JudikaturJustiz2Ob628/54

2Ob628/54 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. September 1954

Kopf

SZ 27/215

Spruch

Verpflichtung des Erben zur Sicherstellung eines vermachten Anwartschafts-(Aufgriffs-)rechtes.

Entscheidung vom 1. September 1954, 2 Ob 628/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Lienz; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Im schriftlichen Testamente vom 28. April 1948 hat die am 3. Mai 1948 in L. verstorbene Erblasserin Elisabeth O. zu ihrem Erben Kurt W. eingesetzt. Außerdem verfügte sie u. a. wörtlich folgendes:

"Die Liegenschaft B. in L. in G. E. Zl. 593 II KG. Lienz vermache ich zu 3/4 (dreiviertel) ideellen Anteilen meinem derzeitigen Pächter Ignaz K. in Lienz gegen Auszahlung des gemeinen Wertes hiefür. Diese Anteile erwirbt Ignaz K. aber erst mit Ablauf von fünf Jahren nach meinem Ableben. Für die Zeit vorher ist dessen Anwartschaft im Grundbuch sicherzustellen." - Im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung bestritt der Erbe die Gültigkeit des Legats. Der von Ignaz K. sodann anhängig gemachte Streit über die Gültigkeit des Vermächtnisses ist noch nicht rechtskräftig erledigt. Die letzte Entscheidung des Berufungsgerichtes in diesem beim Bezirksgericht Lienz zu C 71/50 geführten Prozeß lautet im wesentlichen zugunsten des Klägers Ignaz K. (Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12. Mai 1954, 1 R 636/53).

Das Bezirksgericht Lienz als Verlassenschaftsgericht hat mit seinen Beschlüssen vom 26. August 1953, A 152/48-40 und A 152/48-41, das Verlassenschaftsverfahren für beendet erklärt und die Einantwortungsurkunde erlassen. Den Antrag des Erben, ihm die Genehmigung zur Einverleibung des Alleineigentums auf die Liegenschaft B. EZ. 593 II KG. L., zu erteilen und den Antrag des Legatars Ignaz K. auf Erteilung einer Amtsbestätigung im Sinne des § 178 AußstrG. zur Einverleibung des Eigentums an 3/4-Anteilen dieser Liegenschaft wies es ab. Den Nachlaß antwortete es dem Erben Kurt W. unter Hinweis und gegen Erfüllung der Vermächtnisse im Sinne des Testamentes vom 28. April 1948 ein und ordnete gleichzeitig die Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Erben zu einem Viertel der Liegenschaft an.

Die Beschlüsse wurden sowohl vom Erben als auch vom Legatar bekämpft. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Erben Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der Nachlaß der am 3. Mai 1948 verstorbenen Elisabeth O. auf Grund des Testamentes vom 28. April 1948 dem Erben Kurt W. ohne jeden Vorbehalt eingeantwortet und nach dem Ergebnis der Verlaßabhandlung das Eigentumsrecht für ihn in EZ. 593 II KG. L. einverleibt wird. Dem Rekurs des Ignaz K. gab das Rekursgericht keine Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Legatars Folge und wies in teilweiser Abänderung des zweitinstanzlichen Beschlusses den Antrag des Erben auf Erlassung der Einantwortung und Einverleibung seines Eigentumsrechtes auf der Liegenschaft EZ. 593 II KG. L. ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Um die Einantwortung des Nachlasses zu erwirken, muß der Erbe nicht nur sein Erbrecht gehörig dargetan haben, sondern auch ausweisen, daß er alle übrigen vom Gesetze oder dem Erblasser ihm auferlegten Verbindlichkeiten soweit erfüllt habe, als es in den §§ 157 bis 162 AußstrG. gefordert wird. Das Gericht hat dafür zu sorgen, daß die Ausweise hierüber ohne Verzögerung geliefert werden, damit, wenn kein Hindernis mehr im Wege steht, die Einantwortung erfolgen, im entgegengesetzten Falle die Nachtragung des Fehlenden angeordnet werden könne (§ 149 AußstrG.). Dem Erben ist im gegenständlichen Falle inhaltlich des Testamentes die Verbindlichkeit auferlegt, das Anwartschafts-(Aufgriffs-)recht des Ignaz K. im Grundbuch sicherzustellen. Dem Revisionsrekurse ist zuzustimmen, daß dieser von der Erblasserin letztwillig erteilte Auftrag eine Verbindlichkeit im Sinne des § 149 AußstrG. bildet, deren Erfüllung der Erbe zur Erwirkung der Einantwortung dem Gerichte auszuweisen hat, u. zw. insoweit, als es in den §§ 157 bis 162 AußstrG. gefordert wird. § 158 AußstrG. bestimmt nun, daß Substitutionen und Anordnungen, die ihnen nach §§ 707 bis 709 ABGB. gleichzuhalten sind, auf die ihnen unterworfenen Güter in den öffentlichen Büchern eingetragen werden müssen. Das dem Ignaz K. vermachte Anwartschaftsrecht, seine Gültigkeit vorausgesetzt, stellt eine solche Anordnung im Sinne der §§ 707 bis 709 ABGB. dar. Der Hinweis des angefochtenen Beschlusses auf §§ 159 und 160 AußstrG. versagt deshalb, weil der Erbe dadurch, daß es sich nicht um Vermächtnisse nach diesen Gesetzesstellen handelt, der sich aus dem Testamente und der Vorschrift des § 149 AußstrG. ergebenden Verpflichtung zur Sicherstellung des Vermächtnisses des Ignaz K. nicht enthoben ist. Rechtzugeben ist dem Revisionsrekurrenten auch darin, daß sich die Bestimmung des § 161 AußstrG. nicht auf die im § 158 AußstrG. angeführten Substitutionen und ihnen gleichzuhaltenden Anordnungen bezieht. Die Einantwortung des Nachlasses darf also erst erfolgen, wenn der Erbe nebst der Dartuung des Erbrechtes auch die Erfüllung aller ihm nach dem Gesetze oder letzten Willenserklärung des Verstorbenen obliegenden Verpflichtungen dargetan hat, soweit deren Erfüllung in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung möglich war. Er muß daher zur Erlangung der Einantwortung unter anderem auch die Sicherstellung eventueller Substitutionen und diesen gleichgehaltenen Verfügungen, wie überhaupt Punkt für Punkt die Erfüllung aller letztwilligen Anordnungen des Erblassers nachweisen (Rintelen, Grundriß des Verfahrens Außerstreitsachen, S. 82). Während § 520 ABGB. nur bei sich äußernder Gefahr das Recht auf Sicherstellung einräumt, hat § 158 AußstrG. dem Substituten oder ihm Gleichgestellten dieselbe unbedingt, ja so eingeräumt, daß von Amts wegen darauf gedrungen und nur bei Kapitalien und anderen beweglichen Sachen hievon abgesehen wird, wenn der Erblasser die Sicherstellung erlassen oder der Substitutionsberechtigte darauf verzichtet hat (Schuster - Bonnott, S. 273). In der Entscheidung vom 17. Feber 1954, 1 Ob 108/54, hat der Oberste Gerichtshof erkannt, daß das Aufgriffsrecht eine Erbteilungsvorschrift ist, die in der Verbücherungsanordnung der Einantwortungsurkunde bereits zu berücksichtigen ist.

Nach der Aktenlage ist eine Sicherstellung des Vermächtnisses des Ignaz K. bisher nicht nur nicht erfolgt, sondern die Gültigkeit des Vermächtnisses vom Erben bestritten worden. Der Rechtsstreit über die Gültigkeit des Vermächtnisses ist noch im Gange. Erst nach einem für ihn günstigen Ausgang des Prozesses ist der Erbe berechtigt, die Erlassung der Einantwortung und Übertragung des Eigentums an der Verlaßliegenschaft zu verlangen. Solange indessen der Streit noch in Schwebe und mit einer für den Legatar günstigen Erledigung zu rechnen ist, war sowohl mit der Einantwortung wie auch der im Gefolge davon verfügten Einverleibung des Eigentumsrechtes des Erben an der obgenannten Liegenschaft zuzuwarten.