JudikaturJustiz2Ob7/19x

2Ob7/19x – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** 2016 verstorbenen U***** S*****, zuletzt *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erbin H***** S*****, vertreten durch Dr. Alois Zehetner, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. Dezember 2018, GZ 43 R 487/18p 98, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 31. Oktober 2018, GZ 8 A 151/16b 94, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Nachlass der Erblasserin wurde der Rechtsmittelwerberin als Alleinerbin rechtskräftig eingeantwortet. Mit Punkt 2 des Einantwortungsbeschlusses ermächtigte das Erstgericht die Erbin „ungeachtet etwaiger gerichtlicher Sperren oder Klauseln zur freien Verfügung über die Nachlasswerte, ausgenommen das Wertpapierdepot Nr ***** bei der [Bank]“. Zur Verfügung über dieses Wertpapierdepot ermächtigte das Erstgericht auf Antrag der Erbin mit Punkt 3 seines Beschlusses einen Verein als diesbezüglichen Legatar.

Nach Rechtskraft der Einantwortung weigerte sich die im Einantwortungsbeschluss genannte Bank, den Verfügungen der Erbin über drei Konten der Erblasserin zu entsprechen. Als Begründung führte sie an, dass zwei dieser Konten Verrechnungskonten zum Wertpapierdepot seien und daher durchaus auch diesem Depot „zugeordnet“ werden könnten. Aus dem Akt ergibt sich, dass auch der Legatar in Bezug auf diese Konten Ansprüche gegen die Bank geltend machte.

Die Erbin beantragt, den Einantwortungsbeschluss dahin zu „ergänzen“, dass ihr auch diese drei näher bezeichneten Konten „eingeantwortet“ würden. Das Kreditinstitut verweigere trotz Vorlage des Einantwortungsbeschlusses die Auszahlung. Seine Begründung, dass diese Konten auch dem Wertpapierdepot „zugeordnet“ werden könnten, treffe nach dem eindeutigen Einantwortungsbeschluss nicht zu. Daher sei dieser Beschluss durch ausdrückliche Aufnahme der Konten zu ergänzen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Erben seien nach der Einantwortung Rechtsnachfolger des Erblassers und könnten als solche über dessen Vermögen verfügen. Bei Streitigkeiten zwischen Erben und Dritten sei der Zivilrechtsweg zu beschreiten. Eine Nachtragsabhandlung habe nicht stattzufinden, weil die Konten ohnehin in der Vermögenserklärung enthalten gewesen seien.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Nach § 179 AußStrG reiche eine mit Bestätigung der Rechtskraft versehene Ausfertigung des Einantwortungsbeschlusses zur Überwindung einer Sperre aus. Wegen dieser Anordnung sei die ausdrückliche Aufhebung einer Sperre nur in Ausnahmefällen erforderlich, etwa dann, wenn die Verfügungsberechtigung einem von mehreren Miterben oder einem Dritten zugewiesen werden solle. Das treffe hier nicht zu. Aus dem Einantwortungsbeschluss ergebe sich, dass der Nachlass der Erbin zur Gänze eingeantwortet worden sei. Dass Dritte eine ausdrückliche Verfügungsermächtigung verlangten, sei angesichts der Gesamtrechtsnachfolge und der feststehenden Identität der Alleinerbin kein Grund für eine Ergänzung des Beschlusses.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Erbin geltend, dass im Einantwortungsbeschluss eine „exakte Zuordnung der einzelnen Vermögenswerte“ erfolgen müsse. Legte man die §§ 178 f AußStrG anders aus, seien sie verfassungswidrig. Gegebenenfalls möge der Oberste Gerichtshof diese Bestimmungen daher beim Verfassungsgerichtshof anfechten.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig , er ist aber nicht berechtigt .

1. Nach § 178 Abs 1 AußStrG hat der Einantwortungsbeschluss die Bezeichnung der Verlassenschaft und der Erben, den Erbrechtstitel, die Quoten, gegebenenfalls den Hinweis auf ein Erbteilungsübereinkommen und jedenfalls die Art der Erbantrittserklärungen zu enthalten; dazu kommen nach § 178 Abs 2 AußStrG gegebenenfalls Beschränkungen durch Nacherbschaften und gleichgestellte Anordnungen und die Bezeichnung jener Liegenschaften, bei denen aufgrund der Einantwortung die Grundbuchsordnung herzustellen ist. Diese Anordnungen sind hier, soweit im konkreten Fall erforderlich, im – bereits einmal aus anderen Gründen ergänzten – Einantwortungsbeschluss enthalten. Die Einantwortung als solche bedarf daher keiner (weiteren) Ergänzung.

2. Die anderen in die Beschlussausfertigung aufgenommenen Punkte sind nicht Bestandteil des Einantwortungsbeschlusses im engeren Sinn. Sie betreffen vielmehr jene „noch offenen Verfahrenshandlungen“, die nach § 178 Abs 3 AußStrG „gleichzeitig“ mit der Einantwortung vorgenommen werden „sollen“. Darunter fallen nach dieser Bestimmung insbesondere die Bestimmung der Gebühren und die Aufhebung von Sperren und Sicherstellungen. Insofern ist die Gerichtspraxis unterschiedlich: Teilweise werden diese Anordnungen – wie hier – in die Ausfertigung des Einantwortungsbeschlusses aufgenommen, teilweise werden sie in einem gesonderten Beschluss („Mantelbeschluss“) zusammengefasst. Das Gesetz lässt beide Vorgangsweisen zu ( Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 178 Rz 6; Verweijen in Schneider/Verweijen , AußStrG § 178 Rz 8).

3. Im vorliegenden Fall beantragt die Erbin in der Sache die ausdrückliche Aufhebung der (offenbar) nach den AGB des Kreditinstituts eingetretenen „Sperre“ von drei Konten der Erblasserin.

3.1. Auf solche „Sperren“ beziehen sich zwei Bestimmungen des Außerstreitgesetzes: Vor der Einantwortung kann nach § 149 AußStrG der Gerichtskommissär die Freigabe erklären, ohne dafür der Genehmigung des Gerichts zu bedürfen. Nach der Einantwortung reicht nach § 179 AußStrG eine mit der Bestätigung der Rechtskraft versehene Ausfertigung des Einantwortungsbeschlusses zur Überwindung einer solchen Sperre aus. Grundlage dieser Regelung ist die mit der Einantwortung bewirkte Universalsukzession, aufgrund derer der Erbe in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt. Schon damit verliert jede todesbedingte Verfügungsbeschränkung ihre Grundlage; die Ausfertigung des Einantwortungsbeschlusses dient (nur) dem Nachweis gegenüber dem Kreditinstitut ( Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 179 Rz 1).

3.2. Mit Rechtskraft der Einantwortung haben daher der oder die Erben gegenüber dem Kreditinstitut als Gesamtrechtsnachfolger die Stellung des Erblassers. Damit ist die Verfügungsberechtigung über das Konto verbunden, wobei mehrere Erben – vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung in einem Erbteilungsübereinkommen – über das Schuldverhältnis als solches nur gemeinsam verfügen, Forderungen daraus aber im Regelfall anteilig geltend machen können (2 Ob 103/15h mwN). Wird die Verlassenschaft einem einzigen Erben eingeantwortet, ist die Rechtslage überhaupt klar: Als Rechtsnachfolger des Erblassers kann er ebenso über das Konto verfügen wie dieser.

3.3. Auf dieser Grundlage wird die Aufhebung von Sperren durch Einräumen einer Verfügungsberechtigung an bestimmte Personen im Regelfall nur dann erforderlich sein, wenn Konten aufgrund von Erbteilungsübereinkommen verschiedenen Personen zugewiesen werden ( Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 178 Rz 6; Verweijen in Schneider/Verweijen , AußStrG § 178 Rz 9). Das trifft aber nicht zu, wenn der Nachlass ohnehin einem Alleinerben eingeantwortet wird, der aufgrund Gesamtrechtsnachfolge (selbstverständlich) auch alleinige Partei von Kontoverträgen wird. In diesem Fall ist zu Konten des Erblassers keine Verfahrenshandlung mehr „offen“ iSv § 178 Abs 3 AußStrG.

3.4. Zwar wird es aus pragmatischen Gründen zulässig sein, auf Antrag der Erben einen Gläubiger (insbesondere einen Legatar oder Pflichtteilsberechtigten) zur Verfügung über ein bestimmtes Konto oder Depot zu ermächtigen, um dadurch im kurzen Weg Nachlassverbindlichkeiten zu tilgen (EB zur RV des AußStrG, 224 BlgNR 22. GP 112 [„zahlungshalber“]; Fucik , Das neue Verlassenschaftsverfahren [2005] Rz 272). Materiell rechtlich kann ein darauf gerichteter Antrag der Erben als (Angebot der) Abtretung des Anspruchs aus dem Kontovertrag verstanden werden; in Bezug auf ein Wertpapierdepot ist auch eine Deutung als Besitzanweisung möglich. Jedenfalls setzt aber eine solche Verfügungsermächtigung, wie auch die Erteilung einer Bestätigung nach § 182 Abs 3 AußStrG (RIS Justiz RS0006607 [T6]; 2 Ob 104/17h mwN), die Zustimmung aller Erben voraus. Streitigkeiten über das Vorliegen eines Vermächtnisses oder einer Vereinbarung sind nicht im Verlassverfahren, sondern im Rechtsweg auszutragen (2 Ob 104/17h).

4. Auf dieser Grundlage ist der Antrag der Erbin nicht berechtigt:

4.1. Das Erstgericht hatte in der Ausfertigung des Einantwortungsbeschlusses auf Antrag der Erbin einen Verein als Legatar zur Verfügung über ein bestimmtes Wertpapierdepot und die Erbin „ungeachtet etwaiger Sperren“ zur Verfügung über „die Nachlasswerte“ mit Ausnahme dieses Depots ermächtigt. Nach diesem Wortlaut, der die Verrechnungskonten nicht gesondert erwähnt und eine „Generalklausel“ zugunsten der Erbin enthält, besteht nicht der geringste Zweifel an deren Verfügungsberechtigung (auch) über diese Konten. Ein solcher Zweifel bestünde aber auch dann nicht, wenn in den Beschluss nur die Verfügungsberechtigung des Vereins über das Depot aufgenommen worden wäre. Denn dann ergäbe sich die Verfügungsberechtigung der Erbin schlicht aus der rechtskräftigen Einantwortung (§ 179 AußStrG).

4.2. Damit waren mit Erlassung des Einantwortungsbeschlusses keine Verfahrenshandlungen offen, die eines (weiteren) Beschlusses bedurft hätten. Insbesondere kann die rechtswidrige Weigerung der Bank, Verfügungen der Erbin zu entsprechen, zu keiner Handlungspflicht des Gerichts führen. Vielmehr hat die Erbin ihren Anspruch gegen die Bank im Rechtsweg durchzusetzen. Das ist ihr jedenfalls zumutbar, weil die Bank insofern kostenersatzpflichtig wird (§ 41 ZPO) und nach § 918 ABGB auch für den Verzugsschaden haftet. Dieser Schaden kann auch in den Kosten von Anträgen im Verlassverfahren liegen, wenn diese durch das rechtswidrige Verhalten der Bank veranlasst wurden und wie hier – mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung – nicht ganz aussichtslos waren.

4.3. Sollte die Anordnung der Erblasserin – was hier nicht zu prüfen ist – so zu verstehen sein, dass sie auch die Verrechnungskonten zum Wertpapierdepot erfasst, müsste der Legatar das gegen die Erbin geltend machen (§ 649 Abs 1 ABGB). Einen unmittelbaren Anspruch gegen die Bank hätte er nur dann, wenn ihm die Erbin diesen Anspruch aus dem Kontovertrag, der nun aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge zwischen ihr und der Bank besteht, abgetreten hätte. Zu einer solchen Abtretung könnte sie zwar allenfalls durch Urteil verpflichtet werden. Solange das aber nicht erfolgt, ist die Bank im Sinn der obigen Ausführungen ausschließlich an den rechtskräftigen Einantwortungsbeschluss gebunden.

5. Welche Grundrechte der Erbin durch diese Auslegung der §§ 178 f AußStrG verletzt sein sollten, zeigt der Revisionsrekurs nicht nachvollziehbar auf. Der Senat sieht daher keine Veranlassung, diese Bestimmungen beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.

6. Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs scheitern. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Die ausdrückliche Aufhebung einer Kontensperre (§ 178 Abs 3 AußStrG) durch Einräumen einer Verfügungsberechtigung an eine bestimmte Person ist nur dann erforderlich, wenn und soweit nach den Ergebnissen des Verlassenschaftsverfahrens – etwa aufgrund eines Erb-, Pflichtteils- oder Legatsübereinkommens – nicht der Alleinerbe oder alle Miterben gemeinsam über das Konto verfügungsberechtigt sein sollen. Sonst genügt nach § 179 AußStrG die mit Bestätigung der Rechtskraft versehene Ausfertigung des Einantwortungsbeschlusses zur Überwindung der Sperre.