JudikaturJustiz2Ob278/48

2Ob278/48 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. November 1948

Kopf

SZ 21/162

Spruch

Die Bedeutung der Vereinbarung, "das Vermögen möge dauernd ruhen".

Entscheidung vom 24. November 1948, 2 Ob 278/48.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Parteien hatten in ihrer Rechtssache vor Gericht "dauerndes Ruhen des Verfahrens" vereinbart. Auf Grund eines Antrages, den der Kläger nach mehr als drei Monaten stellte, beraumte das Gericht eine Streitverhandlung an. Nunmehr beantragte der Beklagte, den klägerischen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zurückzuweisen und die Tagsatzung abzuberaumen.

Das Prozeßgericht wies den Antrag des Beklagten ab.

Das Rekursgericht gab seinem Rekurs Folge, wies den Antrag des Klägers zurück und erklärte die Anberaumung der Tagsatzung für unwirksam.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurse des Klägers keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Entscheidend ist, ob die Vereinbarung, das Verfahren möge dauernd ruhen, als eine zwischen den Parteien vereinbarte Zeit im Sinne des § 169 ZPO. angesehen werden kann oder nicht.

Die Vereinbarung, das Verfahren möge ruhen, ist allerdings kein privatrechtlicher Vertrag, sondern gehört dem Verfahrensrecht an; aber es handelt sich immerhin um eine Vereinbarung der Parteien, bei der also der Wille der Parteien eine entscheidende Rolle spielt und an die die Parteien auch gebunden sind. Vom Standpunkte des Prozeßrechtes ist es in das Belieben der Parteien gestellt, das Verfahren ruhen zu lassen; auch der Zeitraum, innerhalb dessen der Prozeß stillstehen soll, kann von den Parteien bestimmt werden, er darf nur nicht kürzer als drei Monate sein. Die Höchstdauer dieses Stillstandes des Verfahrens ist in keiner Weise beschränkt. Aus den Grundsätzen, die das Prozeßverfahren beherrschen, ergeben sich keine Bedenken, den Stillstand des Verfahrens so lange andauern zu lassen, als es die Streiteile vereinbart haben.

Lautet diese Vereinbarung dahin, daß das Verfahren dauernd ruhen soll, ist damit zum Ausdruck gebracht, daß es von keiner der Parteien mehr aufgenommen werden kann. Die Zeit des Stillstandes ist damit auch bei dauerndem Ruhe eindeutig im Sinne des § 169 ZPO. bestimmt. In ihrer Wirkung kommt eine solche Vereinbarung der Zurücknahme der Klage unter Ausschluß der Kostenersatzpflicht gleich.

Die im Revisionsrekurs vertretene Auffassung, daß auch bei vereinbartem "dauernden Ruhen" das Verfahren nach drei Monaten aufgenommen werden kann, ist unhaltbar, weil der in der Vereinbarung zum Ausdruck gebrachte Verzicht auf die Aufnahme des Verfahrens völlig wirkungslos wäre und die Fortsetzung des Verfahrens der Natur der Sache nach nur im Einklang mit dem Inhalt der getroffenen Vereinbarung erfolgen kann.

Daß die Entscheidung über die Aufnahme eines ruhenden Verfahrens keine bloß prozeßleitende Verfügung ist, bedarf keiner Erörterung.

Dem Revisionsrekurs wurde demnach nicht Folge gegeben.