JudikaturJustiz2Ob139/20k

2Ob139/20k – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. September 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2017 verstorbenen DI Dr. E* P*, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. Dr. K* K*, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, 2. C* S*, 3. A* S* und 4. mj E* P*, vertreten durch die Eltern M* P* und DI N* P*, sämtliche vertreten durch Lippitsch.Hammerschlag Rechtsanwälte GmbH in Graz, sowie 5. N* P* und 6. J* P*, beide vertreten durch Dr. Helmut Destaller und andere Rechtsanwälte in Graz, über den Revisionsrekurs des Fünftantragstellers und der Sechstantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 28. Mai 2020, GZ 1 R 105/19i 111, womit infolge der Rekurse der Erstantragstellerin und der Zweit- bis Viertantragstellerinnen der Beschluss des Bezirksgerichts St. Veit an der Glan vom 26. Juni 2019, GZ 1 A 535/17x 97, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Der am * 2017 verstorbene Erblasser war kinderlos und nicht verheiratet. Er hinterließ an gesetzlichen Erben seine Eltern, den Fünftantragsteller und die Sechstantragstellerin.

[2] Der Erblasser befand sich vom 6. 9. 2017 bis 3. 10. 2017 in stationärer Spitalsbehandlung. Am 18. 9. 2017 wurde er von der Abteilung für Gastroenterologie auf die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie überstellt. Für den 19. 9. 2017 bestellte er die – auch im gegenständlichen Verlassenschaftsverfahren zunächst als Gerichtskommissärin tätig gewesene – Notarin zu sich und bat sie um Errichtung eines Testaments. Das Testament wurde von der Notarin per Computerausdruck „fremdhändig“ errichtet. Es wurde vom Verstorbenen mit dem Zusatz „Das ist mein letzter Wille“ unterfertigt. Ebenso unterschrieben die Notarin und zwei weitere Personen jeweils mit dem Beisatz „als Testamentszeuge“ bei ihren bereits vorgedruckten Namen. Eine Adresse oder das jeweilige Geburtsdatum der Zeuginnen scheinen im Testament nicht auf.

[3] In diesem Testament setzte der Erblasser die Erstantragstellerin zur Hälfte und die Zweit- bis Viertantragstellerinnen je zu einem Sechstel als Erben ein.

[4] Der Fünftantragsteller und die Sechstantragstellerin gaben bedingte Erbantrittserklärungen je zur Hälfte aufgrund des Gesetzes ab. Sie bestritten die formelle Gültigkeit des Testaments, weil die Identität der Zeuginnen mangels Anführung von Geburtsdatum oder Adresse nicht aus der Urkunde hervorgehe. So fänden sich etwa auf facebook.com 48 verschiedene Personen mit dem Namen einer Zeugin. Darüber hinaus seien nicht alle drei Zeuginnen bei Unterfertigung des Testaments durch den Erblasser gleichzeitig anwesend gewesen. Der Erblasser sei aufgrund seines Alkoholmissbrauchs auch nicht mehr testierfähig gewesen.

[5] Die Erstantragstellerin gab aufgrund des Testaments ohne Nennung einer Quote eine bedingte Erbantrittserklärung ab. Sie wendete ein, das Testament sei formgültig. Bei den Testamentszeuginnen handle es sich – wie auch dem Fünftantragsteller und der Sechstantragstellerin bekannt sei – um die auch im gegenständlichen Verlassenschaftsverfahren zunächst als Gerichtskommissärin tätig gewesene Notarin und deren Mitarbeiterinnen. Die Zeuginnen seien alle gleichzeitig zugegen und der Erblasser sei testierfähig gewesen.

[6] Die Zweit- bis Viertantragstellerinnen gaben aufgrund des Testaments bedingte Erbantrittserklärungen zu je einem Drittel des Nachlasses ab. Sie brachten vor, die im Testament enthaltene Bedingung, dass die Lebensgemeinschaft des Erblassers mit der Erstantragstellerin aufrecht sei, sei nicht erfüllt.

[7] Im Verfahren über das Erbrecht stellte das Erstgericht das Erbrecht des Fünftantragstellers und der Sechstantragstellerin je zur Hälfte aufgrund des Gesetzes fest und wies die aufgrund des Testaments vom 19. 9. 2017 abgegebenen Erbantrittserklärungen der übrigen Antragstellerinnen ab. Das Testament sei nicht formgültig, weil die Identität der Zeugen aus der Urkunde nicht hervorgehe und es somit den Anforderungen des § 579 Abs 2 ABGB nicht genüge.

[8] Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der (ordentliche) Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht war der Ansicht, Zusatzangaben zur Klärung der Identität der Testamentszeugen seien im Sinne des favor testamenti für die Gültigkeit des Testaments nur dann erforderlich, wenn sonst keine Identifizierung der Zeugen möglich sei. Im vorliegenden Fall sei den Eltern des Erblassers bekannt, dass eine der Zeuginnen Notarin sei. Sie hätten auch nicht in Zweifel gezogen, dass es sich bei den beiden anderen Zeuginnen um die Mitarbeiterinnen der Notarin handle. Das Testament sei demnach formgültig, weil die Identität der drei problemlos „auffindbaren“ Testamentszeuginnen zweifelsfrei feststehe. Dass aus dem Testament lediglich die Namen, nicht aber die Geburtsdaten oder die (Berufs-)Adressen hervorgingen, schade im vorliegenden Fall nicht. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht nach diesbezüglicher Verfahrensergänzung Feststellungen zur behaupteten Testierunfähigkeit des Erblassers zu treffen haben.

[9] Das Rekursgericht begründete die Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses damit, dass zur Frage, ob es als Voraussetzung für die formelle Gültigkeit eines fremdhändig geschriebenen Testaments, aus dem nur Vor- und Zunamen der Testamentszeugen hervorgingen, genüge, wenn deren Identitäten (auch mit der Berufsadresse) bekannt seien, keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs vorliege.

[10] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Fünftantragstellers und der Sechstantragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass ihr Erbrecht je zur Hälfte des Nachlasses festgestellt und die Erbantrittserklärungen der weiteren Antragsteller abgewiesen werden.

[11] Die Erstantragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Die Zweit- bis Vierantragstellerinnen beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] Der Revisionsrekurs ist zur weiteren Klarstellung der Rechtslage zulässig . Er ist aber nicht berechtigt .

[13] 1. Nach § 579 Abs 2 Satz 1 ABGB (idF des ErbRÄG 2015) haben bei einem fremdhändigen Testament die Zeugen, deren Identität aus der Urkunde hervorgehen muss, auf der Urkunde mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden und eigenhändig geschriebenen Zusatz zu unterschreiben.

[14] Die Materialien (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 9 f) führen dazu – soweit hier von Relevanz – Folgendes aus: „Um die Zeugen identifizierbar und damit ihre Eignung überprüfbar zu machen, muss aus der letztwilligen Verfügung jeweils deren Identität, insbesondere deren Vor- und Familienname sowie das Geburtsdatum oder die (Berufs-)Adresse, hervorgehen.“

[15] 2. Der Fachsenat des Obersten Gerichtshofs hat sich mittlerweile in der ausführlich begründeten Entscheidung 2 Ob 86/21t = RS0133647 der überwiegenden Meinung im Schrifttum angeschlossen und ausgesprochen, dass selbst die Nichtanführung der in den Materialien zu § 579 Abs 2 Satz 1 ABGB genannten Kriterien zur Identifizierbarkeit der Testamentszeugen („Geburtsdatum, [Berufs ]Adresse“) noch nicht automatisch zur Ungültigkeit des Testaments führt. Das Gesetz schreibt nur vor, dass die Identität der Zeugen aus der Urkunde hervorgehen muss. Wann dies jeweils der Fall ist, sagt das Gesetz nicht und ist daher nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (2 Ob 86/21t).

[16] In dem der genannten Entscheidung zugrunde gelegenen Fall waren die Zeugen in der Urkunde als „öffentlicher Notar“ bzw als „Notariatsangestellte“ bezeichnet worden und es war auch deren Berufsadresse angegeben, was als ausreichend erachtet wurde.

[17] 3. Im vorliegenden Fall steht zwar fest, dass die Notarin das Testament sowohl errichtete als auch als Zeugin unterfertigte. Auf der Urkunde sind jedoch lediglich ihr Name und die Namen der beiden weiteren Zeuginnen samt Zeugenzusatz vorgedruckt angeführt. Andere Identitätsmerkmale wurden nicht beigefügt. Es ist daher zu prüfen, ob auch diese Angaben den Anforderungen des § 579 Abs 2 Satz 1 ABGB genügen.

4. Dies ist zu bejahen. Auch durch die bloße Unterschrift kann die Identifizierung eines Testamentszeugen möglich sein:

[18] 4.1 Zur Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 wurden nach verbreiteter Auffassung auch unleserliche Unterschriften als für eine Zeugenunterschrift ausreichend angesehen, lediglich bloße Handzeichen sollten in der Regel nicht genügen ( Tschugguel in Klang³ § 579 Rz 10 mwN).

[19] 4.2 Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 579 Abs 2 Satz 1 ABGB nF muss nun die Identität der Zeugen aus der Urkunde selbst hervorgehen. Es reicht daher nicht aus, wenn die Zeugen aufgrund anderer Umstände identifiziert werden können. Ob die Testamentszeugen den Erbansprechern bekannt sind, ist daher nicht entscheidend.

[20] 4.3 Allerdings ist die Identifizierung eines Testamentszeugen auch allein anhand seiner lesbaren Unterschrift oder auch einer unlesbaren Unterschrift im Zusammenhang mit der lesbaren Angabe seines Namens (zB in Maschinschrift) möglich. In beiden Fällen liegt mit der Unterschrift (genauer: mit dem Schriftzug) ein aus der Urkunde selbst hervorgehendes Identitätsmerkmal vor, das durch Schriftvergleich die Identifizierung des Zeugen ermöglicht. Dafür kann auch der eigenhändige Zeugenzusatz herangezogen werden.

[21] 4.4 Im Verfahren über das Erbrecht liegt es in derartigen Fällen an den Testamentserben, die sich auf die Formgültigkeit des Testaments berufen, Vorbringen zur Identität der Testamentszeugen zu erstatten und im Bestreitungsfall den Beweis durch einen Schriftvergleich zu führen. Diese Beweislast deckt sich mit jener der Testamentserben, wenn die Echtheit des Testaments bestritten worden ist (vgl 2 Ob 78/17k SZ 2017/109; RS0131725), allerdings kann der Beweis der Echtheit dort auf beliebige Weise geführt werden.

[22] 5. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

[23] 5.1 Die Zeuginnen unterschrieben bei ihren bereits vorgedruckten Namen, weshalb es auf die Lesbarkeit oder Unlesbarkeit ihrer Unterschrift nicht entscheidend ankommt.

[24] 5.2 Konkretes Vorbringen zur Identität der Zeuginnen hat bisher nur die Erstantragstellerin erstattet, nicht aber die Zweit- bis Viertantragstellerinnen. Der Fünftantragsteller und die Sechstantragstellerin äußerten sich zur Identität der Zeugen – mit Ausnahme der Notarin – nicht.

[25] 5.3 Ausgehend von der dargelegten Rechtslage kommt jedoch dem Umstand, ob die Identität der Zeugen strittig ist, Bedeutung zu (siehe Punkt 4.4). Eine Erörterung mit den Antragstellern ist insoweit bisher unterblieben. Es ist daher erforderlich, ihnen Gelegenheit zu geben, ihr diesbezügliches Vorbringen zu ergänzen.

[26] 6. Damit hat es im Ergebnis bei der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung zu bleiben, sodass der Revisionsrekurs erfolglos bleibt. Im fortgesetzten Verfahren ü ber das Erbrecht wird das Erstgericht die Sach- und Rechtslage mit den Antragstellern zu erörtern und ihnen Gelegenheit zu klaren Äußerungen zur Frage der Identität der Zeugen einzuräumen haben. Bleibt deren Identität strittig, werden die Testamentserben den Beweis durch einen Schriftvergleich zu führen haben. Darüber hinaus wird zu beachten sein , dass neben der Frage der Testierfähigkeit des Erblassers auch der Einwand des Fünft antragstellers und der Sechstantragstellerin, die drei Zeuginnen seien bei der Errichtung des Testaments nicht gleichzeitig anwesend gewesen, von beiden Vorinstanzen noch nicht behand elt worden ist.

[27] Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 78, 185 AußStrG.