JudikaturJustiz2Ob126/18w

2Ob126/18w – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2015 verstorbenen E***** T*****, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. M***** S*****, 2. T***** S*****, 3. S***** K*****, alle vertreten durch Dr. Christian Margreiter, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, 4. Verlassenschaft nach der am ***** 2017 verstorbenen E***** S*****, vertreten durch Mag. Harald Rossmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, sowie 5. R***** N*****, vertreten durch Mag. Alexander Doerge, Rechtsanwalt in Innsbruck, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Fünftantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 8. Februar 2018, GZ 53 R 124/17z 97, womit infolge der Rekurse der Erst bis Viertantragsteller der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 10. November 2017, GZ 3 A 458/15v 89, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Fünftantragstellerin ist jeweils binnen 14 Tagen schuldig, dem Erstantragsteller dessen mit 1.278,28 EUR (darin 213,05 EUR USt), dem Zweitantragsteller dessen mit 1.278,28 EUR (darin 213,05 EUR USt), der Drittantragstellerin deren mit 852,17 EUR (darin 142,03 EUR USt) und der Viertantragstellerin deren mit 2.315,87 EUR (darin 385,98 EUR USt) bestimmte Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der am ***** 2015 verstorbene Erblasser hinterließ seine Schwester K***** S*****, den Neffen P***** T*****, Sohn des vorverstorbenen Bruders F***** T*****, sowie die Nichten S***** K***** (Drittantragstellerin) und E***** S***** (Viertantragstellerin), Töchter der vorverstorbenen Schwester H***** K*****. Der Erst- und der Zweitantragsteller sind die Söhne der K***** S*****.

In seiner am 1. 10. 2012 errichteten letztwilligen Verfügung hatte der Erblasser die Schwester K***** S***** und seine Haushälterin R***** N***** (Fünftantragstellerin) zu gleichen Teilen als Erbinnen seines gesamten Nachlasses eingesetzt. Damals war die Sehkraft des Erblassers bereits derart eingeschränkt, dass er den maschinengeschriebenen Text der Verfügung nicht lesen konnte. Die Urkunde wurde von einem Rechtsanwalt verfasst und in Anwesenheit zweier Testamentszeuginnen, die zuvor den Text eingesehen hatten, dem Erblasser von einem Rechtsanwaltsanwärter vorgelesen. Der Erblasser bestätigte mündlich, dass der Inhalt seinem letzten Willen entspreche. Die Zeuginnen und der Rechtsanwaltsanwärter unterfertigten die Urkunde jeweils mit Hinweis auf ihre Zeugeneigenschaft. Der Erblasser unterschrieb die Urkunde nicht.

Im Verlassenschaftsverfahren fanden mehrere Tagsatzungen beim Gerichtskommissär statt. Im Zuge derer erklärte der Neffe P***** T*****, sich zugunsten der in der letztwilligen Verfügung bedachten Schwester des Erblassers und der Fünftantragstellerin des Erbrechts zu entschlagen und das Erbrecht an diese unentgeltlich zu veräußern, was von den Beschenkten angenommen wurde. Die eingesetzte Schwester entschlug sich zugunsten ihrer Söhne des Erbrechts und erklärte, ihnen das Erbrecht zu je einem Viertel unentgeltlich zu veräußern, was von diesen angenommen wurde. Noch vor ihrem Ableben gab E***** S***** die bedingte Erbantrittserklärung aufgrund des Gesetzes zu einem Sechstel des Nachlasses ab. Auch die Drittantragstellerin gab eine derartige Erbantrittserklärung ab. Der Erst und der Zweitantragsteller gaben jeweils bedingte Erbantrittserklärungen aufgrund des Gesetzes, in eventu aufgrund des Testaments vom 1. 10. 2012, zu einem Viertel ab. Die Fünftantragstellerin gab die bedingte Erbantrittserklärung aufgrund des Testaments vom 1. 10. 2012 zur Hälfte des Nachlasses ab.

Im Verfahren über das Erbrecht bestritten die Erst bis Viertantragsteller die Echtheit und die Gültigkeit des Testaments vom 1. 10. 2012. Es handle sich offenkundig um ein fremdhändiges schriftliches Testament, welches der Verstorbene nicht unterzeichnet habe und das daher ungültig sei.

Das Erstgericht stellte aufgrund des Testaments vom 1. 10. 2012 das Erbrecht des Erstantragstellers und des Zweitantragstellers jeweils zu einem Viertel sowie das Erbrecht der Fünftantragstellerin zur Hälfte fest. Die übrigen Erbantrittserklärungen wies es ab. Sämtliche Voraussetzungen für die Formgültigkeit des Testaments eines Leseunfähigen seien gegeben.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es aufgrund des Gesetzes das Erbrecht des Erstantragstellers und des Zweitantragstellers jeweils zu einem Viertel und das Erbrecht der Drittantragstellerin und der Viertantragstellerin jeweils zu einem Sechstel feststellte. Die Erbantrittserklärung der Fünftantragstellerin wies es ab. Das Testament vom 1. 10. 2012 sei mangels Unterfertigung durch den Erblasser ungültig. Die Fünftantragstellerin habe bisher keine Erbantrittserklärung aufgrund des Gesetzes hinsichtlich des ihr im Schenkungsweg übertragenen Sechstels des Nachlasses abgegeben, sodass darüber derzeit keine Entscheidung getroffen werden könne.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Fünftantragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Die übrigen Antragsteller beantragen in ihren durch den Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortungen, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig , weil die von der Rechtsmittelwerberin aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine fremdhändige letztwillige Verfügung einer Person, die nicht lesen kann, neben den in § 581 ABGB aF geforderten Förmlichkeiten auch der Einhaltung jener nach § 579 ABGB aF, insbesondere der eigenhändigen Unterschrift des Erblassers, bedarf, vom Obersten Gerichtshof bisher nicht entschieden wurde. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt .

Die Fünftantragstellerin vertritt die Auffassung, in der für leseunfähige Erblasser geltenden Sondervorschrift des § 581 ABGB aF werde, anders als in jener des § 580 ABGB aF für schreibunfähige Erblasser, nicht auf die in den §§ 579 und 580 ABGB aF vorgeschriebenen Förmlichkeiten verwiesen. Daher sei davon auszugehen, dass in den Fällen des § 581 ABGB aF insbesondere die eigenhändige Unterfertigung des Erblassers keine Voraussetzung für eine formgültige Erklärung des letzten Willens sei. Vielmehr bestehe nur das Formerfordernis der Bekräftigung durch den Erblasser, dass der Aufsatz seinem Willen entspreche.

Hiezu wurde erwogen:

1. Aufgrund des Todeszeitpunkts des Erblassers ist noch die Rechtslage vor Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) maßgeblich (§ 1503 Abs 7 Z 2 ABGB).

Die im vorliegenden Fall auszulegenden gesetzlichen Bestimmungen lauten unter der Überschrift „1. der außergerichtlichen schriftlichen;“ wie folgt:

„§ 578 ABGB. Wer schriftlich, und ohne Zeugen testieren will, der muß das Testament oder Kodizill eigenhändig schreiben und eigenhändig mit seinem Namen unterfertigen. [...]

§ 579 ABGB. Einen letzten Willen, welchen der Erblasser von einer anderen Person niederschreiben ließ, muß er eigenhändig unterfertigen. Er muß ferner vor drei fähigen Zeugen, wovon wenigstens zwei zugleich gegenwärtig sein müssen, ausdrücklich erklären, daß der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte. Endlich müssen sich auch die Zeugen, entweder inwendig oder von außen, immer aber auf der Urkunde selbst, und nicht etwa auf einem Umschlag, mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden Zusatz unterschreiben. Den Inhalt des Testaments hat der Zeuge zu wissen nicht nötig.

§ 580 ABGB. Ein Erblasser, welcher nicht schreiben kann, muß nebst Beobachtung der in dem vorigen Paragraphen vorgeschriebenen Förmlichkeiten, anstatt der Unterschrift sein Handzeichen, und zwar in Gegenwart aller drei Zeugen, eigenhändig beisetzen. [...]

§ 581 ABGB. Wenn der Erblasser nicht lesen kann, so muß er den Aufsatz von einem Zeugen in Gegenwart der anderen zwei Zeugen, die den Inhalt eingesehen haben, sich vorlesen lassen, und bekräftigen, daß derselbe seinem Willen gemäß sei. Der Schreiber des letzten Willens kann in allen Fällen zugleich Zeuge sein, ist aber, wenn der Erblasser nicht lesen kann, von der Vorlesung des Aufsatzes ausgeschlossen.“

2. Wie deren Überschrift zu entnehmen ist, behandeln die §§ 578 bis 583 ABGB aF die außergerichtliche schriftliche Erklärung des letzten Willens. Aus den §§ 578, 579 und 580 ABGB aF ist unmissverständlich abzuleiten, dass eine private schriftliche letztwillige Verfügung jedenfalls der eigenhändigen Unterschrift des Erblassers oder, wenn dieser nicht schreiben kann, der eigenhändigen Beisetzung seines Handzeichens bedarf. Andernfalls läge lediglich eine mündliche Erklärung des Erblassers vor (vgl 1 Ob 749/83 SZ 56/180; auch 3 Ob 913/23 SZ 5/317), durch die aber seit dem FamErbRÄG 2004 (BGBl I 2004/58) eine gültige private letztwillige Verfügung nur noch ausnahmsweise als „Nottestament“ unter den Voraussetzungen des § 597 ABGB aF (nunmehr § 584 ABGB) errichtet werden könnte.

3. Mit den §§ 580 und 581 ABGB aF (nunmehr vereinigt in § 580 ABGB) werden lediglich Sonderregelungen für den Fall der fremdhändigen letztwilligen Verfügung (§ 579 ABGB) getroffen, wenn der Erblasser nicht schreiben und/oder nicht lesen kann (1 Ob 595/80 SZ 53/72). § 581 Satz 1 ABGB aF nimmt schon seinem Wortlaut nach eindeutig auf § 579 ABGB aF Bezug, indem er auf „den Aufsatz“ verweist und von „einem Zeugen“ sowie den „anderen zwei Zeugen“ spricht, die dort genannt sind. § 581 Satz 2 erster Halbsatz ABGB aF, wonach „in allen Fällen“ der Schreiber des letzten Willens zugleich Zeuge sein kann, macht ebenfalls deutlich, dass sich diese Bestimmung auf die vorstehenden §§ 579 und 580 ABGB bezieht. Das fremdhändige Testament eines Leseunfähigen muss daher sowohl den Anforderungen des § 581 ABGB aF als auch jenen des § 579 ABGB aF genügen. Das entspricht auch der einhelligen Meinung in der Lehre (vgl Welser in Rummel/Lukas 4 § 581 ABGB Rz 1, 5 und 6; Eccher in Schwimann/Kodek 4 § 581 ABGB Rz 3; Knechtel in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 581 Rz 1; Tschugguel in Klang 3 §§ 580, 581 ABGB aF Rz 6 f; Weiß in Klang III 2 317). Daher sind auch die in § 579 ABGB angeordneten Unterschriften des Erblassers und der Zeugen erforderlich (vgl auch 2 Ob 121/73 SZ 46/85). Dadurch wird auch der Gefahr eines nachträglichen Unterschiebens entgegengewirkt.

4. Werden die gesetzlichen Formvorschriften nicht eingehalten, führt dies gemäß § 601 ABGB selbst bei klarem und eindeutig erweisbarem Willen des Erblassers zur Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung (RIS Justiz RS0012514; zuletzt 2 Ob 192/17z).

5. Das Testament vom 1. 10. 2012 ist daher mangels Unterfertigung durch den Erblasser ungültig. Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

6. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die private fremdhändige letztwillige Verfügung einer Person, die nicht lesen kann, muss sowohl den Anforderungen des § 581 ABGB aF als auch jenen des § 579 ABGB aF genügen. Daher sind auch die in § 579 ABGB aF angeordneten Unterschriften des Erblassers und der Zeugen erforderlich.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 78, 185 AußStrG. Die Parteien haben den Streitwert einvernehmlich mit 480.417 EUR festgelegt. Kostenbemessungsgrundlage für die Viertantragstellerin ist ein Sechstel davon. Ein Streitgenossenzuschlag gebührt ihr nicht, weil ihr in dritter Instanz nur eine Partei mit gegenläufigen Interessen gegenübersteht. Für die vom selben Rechtsanwalt vertretenen Erst- bis Drittantragsteller beträgt die Bemessungsgrundlage insgesamt zwei Drittel des Gesamtwerts. Ihr Gesamtkostenersatzanspruch ist nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung am Revisionsrekursinteresse aufzuteilen.