JudikaturJustiz2Ob76/53

2Ob76/53 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 1953

Kopf

SZ 26/43

Spruch

Ob die Anordnung, der Erbe müsse, um die Erbschaft zu bekommen, eine bestimmte Person heiraten, unmöglich oder unerlaubt ist, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab.

Entscheidung vom 18. Feber 1953, 2 Ob 76/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Erblasser Richard B. hat in seinem Testamente vom 6. Juli 1952 unter Punkt 4 folgende Erbseinsetzung angeordnet: "Meine Tochter Trude setze ich als Erbin unter der Bedingung ein, daß sie Herrn Walter M. binnen einem Jahre nach meinem Ableben ehelicht. Sollte sie diese Bedingung nicht erfüllen wollen oder können, so kommt ihr nur der Pflichtteil zu und tritt als Erbe an ihre Stelle ihr mj. Sohn Peter, welcher derzeit in A. lebt. - Auch im Falle des Erbantrittes meiner Tochter substituiere ich ihr als Nacherben den mj. Peter und allfällige weitere zur Zeit ihres Todes am Leben befindlichen ehelichen oder unehelichen leiblichen Kinder." Auf Grund dieses Testamentes gab die erbl. Tochter Gertrude B. die bedingte Erbserklärung zum ganzen Nachlaß mit dem Beifügen ab, daß die im Testamente gesetzte Bedingung gegen die guten Sitten verstoße. In der Folge beantragte die erbl. Tochter für den Fall, daß ihr Erbrecht als ausgewiesen erkannt werde, ihr die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft einzuräumen.

Mit dem Beschluß vom 3. November 1952 hat das Erstgericht u. a. die von der erbl. Tochter Trude B. auf Grund des erblasserischen Testamentes vom 6. Juli 1952 abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen, weiters deren Erbrecht als durch das Testament und die Aktenlage in dem Sinne ausgewiesen erkannt, daß die im Testamente enthaltene Bedingung, von deren Erfüllung die Erbseinsetzung der erblasserischen Tochter abhängig gemacht wird, nämlich daß Trude B. binnen einem Jahr nach dem Tode des Erblassers Walter M. eheliche, als nicht beigesetzt betrachtet wird, und der erblichen Tochter gemäß § 810 ABGB., § 145 AußstrG. die Besorgung und Benützung des Nachlasses überlassen. Am 13. November 1952 überreichte der erbliche Enkel mj. Peter B. durch seinen Vormund einen Rekurs, womit die soeben angeführten Punkte des erstgerichtlichen Beschlusses bekämpft wurden, und gleichzeitig eine Eingabe, datiert vom gleichen Tage, mit Abgabe einer bedingten Erbserklärung auf Grund des erblasserischen Testamentes für den Fall der Nichteinhaltung der erblasserischen Bedingung, betreffend die Verehelichung der erblasserischen Tochter Trude B. mit Walter M. und dem Antrage, diese Erklärung zu Gericht anzunehmen, das Erbrecht des mj. Peter B. für diesen Fall als ausgewiesen zu erkennen und Dr. Erwin D. zum Kurator gemäß § 77 Z. 3 AußstrG. für das erblasserische Vermögen zu bestellen.

Der Rekurs hatte keinen Erfolg, denn das Rekursgericht schloß sich im wesentlichen dem Beschluß des Erstgerichtes und dessen Gründen an.

Der Oberste Gerichtshof gab dem außerordentlichen Revisionsrekurs des mj. Peter B. teilweise Folge und hob den erstgerichtlichen Beschluß insoweit, als die Bedingung, daß Trude B. binnen einem Jahr nach dem Tode des Erblassers Walter M. eheliche, als nicht beigesetzt gelte und Trude B. die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen werde, auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Soweit der angefochtene Beschluß die Annahme der Erbserklärung der erblasserischen Tochter durch das Erstgericht billigt, wird im Revisionsrekurs nicht dargetan, inwiefern in diesem Punkte der Beschluß des Rekursgerichtes offenbar gesetzwidrig sein soll. Die Erbserklärung war, da nicht von vornherein ihre Aussichtslosigkeit feststeht und sie der vorgeschriebenen Form entsprach, anzunehmen (§ 122 AußstrG.). Dies gilt auch für die Erbserklärung auf Grund eines Testamentes, ohne Rücksicht darauf, ob eine im Testament gestellte Bedingung erfüllt erscheint (GlU. 2797). Dagegen vermag der Oberste Gerichtshof der weiteren Begründung des angefochtenen Beschlusses, soweit sie sich mit dem Rekurs des mj. Peter B. befaßt, nicht zu folgen. Das Rekursgericht ist der Auffassung, daß die Bedingung, eine bestimmte Person innerhalb einer bestimmten Frist zu heiraten, nach § 700 ABGB. dem Verbot gleichzusetzen sei, andere Personen außer der genannten zu ehelichen. Eine solche Bedingung widerspreche den guten Sitten und sei als nicht beigesetzt anzusehen. Die fragliche Bestimmung des Testamentes lasse nur die Auslegung zu, daß die erblasserische Tochter auf den Pflichtteil gesetzt werden soll, wenn sie nicht binnen Jahresfrist Walter M. eheliche. Die zu dieser Testamentsbestimmung führenden Motive des Erblassers spielten keine Rolle. Im gegenständlichen Falle stehe fest, daß Walter M. in ungeschiedener Ehe lebe, daher die vom Erblasser angeordnete Bedingung unzulässig und als nicht beigesetzt anzusehen sei.

Wenn der a. o. Revisionsrekurs diesen Rechtsausführungen entgegentritt und darauf hinweist, daß das Gesetz vom angefochtenen Beschluß offenbar unrichtig angewendet wurde, so ist ihm zuzustimmen. Die Heranziehung der Bestimmung des § 700 ABGB. kommt gegebenenfalls nicht in Frage, weil das Testament eine Bedingung, daß der Erbe sich nicht verehelichen solle, nicht enthält. Eine Ausdehnung des im § 700 ABGB. normierten zwingenden (Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 30. Jänner 1952, 2 Ob 29/52, Spruchrepertorium Nr. 33) Verbotes der Bedingung, sich nicht zu verehelichen, ist nicht vertretbar, da es sich hier um eine Ausnahmebestimmung handelt, die abweichend von § 698 ABGB. anordnet, daß die Bedingung der Nichtverehelichung als nicht beigesetzt anzusehen ist, während § 698 ABGB. verfügt, daß die Anordnung, wodurch jemandem unter einer aufschiebenden unmöglichen oder unerlaubten Bedingung ein Recht erteilt wird, ungültig und lediglich eine auflösende Bedingung dieser Art als nicht beigesetzt anzusehen ist. Ob die Anordnung, eine bestimmte Person zu heiraten, unmöglich oder, weil gegen das Gesetz oder gegen die guten Sitten verstoßend, unerlaubt ist, wird von den Umständen des einzelnen Falles abhängen. Unzulässig mag die Bedingung sein, niemanden anderen als eine bestimmte Person zu heiraten (GlUNF. 2466). Sie darf jedoch nicht verwechselt werden mit der in der Regel zulässigen Bedingung, eine bestimmte Person zu heiraten (Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht 1937, S. 407, 450; Pfaff - Hofmann II S. 583 ff.; Weiß in Klangs Kommentar, 2. Aufl., zu § 700, S. 677; Hanausek 66, Note 89). Aus der Aktenlage ergibt sich, daß Walter M. zwar wohl verheiratet, seine Ehe jedoch schon seit Jahren zerrüttet sein soll, weil sich die Gatten auseinandergelebt haben, weiters, daß die erbliche Tochter schon seit Jahren mit Walter M. in Verbindung steht und die beiden die Absicht hatten und noch haben, sich nach Scheidung der Ehe des Walter M. zu verehelichen, ein Sachverhalt, der dem Erblasser bekannt war. Daraus läßt sich weder schlüssig ableiten, daß die vom Erblasser gesetzte Bedingung unmöglich, noch daß sie unerlaubt ist. Wollte der Erblasser mit der Bedingung nur etwa bezwecken, daß der schon seit Jahren bestehende Schwebezustand von außerehelichen Beziehungen zwischen seiner Tochter und einem verheirateten Manne liquidiert und in ein legitimes Verhältnis übergeleitet wird, so wäre der Beweggrund beachtlich und nicht einzusehen, was dabei sittenwidrig sein sollte, zumal wenn der Erblasservoraussetzen durfte, daß es Wunsch seiner Tochter und ihres Bewerbers ist, sich zu verehelichen. Es ist natürlich ebensogut möglich, daß andere Erwägungen bei Aufstellung der Bedingung beteiligt waren. Was letzten Endes zutrifft, kann in diesem Verfahren dahingestellt bleiben, weil bei Vorliegen mehrerer Erbserklärungen nach fruchtlosem Ablauf der für die Erfüllung der Bedingung gesetzten Frist ohnedies erst in einem Rechtsstreite der Erbprätendenten über die Wirksamkeit oder Unzulässigkeit der Bedingung bzw. die Gültigkeit der Erbseinsetzung überhaupt wird abgesprochen werden müssen. Der Wortlaut des Testamentes spricht eher dafür, daß der Anfall und Antritt der Erbschaft durch die erbliche Tochter an eine aufschiebende Bedingung geknüpft worden ist (vgl. hiezu die Ausführungen in Klangs Kommentar, 2. Aufl., zu § 696 S. 655 von Gschnitzer) und ihr zunächst nur eine Anwartschaft zukommt (Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht, S. 136), wenn davon ausgegangen wird, daß die Bedingung möglich und erlaubt ist. Wird aber vom Gegenteil ausgegangen, nämlich, daß hier eine unmögliche oder (und) unerlaubte Bedingung im Sinne des § 698 ABGB. vorliegt, so ist die vom angefochtenen Beschluß gezogene Folgerung, daß die Bedingung diesfalls als nicht beigesetzt anzusehen sei, offenbar gesetzwidrig; richtigerweise würde diese Folgerung nur für den Fall der Annahme einer auflösenden Bedingung gelten. Im Falle einer aufschiebenden Bedingung ist, wie bereits erwähnt, die Anordnung überhaupt ungültig. Unter der Voraussetzung, daß die Bedingung als möglich und erlaubt angesehen wird, kann das von ihr abhängende Recht nur durch die genaue Erfüllung erworben werden; die Bedingung mag vom Zufall, vom Willen des Berechtigten oder einem Dritten abhängen (§ 699 ABGB.).

Die bisherigen Ausführungen führen dazu, den angefochtenen Beschluß insoweit abzuändern, als die Punkte 3 und 4 des erstgerichtlichen Beschlusses aufzuheben sind. Die Aufhebung des Punktes 4 ergibt sich daraus, daß nur dem Erben, dessen Erbrecht hinreichend ausgewiesen ist (§ 810 ABGB., § 145 AußstrG.), durch das Gericht die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft zu überlassen ist. Da die erblasserische Tochter die Erfüllung der Bedingung bisher nicht nachgewiesen hat, nach ihrer bisherigen Haltung sich sogar über dieselbe hinwegsetzen will und im Hinblick darauf auch schon die Erbserklärung des mj. Peter B. erstattet wurde, wird das in den §§ 125 ff. AußstrG. vorgesehene Verfahren einzuhalten und inzwischen für eine entsprechende Verwaltung und Vertretung des Nachlasses Vorsorge zu treffen sein.