JudikaturJustiz2Ob217/17a

2Ob217/17a – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. März 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon. Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** T*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei R***** W*****, vertreten durch Ruhri und Partner Rechtsanwälte in Graz, wegen 14.833,33 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. Juli 2017, GZ 2 R 82/17x 32, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 10. November 2016, GZ 4 Cg 63/14f 25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.096,56 EUR (darin enthalten 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die am 26. April 2013 verstorbene Mutter der Streitteile übergab 1999 der Beklagten, die sie dreieinhalb Jahre lang bei der Pflege der eigenen Mutter unterstützt hatte, eine Liegenschaft und behielt sich ein lebenslanges, unentgeltliches Fruchtgenussrecht vor. Die Beklagte verzichtete auf den Pflichtteil. Im Herbst 2010 verzichtete die Mutter auf die Nutzung des Hauses. Ab Februar 2011 vermietete die Beklagte das Haus und lukrierte selbst die Mieteinnahmen.

Die Klägerin macht mit ihrer im März 2014 eingebrachten Klage den Schenkungspflichtteil geltend.

Das Berufungsgericht hob das Verfahren im ersten Rechtsgang zur näheren Prüfung der Argumente der Beklagten für eine Schenkung aus sittlicher Pflicht auf und verwies auf die damals neueste Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu § 785 Abs 3 ABGB (2 Ob 39/14w) betreffend die Anwendung der sogenannten „Vermögensopfertheorie“, weshalb es auf die Frage des rechtsmissbräuchlichen Pflichtteilsverzichts nicht mehr ankomme.

Im zweiten Rechtsgang brachte die Beklagte vor, dass die tatsächliche Übergabe der Liegenschaft durch die Mutter an sie aber bereits 2011 erfolgt sei und sie seither die Mieteinnahmen aus der Liegenschaft lukriert habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Die Mutter habe Anfang 2011 wirksam auf den Fruchtgenuss verzichtet. Auch eine Schenkung aus sittlicher Pflicht sei zu bejahen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es verwarf die Beweisrüge und führte aus, dass die ursprüngliche Aufhebung nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO erfolgt und das Vorbringen über die tatsächliche Übergabe 2011 daher zulässig erstattet worden sei. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs reiche ein wirksamer Verzicht auf den Fruchtgenuss für den Eintritt des „Vermögensopfers“ und damit die tatsächliche Übergabe iSd § 785 Abs 3 ABGB. Dies sei hier 2011 erfolgt. Auf die Frage der sittlichen Pflicht der Schenkung komme es daher nicht mehr an. Die Revision ließ es nachträglich zu, weil auch die Ansicht vertreten werden könnte, der Streitpunkt des § 785 Abs 3 ABGB sei mit dem Aufhebungsbeschluss abschließend erledigt worden.

Darauf stützt sich die Klägerin nun in ihrer Revision und macht weiters geltend, dass nur die Löschung des Fruchtgenusses im Grundbuch als ausreichender, publizitätswirksamer Verzicht eingestuft werden könne. Ein solcher liege hier nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage ab:

Voranzustellen ist, dass aufgrund des Todeszeitpunkts der Mutter hier die relevanten Rechtsnormen des ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 anzuwenden sind (§ 1503 Abs 7 Z 2 ABGB).

1. Die Frage, ob im Zusammenhang mit § 785 Abs 3 ABGB für den Eintritt des „Vermögensopfers“ bei Verzicht auf ein verbüchertes Fruchtgenussrecht auch die Löschung im Grundbuch erforderlich ist, hat der Senat bereits – wie auch das Berufungsgericht ausführt – in 2 Ob 35/17m dahin entschieden, dass es auf die Einigung inter partes ankommt und die Löschung im Grundbuch nicht erforderlich ist. Das Rechtsmittel enthält keine Argumente für eine weitere Prüfung dieser Frage.

2. Das Berufungsgericht hat in seinem Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang ausgeführt, dass aufgrund der neuesten Judikatur des Obersten Gerichtshofs zum „Vermögensopfer“ die Schenkung wegen des Vorbehalts des Fruchtgenusses ohnehin erst mit deren Tod als „gemacht“ iSd § 785 Abs 3 ABGB anzusehen sei, sodass die Frage des rechtmissbräuchlichen Verzichts auf den Pflichtteil nicht mehr geprüft werden müsse.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, das Berufungsgericht habe durch diese Begründung abschließend zum Ausdruck bringen wollen, dass die Übergeberin das Vermögensopfer wegen des ihr vorbehaltenen Fruchtgenussrechts bis zu ihrem Tod nicht erbrachte, ist für die Klägerin nichts gewonnen: Dieses Thema war nie Gegenstand des Verfahrens erster Instanz im ersten Rechtsgang. Im ersten Rechtsgang gingen vielmehr sowohl die Parteien als auch das Erstgericht davon aus, dass trotz des eingeräumten Fruchtgenussrechts die 1999 vollzogene Übergabe der Liegenschaft maßgeblicher Zeitpunkt war. Die erstmals vom Berufungsgericht in seinem im ersten Rechtsgang gefassten Aufhebungsbeschluss thematisierte neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs war daher jedenfalls gemäß § 182a ZPO erörterungsbedürftig. Die Frage, wann das Vermögensopfers im Sinn der vom Berufungsgerichts zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erbracht wurde, konnte daher auch nicht „abschließend erledigter“ Streitpunkt sein.

3. Den zunächst erhobenen Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit des Pflichtteilsverzichts der Beklagten hielt die Klägerin bereits in ihrer Berufung nicht mehr aufrecht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da die Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente der Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.