JudikaturJustiz2Ob2148/96p

2Ob2148/96p – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Dezember 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Kärnten, vertreten durch Dr.Wolfgang Tautschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Emma A*****, vertreten durch den Sachwalter Dr.Wolfgang Flucher, Rechtsanwalt in Villach, wegen S 20.000,-- sA und Feststellung (Streitwert S 51.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 10.April 1996, GZ 3 R 123/96g-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 5.März 1996, GZ 9 C 683/95k-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte befindet sich seit 27.3.1993 als Pflegefall in einer Krankenanstalt für chronisch Kranke. Bis zum 31.12.1992 berichtigte sie die Pflegegebühren aus eigenem Vermögen. Seit Jänner 1993 werden die Kosten aus Mitteln der Sozialhilfe des Landes Kärnten getragen. Ein Teil davon wird durch den dem Land Kärnten gemäß § 324 Abs 3 ASVG zufließenden 80 %igen Anteil des Pensionsbezuges der Beklagten gedeckt. Zum 31.1.1995 ergab sich ein ungedeckter Pflegekostensaldo von S 106.862,30.

Die Beklagte wird durch die Krankenanstalt medizinisch voll versorgt. Sie hat keine konkreten Bedürfnisse im Hinblick auf andere bzw alternative Heilbehandlungen. Sie verbraucht monatlich etwa S 300,-- für den persönlichen Bedarf. In naher Zukunft sind konkrete, durch die Heimunterbringung nicht gedeckte Bedürfnisse der Beklagten nicht zu erwarten.

Zum 31.1.1993 wies ihr Patientenkonto bei der Krankenanstalt ein Guthaben von S 38.595,40 auf. Weiters verfügte sie zum 7.1.1993 über ein Sparbuch mit einem Einlagestand von S 21.351,36. Seitdem wuchs ihr Guthaben auf dem Patientenkonto zum 27.11.1995 auf S 43.556, auf dem Sparbuch bis Juni 1995 auf S 118.548,81. Der Sachwalter der Beklagten hat nämlich den verbleibenden 20 %igen Anteil am Pensionsbezug sowie die Sonderzahlungen nicht für sie verbraucht, sondern auf ein Sparbuch gelegt.

Die Klägerin begehrt aus diesem Vermögen als Rückersatz der offenen Sozialhilfeleistungen S 20.000,-- sA mit der Begründung, die angesparten und nicht verbrauchten Pensionsbezugsteile seien als kostenersatzfähiges Vermögen anzusehen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage im wesentlichen mit der Begründung, bei ihren Ersparnissen handle es sich um nicht regreßfähiges Vermögen.

Nach Aufhebung des klagsabweisenden Urteils im ersten Rechtsgang stellte die Beklagte im zweiten Rechtsgang den Zwischenantrag, es werde festgestellt, "daß der der Beklagten verbleibende von der Legalzession des § 324 Abs 3 ASVG ausgenommene 20%ige Anteil am Pensionsbezug und die Sonderzahlungen auch ohne nachgewiesenen Bedarf kein ersatzpflichtiges Einkommen oder Vermögen im Sinne des § 37 des Kärntner Sozialhilfegesetzes darstellt".

Das Erstgericht hat mit einem in das Urteil aufgenommenen Beschluß zunächst diesen Zwischenantrag auf Feststellung mangels Präjudizialität zurückgewiesen und im übrigen dem Klagebegehren stattgegeben.

Es erörterte rechtlich, daß nach § 37 des Kärntner Sozialhilfegesetzes der Hilfeempfänger zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet sei, wenn er ua zu hinreichendem Vermögen gelangt oder wenn bekannt wird, daß er zur Zeit der Hilfeleistung ausreichendes Vermögen hatte. Zu beachten sei jedoch, daß der Ersatz insoweit nicht verlangt werden dürfe, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet würde, bzw daß verwertbares Vermögen nur soweit berücksichtigt werden dürfe, als dies mit dem Sinn der Sozialhilfe vereinbar sei oder für den Hilfebedürftigen keine besondere Härte bedeute.

Die Beklagte habe ab dem Zeitpunkt des Beginnes der Hilfeleistung weitere Ersparnisse angesammelt und sei somit zu weiterem Vermögen gelangt. Zur Ansammlung dieses Vermögens sei es durch Nichtverbrauch gekommen, ohne daß es dafür triftige Gründe gebe. Anhaltspunkte dafür, daß durch die Geltendmachung des Rückersatzanspruches der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet sei, bzw daß dies für die Beklagte eine besondere Härte bedeute, lägen nicht vor, weshalb dem Klagebegehren stattzugeben sei.

Das Berufungsgericht hat der von der Beklagten gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung sowie dem als Berufung gegen die Zurückweisung des Zwischenantrages auf Feststellungen anzusehenden Rekurs nicht Folge gegeben und sie in ihrem Punkt 1.) (Beschluß über die Zurückweisung des Zwischenantrags auf Feststellung) mit der Maßgabe bestätigt, daß sie als Urteil zu lauten habe, "der Zwischenantrag auf Feststellung, daß die von der Beklagten aus dem von der Legalzession des § 324 Abs 3 ASVG ausgenommenen 20%igen Anteil am Pensionsbezug und der Sonderzahlungen angesammelten Ersparnisse auch ohne nachgewiesenen Bedarf kein ersatzpflichtiges Einkommen oder Vermögen im Sinne des § 37 des Kärntner Sozialhilfegesetzes darstellen, wird abgewiesen."

Es erörterte zunächst rechtlich, daß der von der Beklagten formulierte Zwischenfeststellungsantrag in seiner wörtlichen Fassung zwar keine über den konkreten Prozeß hinausgehende rechtlichen Wirkungen zeige, weil ohnedies schon durch die gesetzliche Regelung (gemeint anscheinend: des § 324 Abs 3 ASVG) klargestellt sei, daß die dort vorgesehenen jeweiligen monatlichen "Freibeträge" und Sonderzahlungen an sich dem Zugriff des Trägers der Sozialhilfe entzogen seien. Hier gehe es jedoch darum, ob Ersparnisse, die ausschließlich dadurch zustandegekommen seien, daß die der Beklagten überlassenen, von der Legalzession nicht erfaßten Teile des Pensionsbezuges nicht verbraucht, sondern durch Erlag auf ein Sparbuch angesammelt worden seien, ein hinreichendes Vermögen darstellten, das zum Ersatz der vom Träger der Sozialhilfe aufgewendeten Pflegekosten herangezogen werden kann. In diesem Sinne sei der Zwischenantrag auf Feststellung zu verstehen und von Amts wegen zu ergänzen. Der Entscheidung über ein solches Begehren komme aber eine über den konkreten Rechtsstreit hinausgehende präjudizielle Bedeutung zu.

In der Sache vertrat das Berufungsgericht die Meinung, daß ein auf die genannte Art und Weise erspartes Vermögen im Sinne des § 37 des Kärntner Sozialhilfegesetzes zum Ersatz der vom Träger der Sozialhilfe aufgewendeten Pflegekosten verwendet werden könne, wenn es sich um ein "hinreichendes" Vermögen handle und durch das Verlangen auf Ersatz der Erfolg der Hilfeleistung nicht gefährdet würde, also soweit konkret eine über die Heimunterbringung noch hinausgehende sonstige Fürsorgebedürftigkeit bestehe. Ein derartiger Nachweis sei nicht erbracht worden.

Das modifizierte Zwischenfeststellungsbegehren sei daher abzuweisen.

Zur Berufung gegen das Leistungsbegehren führte das Berufungsgericht aus, den angesammelten Ersparnissen der Beklagten stünden dagegen nur geringfügige monatliche Bedürfnisse gegenüber. Es lägen daher die Voraussetzungen dafür vor, der Klägerin aus diesem ersparten Vermögen einen Teil der von ihr getragenen Pflegekosten, die durch die aufgrund der Legalzession an sie überwiesenen Beträge noch nicht vollständig gedeckt seien, mit dem Teilbetrag von S 20.000,-- zu ersetzen.

Das Berufungsgericht bewertete das Feststellungsbegehren im Hinblick auf die noch zu erwartenden Pflegekosten mit einem S 50.000,-- übersteigenden Betrag und sprach asu, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der hier zu behandelnden Rechtsfrage fehle.

Die Beklagte vertritt in ihrem gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Rechtsmittel die Ansicht, daß das aus den 20%igen Pensionsanteilen und Sonderzahlungen angesparte Guthaben kein regreßfähiges Vermögen nach § 37 Abs 1 des Kärntner Sozialhilfegesetzes darstelle, weil nach dem Gesetzeswortlaut der §§ 324 Abs 3 ASVG bzw 105 GSVG und 185 Abs 3 ASVG 20 % der zuerkannten Pension zur Deckung der durch die Heimunterbringung nicht gedeckten persönlichen Bedürfnisse zu verbleiben haben.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

§ 324 Abs 3 ASVG bestimmt, daß für die Zeit der Anstaltspflege der Anspruch auf Rente (Pension) bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH der Rente (Pension) auf den Träger der Sozialhilfe übergeht, wenn ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe in einem Alters(Siechen)heim.... oder einer ähnlichen Einrichtung... verpflegt wird. Die zeitlich kongruenten Ansprüche unterliegen daher nach allgemeiner Ansicht der Legalzession (SSV-NF 4/89, Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht 538; Selb in Tomandl, System des Österreichischen Sozialversicherungsrechtes 5.2.1.1.2.; Teschner/Widlar, MGA 39a Anm 9a und 11 zu § 324 ASVG).

Nach § 37 Abs 1 des hier maßgeblichen Kärntner Sozialhilfegesetzes ist der Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt oder wenn nachträglich bekannt wird, daß er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte. Der Ersatz darf insoweit nicht verlangt werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet würde.

Unbestritten ist, daß durch die wirksam gewordene Legalzession der Pflegeaufwand der Beklagten nicht zur Gänze abgedeckt werden konnte.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mit ausführlicher Begründung dargelegt, daß § 324 Abs 3 ASVG den Fürsorgeträger (die Klägerin) nicht daran hindert, von dem Pflegling oder dessen unterhaltspflichtigen Verwandten den Ersatz des durch die Sozialversicherung nicht gedeckten Aufwandes zu begehren (SZ 35/75). In der zu EvBl 1968/423 veröffentlichten Entscheidung wurde an dieser Rechtsansicht festgehalten und ausdrücklich ausgesprochen, daß es dem Fürsorgeträger nicht verwehrt sein könne, nach dem Tod des Befürsorgten zur Deckung des Verpflegskostenanspruches auf die angesparten, von der Legalzession nicht erfaßten Teil der Pension zu greifen. Nach dem Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung zur Regierungsvorlage (613 BlgNR VII, GP) solle durch die Fürsorgeträger nicht so weit auf die Versicherungsleistungen gegriffen werden, daß der Versicherte seinen Lebensunterhalt nicht mehr decken könne und dann neuerlich auf die Fürsorge angewiesen wäre. Nach dem Tode des Befürsorgten höre dessen Fürsorgebedürftigkeit jedenfalls auf, weshalb zur Deckung der aushaftenden Pflegegebühren auf den Nachlaß gegriffen werden könne.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH Slg A 7091) hat dazu ebenfalls dargelegt, daß Ersparnisse einer Befürsorgten, die aus dem durch die Legalzession nicht erfaßten Teil einer Rente bzw Pension herrühren, als verwertbares Vermögen anzusehen sind, das der Hilfsbedürftige einsetzen müsse, ehe ihm die Fürsorge Hilfe gewähre.

Nach neuerlicher Prüfung der Rechtslage folgt der erkennende Senat der in den wiedergegebenen Entscheidungen zum Ausdruck kommenden Rechtsansicht. Sie bedenkt für den hier zu entscheidenden Fall, daß Ersparnisse eines Empfängers von Sozialhilfe, die aus dem durch die Legalzession der Sozialversicherungsgesetze nicht erfaßten Teil der Rente oder Pension herrühren, als Vermögen im Sinne des § 37 des Kärntner Sozialhilfegesetzes anzusehen sind. Sie können daher zum Ersatz der Pflegekosten herangezogen werden, soweit dadurch der Erfolg der Hilfeleistung nicht gefährdet wird.

Hier hat die Beklagte Ersparnisse von über S 100.000,-- angesammelt, denen konkrete Bedürfnisse gegenüberstehen, die mit durchschnittlich S 300,-- monatlich abgedeckt werden können. Bei diesem Sachverhalt erscheint es gerechtfertigt, die nicht gedeckten Pflegekosten teilweise mit dem begehrten Betrag von S 20.000,-- abzudecken. Eine Gefährdung der Hilfe der Pflegebedürftigen durch den Zugriff auf einen Teil ihrer Ersparnisse scheint ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

Rechtssätze
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