JudikaturJustiz2Ob69/92

2Ob69/92 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr.Rainer Maria Kraft ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Z***** Gesellschaft mbH, *****, und 2. Franz E*****, beide vertreten durch Dr.Gertrud Hofmann, Rechtsanwältin in Wien, wegen Dinar 440.380,80 und Feststellung (Gesamtstreitwert S 499.000,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 22.Oktober 1992, GZ 12 R 156/92-10, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wr.Neustadt vom 22.Mai 1992, GZ 23 Cg 89/92-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Auf Antrag der Beklagten trug das Erstgericht der klagenden Partei, einem kroatischen Sozialversicherungsträger, auf, binnen 6 Wochen eine aktorische Kaution im Betrag von S 75.000,-- zu erlegen oder binnen derselben Frist eidlich zu bekräftigen, daß sie zum Erlag der Sicherheit nicht fähig sei. Zur Begründung führte das Erstgericht aus, zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien seien derzeit keine Rechtshilfevereinbarungen existent, die die klagende Partei von dem Erlag einer Sicherheitsleistung für Prozeßkosten befreien würden.

Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag der Beklagten, der klagenden Partei eine Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten aufzuerlegen, abgewiesen wird. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, gemäß § 57 Abs.2 Z 1a ZPO trete die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für Prozeßkosten nach Abs.1 dann nicht ein, wenn eine gerichtliche Entscheidung, die dem Kläger den Ersatz von Prozeßkosten an den Beklagten auferlege, im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Klägers vollstreckt werde. Dieser Befreiungstatbestand sei hier verwirklicht. In Punkt III. der Deklaration über die Ausrufung der Souveränität und Selbständigkeit der Republik Kroatien garantiere die Republik Kroatien in Übereinstimmung mit den Regeln des Völkerrechtes anderen Staaten und internationalen Organisationen, daß sie als Rechtsnachfolgerin der bisherigen SFRJ auf dem Gebiet, welches sich auf die Republik Kroatien beziehe, alle Rechte und Pflichten vollständig und gewissenhaft ausüben werde. Entsprechend dieser Garantieerkärung wende Kroatien auch weiterhin pragmatisch den österreichisch-jugoslawischen Rechtshilfevertrag, BGBl. Nr.224/1955, an, sodaß mit der Vollstreckung einer österreichischen Prozeßkostenentscheidung in Kroatien zu rechnen sei.

Die Beklagten bekämpfen den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragen die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist trotz des Ausspruches des Rekursgerichtes über seine Unzulässigkeit zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob ein Angehöriger der Republik Kroatien von der Verpflichtung zum Erlag einer Sicherheitsleistung für Prozeßkosten befreit ist. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 57 Abs.1 ZPO haben Ausländer, wenn sie vor einem österreichischen Gericht als Kläger auftreten, dem Beklagten auf dessen Verlangen für die Prozeßkosten Sicherheit zu leisten, sofern nicht durch Staatsverträge anderes festgesetzt ist. Eine solche Verpflichtung zur Sicherheitsleistung tritt unter anderem dann nicht ein, wenn eine gerichtliche Entscheidung, die dem Kläger den Ersatz von Prozeßkosten an den Beklagten auferlegte, im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Klägers vollstreckt würde (§ 57 Abs.2 Z 1a ZPO). Der gesetzgeberische Grund für die allerdings ohnedies stark zurückgedrängte aktorische Kaution liegt in der Schwierigkeit, die gegen den abgewiesenen ausländischen Kläger ergangene Kostenentscheidung im Ausland zu vollstrecken (SZ 55/41).

Gemäß Art.2 Abs.1 des Vertrages vom 16.Dezember 1954 zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über den wechselseitigen rechtlichen Verkehr samt Schlußprotokoll, BGBl. Nr.224/1955, darf Angehörigen eines der vertragschließenden Staaten, die in einem von ihnen ihren Wohnsitz oder ihre Niederlassung haben und in dem anderen vertragschließenden Staat als Kläger oder Intervenienten vor Gericht auftreten, eine Sicherheitsleistung für Prozeßkosten nicht auferlegt werden. Gemäß Art.3 Abs.1 dieses Abkommens sind rechtskräftige und vollstreckbare Entscheidungen der Gerichtsbehörden eines der vertragschließenden Staaten, durch die Kläger oder Intervenienten nach den im Staate des Prozeßgerichtes geltenden Rechtsvorschriften zum Ersatze der Prozeßkosten oder zur Zahlung von Gerichtsgebühren verpflichtet wurden, auf Antrag im Gebiet des anderen vertragschließenden Staates zu vollstrecken.

Dieses Abkommen wurde zu einer Zeit geschlossen, als das Territorium der heute selbständigen Republik Kroatien zur Föderativen Volksrepublik Jugoslawien gehörte.

Gemäß Punkt III. des Verfassungsbeschlusses über die Souveränität und Selbständigkeit der Republik Kroatien haben außer den vom Parlament der Republik Kroatien verabschiedeten Gesetzen bis zur Beendigung der Loslösung auch jene Vorschriften des Bundes Geltung, welche nicht außer Kraft gesetzt wurden. Gemäß Punkt III. der Deklaration über die Ausrufung der Souveränität und Selbständigkeit der Republik Kroatien garantiert diese Republik in Übereinstimmung mit den Regeln des Völkerrechts anderen Staaten und internationalen Organisationen, daß sie als Rechtsnachfolger der bisherigen SFRJ auf dem Gebiet, welches sich auf die Republik Kroatien bezieht, alle Rechte und Pflichten vollständig und gewissenhaft ausüben wird (Verfassungsbeschluß und Deklaration in Übersetzungen abgedruckt in Josef Marko-Tomislav Boric, Slowenien-Kroatien-Serbien, Die neuen Verfassungen 279 ff).

Laut Auskunft des Bundesministeriums für Justiz vom 17.September 1992, GZ 852.065/1-I 11/92 (ON 9 dA) ist nach einer Absprache mit dem Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten davon auszugehen, daß Kroatien weiterhin pragmatisch den österreichisch-jugoslawischen Rechtshilfevertrag, BGBl. Nr.224/1955, anwendet und somit mit Vollstreckung einer österreichischen Prozeßkostenentscheidung in Kroatien (§ 57 Abs.2 Z 1a ZPO) zu rechnen ist. Diese Auskunft (die die Gerichte allerdings nicht bindet - vgl. Fasching, ZPR2, Rz 476) sowie der Verfassungsbeschluß und die Deklaration der Republik Kroatien sind eine ausreichende Grundlage für die Annahme, daß eine Entscheidung eines österreichischen Gerichtes über eine Kostenersatzpflicht der klagenden Partei in der Republik Kroatien vollstreckt würde.

Die klagende Partei ist somit gemäß § 57 Abs.2 Z 1a ZPO nicht verpflichtet, eine Sicherheitsleistung für Prozeßkosten zu leisten.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.