JudikaturJustiz2Ob576/93

2Ob576/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Ulrike S*****, vertreten durch Dr.Hans Kaska, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider den Antragsgegner Ludwig M*****, vertreten durch Dr.Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, wegen Zahlung eines Heiratsgutes, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten vom 7.Juli 1993, GZ R 419/93-7, womit infolge Rekurses der Antragstellerin der Beschluß des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 11.Mai 1993, GZ 1 Nc 18/93-4, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die ***** Antragstellerin ist eheliche Tochter des Antragsgegners aus dessen erster, 1973 geschiedener Ehe.

Die Antragstellerin schloß *****1992 mit Jürgen S***** ihre erste Ehe und begehrte am 22.3.1993 vom Antragsgegner die Zahlung eines Heiratsgutes in der Höhe von S 200.000,--.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung dieses Antrages unter Hinweis auf die von ihm erklärte Mißbilligung der Eheschließung. Jürgen S***** habe wiederholt mit Rauschgift zu tun gehabt; eine solche Neigung flamme, auch wenn sie vorübergehend verdrängt werde, erfahrungsgemäß immer wieder auf. Sowohl für die Antragstellerin als auch für ihre Nachkommen sei ein Leben unter dieser Voraussetzung bedenklich. Zudem sei Jürgen S***** auch im Jahre 1989 wegen Sachbeschädigung gerichtlich verurteilt worden. Die dieser Verurteilung zugrunde liegende Tat stelle einen weiteren Mißbilligungsgrund dar.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Zahlung eines Heiratsgutes ab.

Es ging dabei von nachstehenden Feststellungen aus.

Nach der Scheidung seiner ersten Ehe - aus der die Antragsgegnerin entstammt - hatte der Antragsgegner lockeren Kontakt mit ihr. Dieser Kontakt brach 1989 ab, nachdem die Antragstellerin ein uneheliches Kind geboren hatte. Seit Geburt dieses Kindes geht die Antragstellerin keinem Erwerb mehr nach.

Sie lernte 1989 Jürgen S***** kennen. Nachdem der Antragsgegner dies erfahren hatte, teilte er der Antragstellerin in einem Brief vom 15.9.1989 mit, daß er sich gegen eine Eheschließung mit Jürgen S***** ausspreche, weil dieser mit Rauschgift zu tun gehabt habe und gerichtlich vorbestraft sei. Falls sie ihn trotzdem heiraten sollte, werde sie vom Antragsgegner kein Heiratsgut bekommen. Seit März 1991 lebt die Antragstellerin samt ihrem unehelichen Kind mit Jürgen Schwärzler zusammen. Sie gebar 1990 ihr zweites Kind, dessen Vater Jürgen S***** ist. Die Antragstellerin und Jürgen S***** schlossen am

29. (28.)12.1992 die Ehe. Der Antragsgegner, der eine Einladung zur Hochzeit erhalten hatte, sprach sich mit Schreiben vom 17.12.1992 aus demselben Grund wie in seinem ersten Schreiben gegen diese Heirat aus, wünschte aber der Antragstellerin dennoch viel Glück für die Zukunft.

Der am *****1966 geborene Jürgen S***** begann nach dem Besuch der Pflichtschule im September 1980 bei der Firma V***** in St.A***** eine Dreherlehre. Nach deren Abschluß arbeitete er dort ca. 1 1/2 Jahre als Dreher. Anschließend war er bis September 1992 im selben Betrieb, der von der Firma R***** GmbH übernommen wurde, als Maschineneinsteller beschäftigt. Jürgen S***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 24.9.1984 wegen des Vergehens der vorsätzlichen leichten Körperverletzung nach § 83/1 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je S 60,-- verurteilt. Mit Urteil desselben Gerichtes vom 7.8.1986 wurde er wegen des Vergehens nach § 16/1 SGG sowie wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 131 Abs 1 StGB zu drei Monaten Freiheitsstrafe bedingt auf drei Jahre verurteilt. Nach dem die Probezeit auf fünf Jahre verlängert worden war, wurde die Strafe schließlich endgültig nachgesehen. Am 27.11.1986 wurde er vom Bezirksgericht Lilienfeld neuerlich wegen des Vergehens nach § 16/1 SGG zu fünf Monaten Freiheitsstrafe, bedingt auf drei Jahre verurteilt. Auch diese Strafe wurde, nachdem die Probezeit auf fünf Jahre verlängert worden war, schließlich endgültig nachgesehen. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Korneuburg vom 28.9.1987 wurde er wegen des Vergehens nach § 8 MilStG zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je S 50,-- verurteilt. Am 18.4.1989 verurteilte das Bezirksgericht Lilienfeld Jürgen S***** zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je S 200,--, weil er von einem fremden PKW einen Türaußendrücker und den Heckspoiler abgerissen und dadurch das Vergehen der vorsätzlichen Sachbeschädigung nach § 125 StGB begangen hat. Schließlich wurde er mit Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 30.11.1989 zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je S 200,-- verurteilt, weil er in Ungarn mit einem PKW infolge Übermüdung von der Straße abgekommen war, wobei mehrere Personen teils leicht, teils schwer verletzt worden waren. Seit dieser letzten Verurteilung ist er mit dem Strafgesetz nicht mehr in Konflikt gekommen. Er besuchte in den Jahren 1991 und 1992 an zwei Tagen pro Woche einen Werkmeisterkurs beim WIFI St.***** und ist seit dem 1.10.1992 bei der Firma ***** GmbH als Werkmeister beschäftigt.

Rechtlich erachtete das Erstgericht aufgrund der nicht allzulang zurückliegenden Vorstrafen des Jürgen Schwärzler die Mißbilligung der Eheschließung durch den Antragsteller begründet. Der Umstand, daß er seit 1989 mit dem Strafgesetz nicht mehr in Konflikt gekommen sei und einen beachtlichen beruflichen Aufstieg geschaffen hat, falle angesichts der Zahl und der Schwere der Vorstrafen nicht allzu sehr ins Gewicht.

Das Rekursgericht hob über Rekurs der Antragstellerin diesen Beschluß auf. Sämtliche Verurteilungen - mit Ausnahme des Verkehrsunfalles - lägen vor dem Zeitpunkt des Kennenlernens der Antragsstellerin. Die Verfehlungen des Jürgen S***** gegen das Suchtgiftgesetz seien nicht ausschließlich Bagatellsachen gewesen, doch dürfe nicht übersehen werden, daß Jürgen S***** zum Zeitpunkt des Suchtgiftmißbrauches erst 18 bis 20 Jahre alt gewesen sei. Dieser Umstand bewirke zwar nicht eine Billigung seines Verhaltens, doch trage auch das Strafgesetzbuch dem jugendlichen Alter der Täter durch einen eigens angeführten Milderungsgrund Rechnung. Jürgen S***** habe seit 1986 mit Suchtgift nichts mehr zu tun und sei seit Anfang 1989 mit Ausnahme des Verkehrsunfalles, der aber nicht besonders schwer ins Gewicht falle, nicht mehr straffällig geworden. Sämtliche verhängte Strafen seien vollzogen bzw endgültig nachgesehen worden. Unter Berücksichtigung, daß Jürgen S***** ein untadeliges und erfolgreiches Berufsleben aufzuweisen habe, und daß sich auch die Lebensgemeinschaft, die die damals 18-jährige Antragstellerin unter schwierigen Verhältnissen eingegangen sei, bis zur Eheschließung bewähren konnte, stelle sich das Wesen des Jürgen S*****, das sei die Summe seiner persönlichen Eigenschaften zum Zeitpunkt der Eheschließung, in einen anderem Lichte dar, als es vom Erstgericht gesehen worden sei. Jürgen S***** scheine in der Beziehung zur Antragstellerin Halt gefunden zu haben. Der Antragsgegner habe dagegen für den Zeitraum ab 1989 keine Umstände vorzubringen vermocht, die das nunmehr gegebene Bild einer harmonischen Beziehung, die letztendlich in der Eheschließung gemündet habe, beeinträchtigen könnten. Ein gerechtfertigter Mißbilligungsgrund liege nach den Umständen des Einzelfalles nicht vor.

Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, da eine neuere Rechtsprechung zur Frage, ob gerichtliche Vorstrafen jedenfalls einen gerechtfertigten Mißbilligungsgrund darstellten, fehle. Die ältere Rechtsprechung sei diesbezüglich undeutlich ohne Ausnahmefälle von diesen Grundsätzen näher zu umschreiben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Wenn die Braut kein eigenes, zu einem angemessenen Heiratsgut hinlängliches Vermögen besitzt, ist gemäß § 1220 ABGB der Vater verpflichtet, der Tochter bei ihrer Verehelichung ein Heiratsgut zu geben. Gemäß dem § 1222 ABGB ist der Dotierungspflichtige davon befreit, wenn die Tochter ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen sich verehelichte und das Gericht die Ursache der Mißbilligung gegründet findet. Die Vorschriften des ABGB über das der Braut zu bestellende Heiratsgut geben keinen unmittelbaren Aufschluß darüber, welche Gründe für eine Mißbilligung der Eheschließung zureichend sind. Jedenfalls ist dabei im Auge zu halten, daß die Bestimmung der Verhinderung leichtfertiger Ehen dient (SZ 37/142; Petrasch in Rummel2 Rz 1 zu § 1222) und daher nur solche Gründe als trifftig anerkannt werden können, die sich auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse, Vermögen und Einkünfte des Bräutigams (EFSlg 56.964) sowie auf die reifliche Überlegung des Entschlusses beider Brautleute beziehen. Dabei hat nicht das Interesse der Eltern, sonders das Kindeswohl im Vordergrund zu stehen (EFSlg 54.213). Unter Umständen können auch gerichtliche Vorstrafen und Arbeitsscheu des Bräutigams bei Beurteilung der Mißbilligungsgründe bedeutsam sein. Dies wurde bereits in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 9.12.1975, 5 Ob 234/75 (teilweise veröffentlicht in EFSlg 24.803 und EvBl 1976/153) ausdrücklich ausgesprochen, doch gleichzeitig erkannt, daß die auf die gerichtlichen Vorstrafen des Bräutigams gegründete Ablehnung der Eheschließung nicht gerechtfertigt war, weil dennoch trotz dieser Vorstrafen eine Beeinträchtigung der Tochter zum Zeitpunkt der Eheschließung weder gegeben noch zu gewärtigen war. Ob daher gerichtliche Verurteilungen des Bräutigams als trifftiger Mißbilligungsgrund anzusehen sind, ist jeweils nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalles vor allem unter Berücksichtigung des Wohles des Kindes und auch einer allfälligen Gefährdung der Ehe zu beurteilen.

Unter diesen Gesichtspunkten kommt den Argumenten des Rekursgerichtes durchaus Berechtigung zu.

Der nunmehrige Ehemann der Antragstellerin weist zwar - nicht zu verharmlosende Verurteilungen wegen des Verstoßes gegen das Suchtgiftgesetz sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Sachbeschädigung auf, doch ist dabei zu berücksichtigen, daß diese Straftaten vor Bekanntschaft mit der Antragstellerin begangen wurden. Die nachfolgende Lebensgemeinschaft mit der Antragstellerin, die bereits ein uneheliches Kind hatte, und die Geburt des gemeinsamen Kindes haben offensichtlich zur Reifung der Persönlichkeit des Ehemannes beigetragen. Dies dokumentiert sich auch in den erfolgreichen Bemühungen um eine berufliche Weiterbildung und in der Eheschließung mit der Mutter des gemeinsamen Kindes. Anhaltspunkte dafür, daß Jürgen S***** als Kindesvater und Ehemann neuerlich dem Rauschgiftkonsum verfallen könnte, liegen aber nicht vor.

Danach lagen, wie das Rekursgericht richtig erkannt hatte, zum Zeitpunkt der Eheschließung gerechtfertigte Mißbilligungsgründe nicht vor.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.