JudikaturJustiz33R121/22i

33R121/22i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. März 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Tscherner und den fachkundigen Laienrichter Kommerzialrat Ing. Mitsch in der Rechtssache der klagenden Partei ***** gegen die beklagte Partei ***** wegen EUR 1,600.000, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13.9.2022, GZ 47 Cg 83/21i-37, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 6.596,20 (darin enthalten EUR 1.099,37 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Text

Die Beklagte wurde von der T***** GmbH mit der Durchführung an Arbeiten am Bauvorhaben eines Wohn und Geschäftshauses [...] als Generalunternehmerin beauftragt. Als Subunternehmerin beauftragte sie die P***** GmbH mit der Durchführung von Arbeiten, die wiederum die Klägerin als Subunternehmerin einsetzte. Die Klägerin erbrachte für das Bauvorhaben Bauleistungen für die P***** GmbH und erhielt dafür nur Teilzahlungen, die die Beklagte leistete. Die P***** GmbH ist insolvent.

[...]

Das Erstgericht [gab dem Klagebegehren statt].

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und im Kostenpunkt. Sie beantragte, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern, in eventu, die Kostenentscheidung neu zu fassen, in eventu, das Urteil aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

[...]

7. Zur Kostenentscheidung macht die Beklagte geltend, dass die Kosten für die Tagsatzung vom 14.6.2022 nur einfach zuzusprechen seien und dass der für die Tagsatzung vom 23.6.2022 zugesprochene Streitgenossenzuschlag zu streichen sei.

Da die Beklagte gegen das Kostenverzeichnis der Klägerin keine Einwendungen erhoben hat, war das Erstgericht befugt, das Kostenverzeichnis der Kostenentscheidung zugrunde zu legen. Der – erkennbare – Rekursvortrag der unrichtigen rechtlichen Beurteilung trifft daher nicht zu.

Die umfangreiche Judikatur zu dieser Frage befasst sich stets damit, ob das Erstgericht berechtigt ist, trotz des Fehlens von Einwendungen Korrekturen vorzunehmen. Aus dem Gesetzestext allein ergibt sich aber schon, dass das Erstgericht berechtigt ist, beim Fehlen von Einwendungen auf eine Nachprüfung zu verzichten (so auch OLG Innsbruck zu RI0000148 und OLG Wien 7 Rs 145/09h), es also nicht verpflichtet ist, die Obliegenheit der anwaltlich vertretenen Parteien an deren Stelle zu erfüllen, wenn diese ihr nicht nachkommen.

Gegenteiliges ist auch aus dem Erkenntnis des VfGH vom 3.12.2010, G 280/09, nicht abzuleiten (Abweichung von OLG Wien 7 Rs 8/11i). Der VfGH hat den Antrag, § 54 Abs 1a ZPO (noch in der Fassung vor der Einfügung von „ungeprüft“) aufzuheben, abgewiesen und ausgesprochen, dass diese Bestimmung dadurch verfassungskonform ausgelegt werden kann, dass sie das Erstgericht nicht daran hindert, offenkundige Fehler aufzugreifen. Trotz der Formulierung „... zu korrigieren hat“ (G 280/09, Punkt 2.3.) versteht das Berufungsgericht die Entscheidung des VfGH nicht so, dass das Fehlen von Einwendungen bedeutungslos wäre und die Obliegenheit der Parteien gerade für offenkundige Fehler nicht gelten würde. Wenn Obliegenheitsverletzungen von anwaltlich vertretenen Parteien nachteilige Rechtsfolgen haben, könnte daraus keine Verfassungswidrigkeit abgeleitet werden.

8. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

9. Da keine Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zu lösen waren, war die ordentliche Revision nicht zuzulassen.