JudikaturJustiz2Ob543/89

2Ob543/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H***, geboren am 28. August 1908 in Percosova (Rumänien), Pensionist, Resthofstraße 17, 4400 Steyr, vertreten durch Dr. Walter Christl, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei Klara H***, geboren am 2. Jänner 1932 in Debrecen (Ungarn), Hausfrau, Resthofstraße 15, 4400 Steyr, vertreten durch Dr. Heidemarie Wolke, Rechtsanwältin in Steyr, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 10. Februar 1989, GZ 5 R 130/88-60, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 30. Juni 1988, GZ 2 Cg 15/86-52, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat dem Kläger die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien haben am 21. September 1985 vor dem Standesamt Steyr die kinderlos gebliebene Ehe geschlossen. Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger, die Beklagte ist Konventionsflüchtling. Es handelte sich für beide Teile um die zweite Ehe. Der letzte gemeinsame Wohnsitz war Steyr. Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten und brachte insbesondere vor, die Beklagte habe die eheliche Wohnung am 12. Dezember 1985 verlassen, habe dann noch einige Tage für den Kläger gekocht, habe ihm dann aber mitgeteilt, daß sie nach Wien fahren werde und er nicht mehr zu ihr zu kommen brauche.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, sie habe die eheliche Wohnung mit Zustimmung des Klägers verlassen, weil ein Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt wegen sexueller Handlungen des Klägers an ihrem Enkelkind unzumutbar geworden sei. Unter diesen Umständen sei auch eine Rückkehr in die Ehewohnung nicht möglich. Der Kläger verweigere die Leistung von Unterhalt.

Für den Fall der Scheidung beantragte die Beklagte, das überwiegende Verschulden des Klägers auszusprechen. Der Kläger habe die Beklagte trotz ihres schlechten Gesundheitszustandes angehalten, noch mehr zu arbeiten, habe Alkohol in solchen Mengen getrunken, daß er aggressiv geworden sei, und wiederholt gedroht, der Beklagten werde Böses zustoßen, wenn die Ehe nicht funktioniere. Der Kläger habe die Beklagte durch häufige sexuelle Betätigungen überfordert und ihren ohnehin schon zerrütteten Gesundheitszustand weiter verschlechtert.

Ein im Laufe des Ehescheidungsverfahrens gestelltes Begehren der Beklagten auf Zuerkennung einstweiligen Unterhaltes gemäß § 382 Z 8 lit a EO wurde wegen Unterhaltsverwirkung abgewiesen (2 Ob 624/87). Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Beklagten. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die Streitteile heirateten nach relativ kurzer Bekanntschaft am 21. September 1985. Die Beklagte heiratete den Kläger nicht aus Zuneigung, sondern wollte primär erreichen, daß ihre Enkeltochter weiterhin bei ihr in Österreich bleiben könne, zumal deren Rückkehr nach Australien zur Mutter bereits behördlicherseits gefordert worden war. Außerdem erhoffte sie sich eine gewisse finanzielle Absicherung, die ihr der Kläger als Gegenleistung für die Versorgung des Haushalts, Kochen und die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse zugesichert hatte. Nach der Eheschließung zog sie gemeinsam mit ihrer Enkeltochter in die Wohnung des Klägers in der Resthofstraße 17, behielt aber ihre eigene Wohnung in der Resthofstraße 15 weiter. In der Wohnung des Klägers schlief sie mit ihrer Enkeltochter im Ehebett, welches durch einen Vorhang vom übrigen Wohnzimmer abgeteilt war, während der Kläger auf einer davor befindlichen Bettbank nächtigte. Der Kläger hatte trotz seines fortgeschrittenen Alters und beträchtlicher Probleme nach einer im Krieg erfolgten Sterilisierung ausgeprägte sexuelle Bedürfnisse und es kam in den ersten Wochen des Zusammenlebens täglich zu geschlechtlichem Verkehr, wodurch sich die Beklagte, die noch an den Folgen eines bereits in Ungarn erlittenen Herzinfarkts laborierte, zunehmend überfordert fühlte. Da die Beklagte mit dem Kläger, der vom Landesinvalidenamt eine Rente gemäß § 13 KOVG 1957 bezieht, nicht krankenversichert war, nahm sie eine Heimarbeit, und zwar Schmuckwarenherstellung, auf. Auch dadurch fühlte sich die Beklagte, die daneben den Haushalt führte, über Gebühr belastet. Daß der Kläger übermäßig dem Alkohol zugesprochen hätte und in diesem Zustand gegenüber der Beklagten aggressiv geworden wäre, ist nicht feststellbar. Allerdings kam es öfters zwischen dem Kläger und dem Kind zu Streitigkeiten, insbesondere wegen des Fernsehens. Am 12. Dezember 1985 verließ die Beklagte schließlich mit ihrer Enkelin die Wohnung und zog wieder in ihre eigene Wohnung. Der Kläger war auf Grund des doch recht schwierigen Zusammenlebens damit einverstanden, zumal ihm die Beklagte zunächst weiter den Haushalt versorgte und für ihn kochte und gesagt hatte, daß er zu ihr kommen könne, wenn er sexuelle Wünsche habe. Als sie ihm aber einige Tage später mitteilte, daß sie nicht mehr zurückkommen werde und auch der Kläger nicht mehr zu ihr kommen brauche und sie nicht mehr für ihn sorgen würde, beschloß er, ihr kein Geld mehr zu geben, obwohl er vorher bereit war, ihr einen Teil der Rente zu überlassen. Im Oktober 1985 wurde die Rente des Klägers nach Bezahlung der Kosten für beide Wohnungen geteilt. Auch im November 1985 wurde das Geld geteilt, allerdings erhielt die Beklagte, die am 21. Oktober 1985 ihre Tätigkeit aufgenommen hatte, schon etwas weniger und bekam dann im Dezember nur mehr wenig Bargeld, da dem Kläger im Hinblick auf ihre Erwerbsfähigkeit 30 % von der Rente abgezogen wurden. Die Beklagte begründete ihren Entschluß, nicht mehr zum Kläger zurückzukehren und auch nicht mehr für ihn zu sorgen, damit, daß dieser sich an ihrer Enkeltochter in unsittlicher Weise vergangen und diese sogar praktisch vergewaltigt habe, was ihr teils aus eigener Beobachtung vor ihrem Wegzug aus der Wohnung, teils nachher durch Erzählungen der Enkeltochter bekannt geworden sei. Tatsächlich ist es aber zu keinem sexuellen Mißbrauch der mj. Enkeltochter durch den Kläger gekommen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, die Klägerin habe sich geweigert, einen zumutbaren Beitrag zu leisten, ihre Weigerung, dem Kläger den Haushalt zu führen, stelle eine schwere Eheverfehlung dar. Dem Kläger sei anzulasten, auf den schlechten Gesundheitszustand der Beklagten zu wenig Rücksicht genommen zu haben. Das Verschulden der Beklagten, die nicht bereit sei, die eheliche Gemeinschaft auch nur in irgendeiner Weise wieder herzustellen, überwiege.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es übernahm den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Beklagten habe von Anfang an eine rechte eheliche Gesinnung gefehlt, sie habe die Ehe wegen des Enkelkindes und zu ihrer zumindest teilweisen finanziellen Absicherung geschlossen. Wenn auch der Auszug der Beklagten zunächst wegen ihrer Überforderung durch den Kläger erfolgt und der Kläger damit einverstanden gewesen sei, zumal die Beklagte ihn weiterhin versorgt und für ihn gekocht habe, habe kein Grund dafür bestanden, in der Folge einen Beitrag im Sinne des § 94 Abs 1 ABGB überhaupt nicht mehr zu leisten. Da ein sexueller Mißbrauch der Enkeltochter der Beklagten durch den Kläger nicht erfolgt sei, habe kein sachlicher Grund bestanden, jeglichen Kontakt mit dem Kläger abzubrechen. Zutreffend habe daher das Erstgericht das überwiegende Verschulden der Beklagten an der nicht mehr strittigen Zerrüttung der Ehe ausgesprochen.

Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichts mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das gleichteilige Verschulden beider Teile ausgesprochen werde. Hilfsweise stellt die Beklagte einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Den Revisionsausführungen, daß, auch wenn dem Kläger ein sexueller Mißbrauch der Enkeltochter nicht nachzuweisen gewesen sei, sei doch die Beklagte subjektiv von einem derartigen Verhalten des Klägers überzeugt gewesen, ist entgegenzuhalten, daß das Erstgericht feststellte, ein sexueller Mißbrauch sei nicht erfolgt, der Beklagten könne in dieser Hinsicht keine Glaubwürdigkeit zugebilligt werden. Das Verlassen der Ehewohnung durch die Beklagte wegen sexuellen Mißbrauchs des Enkelkindes war daher auch subjektiv nicht gerechtfertigt. Mag auch der Kläger auf den Gesundheitszustand der Beklagten zu wenig Rücksicht genommen haben - was ihm unbekämpft als Verschulden angelastet wurde -, so reicht dies nicht aus, um ein Verlassen der Ehewohnung rechtfertigen zu können. Der Kläger war allerdings mit dem Ausziehen der Beklagten einverstanden, zumal ihm die Beklagte weiter den Haushalt führte und gesagt hatte, er könne zu ihr kommen, wenn er sexuelle Wünsche habe. In der Folge weigerte sich die Beklagte dann aber, für den Kläger zu sorgen, und erklärte ihm, er brauche nicht mehr zu ihr zu kommen. Dieses Verhalten, für das keinerlei sachliche Gründe bestanden, stellt jedenfalls eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG dar. Auch wenn dem Kläger vorzuwerfen ist, auf den Gesundheitszustand der Beklagten zu wenig Rücksicht genommen zu haben, überwiegt doch das Verschulden der Beklagten, die sich weigerte, alle sie aus der Ehe treffenden Verpflichtungen zu erfüllen, derart, daß der Ausspruch ihres überwiegenden Verschuldens berechtigt ist.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.