JudikaturJustiz2Ob516/84

2Ob516/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Februar 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Werner Masser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B***** Dipl. Ing. H***** L*****, Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Mathes, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs (Streitwert 5.585.000,81 S sA) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Oktober 1983, GZ 12 R 189/83 19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. April 1983, GZ 39 g Cg 62/82 15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat der Beklagten die mit 27.336,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 2.400 S Barauslagen und 2.266,95 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin beauftragte im Jahr 1979 die Beklagte mit der Herstellung der Kanalisationsanlage. Nach Punkt 13 der Besonderen Richtlinien für die Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen im Land Niederösterreich, die Vertragsinhalt waren, wird für den Fall von Streitigkeiten, die sich aus den abgeschlossenen Verträgen ergeben, die Befassung eines Schiedsgerichts vereinbart. Das Schiedsgericht soll aus je einem vom Bauherrn (Baubeirat) und dem Auftraggeber zu entsendenden Sachverständigen und einem von letzterem gewählten Vorsitzenden bestehen. Zwischen den Streitteilen kam es zu Differenzen wegen der Entlohnung zusätzlicher, vom Angebot nicht umfasster Leistungen der Beklagten, weshalb diese eine Klage beim Schiedsgericht einbrachte, in der sie 5.585.000,81 S sA begehrte. Mit Schiedsspruch vom 29. Oktober 1981 erkannte das Schiedsgericht die nunmehrige Klägerin schuldig, der nunmehrigen Beklagten einen Betrag von 2.920.000 S samt Zinsen zu bezahlen.

Die Klägerin begehrt die Aufhebung dieses Schiedsspruchs aus den Gründen des § 595 Z 3 und 6 ZPO aF. Sie macht einerseits geltend, der Vorsitzende sei in rechtswidriger Weise nicht gewählt, sondern durch Los bestimmt worden, anderseits führt die Klägerin aus, das Schiedsgericht habe zu Unrecht ihrem zentralen Einwand, die nunmehrige Beklagte habe die Nachtragsforderungen verspätet geltend gemacht, nicht Rechnung getragen. Die Ansicht des Schiedsgerichts, die Beklagte habe die Forderungen im Rahmen der Vergleichsgespräche dem Grunde nach anerkannt, sei unrichtig, ebenso die Eventualbegründung des Schiedsgerichts, der Einwand der verspäteten Geltendmachung der Forderungen verstoße gegen Treu und Glauben. Nach § 1170a ABGB verliere der Unternehmer, der es unterlasse, dem Besteller die Überschreitung des Kostenvoranschlags unverzüglich anzuzeigen, jeden Mehranspruch. Das Schiedsgericht habe sich auch über die Anordnung des § 867 ABGB hinweggesetzt, weil eine Genehmigung der Nachtragsforderungen aufgrund der NÖ Gemeindeordnung ausschließlich dem Gemeinderat zugestanden wäre.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das Urteil des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Als aktenwidrig rügt die Klägerin die Ausführungen des Berufungsgerichts über den Zeitpunkt der Bestellung des Obmanns des Schiedsgerichts. Da diesem Zeitpunkt (dass die Bestellung später als 4 Wochen nach der Ernennung der beiden anderen Schiedsrichter erfolgte, wird nicht behauptet) rechtlich keine Bedeutung zukommt, liegt jedenfalls keine relevante Aktenwidrigkeit vor.

Mit dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens werden lediglich Feststellungsmängel geltend gemacht, die in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung fallen.

Auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt.

Beide Vorinstanzen waren der Ansicht, selbst wenn der Vorsitzende des Schiedsgerichts entsprechend der Behauptung der Klägerin durch Los bestimmt worden sein sollte, wäre der Schiedsspruch nicht unwirksam, das Schiedsgericht habe auch nicht gegen zwingende Rechtsvorschriften verstoßen.

Die Klägerin führt zur Frage der Bestellung des Obmanns des Schiedsgerichts aus, die beiden anderen Schiedsrichter hätten in freier Willensentscheidung über den Obmann zu entscheiden gehabt. Sie hätten sich jedoch nicht über die Person des Obmanns geeinigt, sondern über die Art und Weise, wie sie zu einem solchen gelangen. Die Entscheidung selbst hätten sie dem Zufall überlassen. Damit hätten sie ein Ersatzbestellungsverfahren vorgenommen, obwohl ein solches, falls eine Einigung nicht innerhalb von 4 Wochen erfolgt wäre, dahin geregelt sei, dass der Vorsitzende vom Amt der Landesregierung bestellt werde.

Diese Ansicht kann nicht geteilt werden.

Die beiden von den Parteien namhaft gemachten Schiedsrichter hatten aufgrund der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung den Obmann zu wählen, wie dies auch in § 580 ZPO vorgesehen ist. „Wählen“ bedeutet, dass sich die beiden Schiedsrichter auf einen weiteren Schiedsrichter als Obmann einigen ( Fasching , Schiedsgericht und Schiedsverfahren 84). Obmann hatte also die Person zu sein, die dies nach dem Willen der beiden anderen Schiedsrichter sein sollte. Wenn die Parteien sich dahin einigten, aus mehreren ihnen geeignet scheinenden Personen die Auswahl durch Losentscheid vorzunehmen, dann kann jedenfalls dann, wenn sie die so ermittelte Person als Obmann akzeptieren und diese Person als den von ihnen gewählten Obmann ansehen, nicht gesagt werden, die Art der Auswahl des Obmanns habe dem Vertrag oder dem Gesetz widersprochen. Der Aufhebungsgrund des § 595 Z 3 ZPO aF liegt daher nicht vor, auch wenn das Vorbringen der Klägerin über die Bestellung des Obmanns richtig sein sollte. Aus diesem Grund waren darüber keine Feststellungen erforderlich.

Zum Grund des § 595 Z 6 ZPO aF führt die Revisionswerberin eingehend aus, dass § 867 ABGB zwingendes Recht sei und das Schiedsgericht gegen diese Vorschrift verstoßen habe. Das Schiedsgericht habe zu Unrecht die Einrede der verspäteten Geltendmachung der Nachtragsforderungen als nicht berechtigt angesehen.

Dazu ist Folgendes zu erwägen:

Das Schiedsgericht begründete seine Ansicht, der Einwand der verspäteten Geltendmachung der Nachtragsforderungen sei nicht berechtigt, damit, dass die Klägerin durch den Bauleiter und den die Bauaufsicht innehabenden Beamten Gespräche über Grund und Höhe der Nachtragsforderungen führte, ohne auf die Verfristung hinzuweisen, weshalb ein allfälliger Mangel in dieser Richtung saniert worden sei (S 15 f der Entscheidung des Schiedsgerichts). Außerdem stehe dem Einwand der Verfristung entgegen, dass die Klägerin einen Teil der Nachtragsforderung anerkannte, was widersinnig wäre, wenn die Ansprüche wegen Verfristung dem Grunde nach nicht zu Recht bestünden (S 16). Der Einwand der Klägerin sei auch deshalb nicht berechtigt, weil sie auf das Schreiben der Beklagten über einen notwendigen Mehraufwand nicht geantwortet habe. Durch dieses Schreiben habe die Beklagte die Mehrkosten rechtswirksam geltend gemacht (S 19), eine verspätete Geltendmachung der Ansprüche liege weder aufgrund der Vorschrift des § 1170a ABGB noch aufgrund des Vertrags vor (S 20 ff).

Die Bestimmung des § 867 ABGB kann nur für die Frage von Bedeutung sein, ob die Forderungen dem Grunde nach anerkannt wurden. Die weiteren Ausführungen des Schiedsgerichts, die Ansprüche seien nicht verfristet, weil die Beklagte die Mehrkosten rechtzeitig schriftlich angemeldet habe, stehen mit den Gültigkeitserfordernissen eines von der klagenden Stadtgemeinde abgeschlossenen Vertrags in keinem Zusammenhang. Selbst wenn daher die Frage eines Anerkenntnisses dem Grunde nach aufgrund der Vorschrift des § 867 ABGB unrichtig gelöst worden sein sollte, wäre dies nicht relevant für das vom Schiedsgericht gefundene Ergebnis, weil das Schiedsgericht noch eine weitere, seiner Ansicht nach tragfähige Begründung gab, für die § 867 ABGB keine Bedeutung hat. Ein Eingehen auf die Revisionsausführungen über den zwingenden Charakter dieser Vorschrift ist daher nicht erforderlich. Die andere vom Schiedsgericht gegebene Begründung verstößt auf keinen Fall gegen zwingende Rechtsvorschriften. Die Richtigkeit der Ansicht des Schiedsgerichts, aufgrund des nicht beantworteten Schreibens der Beklagten seien die Ansprüche nicht verfristet, ist nicht zu erörtern, weil eine unrichtige Anwendung von Vorschriften nicht zwingenden Rechts und eine diesbezügliche unrichtige rechtliche Beurteilung keinen Grund für eine Anfechtung des Schiedsspruchs darstellen würde ( Fasching aaO 155; SZ 18/212 ua).

Aus diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.