zuge des Rechtsstreits zu ergänzen und zu erläutern, und sich dabei auf den Rechtssatz RS0001307 bezieht, ist ihm zu entgegnen: Diese Möglichkeit nachträglicher Ergänzungen besteht nur, soweit diese die schon vorgebrachten Tatsachen nur verdeutlichen oder präzisieren bzw richtigstellen, ergänzen oder erläutern, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist [T4]. In der Klage nicht enthaltene Einwendungen können im Laufe des Verfahrens hingegen nicht mehr erhoben werden [T2]. Der Kläger präzisiert im zurückgewiesenen Schriftsatz aber nicht die schon erstatteten Einwendungen, sondern erhebt eine völlig neue, die die Verhandlung vom 15.9.2021 betrifft. Derartige neue Einwendungen wären ihm aber auch im Oppositionsprozess nach § 35 EO verwehrt, sodass aus dem zitierten Rechtssatz für den Standpunkt des Klägers nichts zu gewinnen ist.

Das Erstgericht hat daher die Ergänzungen der Einwendungen zu Recht als verspätet zurückgewiesen, weshalb der dagegen erhobenen Rekurs nicht berechtigt ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Zwar findet nach § 54 Abs 1a letzter Satz ZPO idF BGBl I 2010/111 ein Kostenersatz für Einwendungen nicht statt. Dieser Ausschluss eines Kostenersatzes soll sich nach den Gesetzesmaterialien jedoch nicht auch auf das Rechtsmittelverfahren beziehen (981 dB XXIV. GP 82: „Die Bestimmung des § 41 Abs 3 letzter Satz GebAG geht sogar noch weiter , indem sie den Kostenersatz darüber hinaus für das gesamte Rechtsmittelverfahren ausschließt.“).

Grundsätzlich führt die amtswegige Zurückweisung eines Schriftsatzes zu einem sogenannten „unechten Zwischenstreit“. Tritt jedoch der Prozessgegner im Rechtsmittelverfahren einem gegen die Zurückweisung erhobenen Rekurs mittels Rekursbeantwortung entgegen, löst er damit im konkreten Rechtsmittelverfahren einen Zwischenstreit aus; in diesem sind dann nur die Kosten des Rechtsmittelverfahrens als Kosten eines Zwischenstreits zuzusprechen ( Obermaier, Kostenhandbuch³ Rz 1.334).

Der im Zwischenstreit unterlegene Kläger hat daher den Beklagten die Kosten ihrer Rekursbeantwortungen zu ersetzen, diese jedoch nur auf Basis einer Bemessungsgrundlage von EUR 2.345,47 (vgl Punkt 1.). Kostenrekurse und deren Beantwortungen sind nur nach TP 3A RATG zu honorieren. Dieser Grundsatz lässt sich auf sämtliche Rechtsmittel(gegen)schriften, mit denen im Ergebnis eine Kostenentscheidung bekämpft wird, übertragen (vgl OLG Wien 1 R 5/20t; 4 R 171/22d). Da sich der Rekurs wie dargelegt gegen eine Entscheidung im Kostenpunkt richtet, sind die Rekursbeantwortungen nur nach TP 3A und nicht wie verzeichnet nach TP 3B zu honorieren.

4. Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig, weil einerseits der erstinstanzliche Beschluss zur Gänze bestätigt wurde (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO) und es sich andererseits, wie bereits dargelegt, um eine Entscheidung im Kostenpunkt handelt (Z 3 leg cit).