JudikaturJustiz2Ob114/13y

2Ob114/13y – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft *****, vertreten durch Dr. Ursula Oys, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Hausverwaltung ***** GmbH, *****, vertreten durch die Dr. Michael Göbel Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 26.716,96 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse richtig 2.858,79 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2013, GZ 2 R 30/13s 19, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 7. Dezember 2012, GZ 19 Cg 65/12y 13, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Abweisung von 1.870,19 EUR sA zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 24.118,71 EUR samt 4 % Zinsen aus 20.920,04 EUR seit 1. 1. 2009, aus 2.039,17 EUR seit 24. 8. 2010 und aus 1.159,50 EUR seit 3. 10. 2012 binnen 14 Tagen zu zahlen.

2. Das Mehrbegehren von 2.598,25 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 8. 2010 wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 11.085,03 EUR (darin enthalten 1.622,33 EUR USt und 1.351,04 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte verwaltete das Haus der klagenden Eigentümergemeinschaft bis Ende 2008.

Die Klägerin brachte vor, die Beklagte habe es verabsäumt, dafür zu sorgen, dass im Jahr 2008 aufgelaufene Zahlungsrückstände zweier Miteigentümer rechtzeitig eingeklagt und für diese Forderungen Anmerkungen nach § 27 Abs 2 WEG erwirkt werden. Nach Ablauf des Vertragsverhältnisses habe die Beklagte die für die Klageführung gegen die säumigen Miteigentümer notwendigen Verwaltungsunterlagen erst zu einem Zeitpunkt übermittelt, als die in § 27 Abs 2 WEG verankerte Sechsmonatsfrist für die Erwirkung von Vorzugspfandrechten bereits abgelaufen sei. Die Forderungen seien daher uneinbringlich. Der Klägerin sei durch die Sorgfaltswidrigkeit der Beklagten ein Schaden in Höhe des Klagsbetrags, der auch frustrierte Klags und Exekutionskosten enthält, entstanden.

Die Beklagte wendete ein, sie habe darauf vertrauen dürfen, dass der von ihr namens der Klägerin betraute Rechtsanwalt alle notwendigen Schritte setzen werde. Dass für die im zweiten Halbjahr 2008 aufgelaufenen Rückstände keine Vorzugspfandrechte erwirkt worden seien, falle in die Verantwortung der Nachfolgeverwaltung.

Das Erstgericht sprach der Klägerin vom ursprünglichen Klagebegehren in Höhe von 26.716,96 EUR sA einen Teilbetrag von 20.856,28 EUR sA zu und wies das Mehrbegehren von 5.860,68 EUR sA ab. Der Verwalter habe dafür Sorge zu tragen, dass das Vorzugspfandrecht rechtzeitig und ausreichend geltend gemacht werde, dem berufsmäßigen Parteienvertreter die erforderlichen Aufträge zu erteilen und deren Ausführung in einem angemessenen Ausmaß zu überwachen. Die Beklagte hafte für die Folgen der Fristversäumung. Der Nachfolgevertretung der Klägerin wäre es aber anhand der von der Beklagten übermittelten Unterlagen möglich gewesen, die am 10. 7. 2009 eingereichten Klagen bereits bis 30. 4. 2009 einzubringen. Diesfalls hätte für die Monate November und Dezember 2008 noch ein Vorzugspfandrecht erwirkt werden können. Die Beklagte hafte daher nur für die Rückstände 1-10/08 und damit verbundene frustrierte Kosten.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht (die Klägerin bekämpfte nur die Abweisung eines Teilbegehrens von 3.990,49 EUR die Abweisung von 1.870,19 EUR erwuchs daher in Rechtskraft) sprach der Klägerin 21.987,98 EUR sA zu und wies ein Mehrbegehren von 4.728,98 EUR sA ab. Die Klägerin habe die maßgeblichen Unterlagen erst am 16. 9. 2009 erhalten. Danach wäre auch die Erwirkung von Vorzugspfandrechten für die Monate November und Dezember 2008 verfristet gewesen. Die Beklagte hafte daher für die im Jahr 2008 entstandenen Rückstände zur Gänze (11.210,75 EUR + 9.709,29 EUR = 20.920,04 EUR), für die damit im Zusammenhang stehenden Klags und Exekutionskosten jedoch nur insoweit, als sie der Klägerin nicht auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten erwachsen wären. Konkret wurden Exekutionskosten in Höhe von 236,45 EUR + 360,55 EUR = 597 EUR zugesprochen und weiters 32 % der Kosten der außergerichtlichen Anteilsverwertung (470,94 EUR). Abgewiesen wurden unter anderem die Mahnklagekosten in Höhe von 2.130,73 EUR.

Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass die Klägerin zu Recht aufzeige, dass die Argumentation, wonach die Kosten zweier Mahnklagen von insgesamt 2.130,73 EUR auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten entstanden wären, zu kurz greife, weil sie bei einer (von der Beklagten verabsäumten) Erlangung von Vorzugspfandrechten in deren Rang zum Zug gekommen wären. Der Schaden der Klägerin umfasse daher entgegen der ursprünglichen Auffassung des Berufungsgerichts auch die Mahnklagekosten.

Die Klägerin macht in ihrer Revision Nichtigkeit, Verfahrensmangel, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Die Klägerin habe das Ersturteil in seinem klageabweisenden Teil im Ausmaß von 3.990,45 EUR bekämpft. Die Berufungsentscheidung habe der Berufung der Klägerin zwar mit einem Teilbetrag von 3.519,56 EUR Folge gegeben, gleichzeitig aber Beträge, die im Ersturteil bereits zuerkannt worden seien (2.387,86 EUR) wieder aberkannt. Das Berufungsurteil sei daher insoweit nichtig. Die Überschreitung der Berufungsanträge durch die Abweisung von erstgerichtlich zugesprochenen und von der Klägerin nicht bekämpften Forderungen begründe auch einen Verfahrensmangel bzw unrichtige rechtliche Beurteilung. Unrichtig sei auch die Teilabweisung von Verfahrenskosten, weil diese vom Vorzugspfandrecht des § 27 WEG umfasst seien, und aktenwidrig der vom Berufungsgericht genannte Betrag der unstrittigen Kosten der außergerichtlichen Anteilsverwertung.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung , der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig , weil das Berufungsgericht gegen § 216 Abs 2 EO verstoßen hat; sie ist teilweise auch berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

1.1. Ein Verstoß gegen das Verschlechterungs-verbot in zweiter Instanz, der als Nichtigkeit geltend zu machen ist, kann sich nur aus dem Vergleich der Sprüche des Erst und des Berufungsurteils in Verbindung mit den Berufungsanträgen ergeben ( Zechner in Fasching/Konecny 2 § 504 ZPO Rz 18).

1.2. Sowohl Klägerin als auch Beklagte haben gegen das erstgerichtliche Urteil berufen (die Klägerin allerdings nur hinsichtlich eines Teils der abgewiesenen Forderung). Die Entscheidung des Erstgerichts ist daher lediglich im Umfang der Abweisung von 1.870,19 EUR in Teilrechtskraft erwachsen. Im Ergebnis war die Berufung der Klägerin erfolgreich, jene der Beklagten war trotz gewisser Verschiebungen bei Einzelposten des Klagsanspruchs im Ergebnis nicht erfolgreich. Es liegt daher keine Verletzung der Rechtskraft oder ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot vor. Dass die Beklagte in ihrer Berufung kein konkretes Vorbringen zu den einzelnen Klagsposten erstattete, gereichte ihr nicht zum Schaden, liegt doch eine umfassende Prüfpflicht des Rechtsmittelgerichts bei Erhebung einer Rechtsrüge vor (RIS Justiz RS0043352). Die von der Klägerin behauptete Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens bzw unrichtige rechtliche Beurteilung ist insoweit daher nicht gegeben.

2.1. Gemäß § 27 Abs 1 Z 1 WEG besteht an jedem Miteigentumsanteil ... ein gesetzliches Vorzugspfandrecht zu Gunsten der Forderungen der Eigentümergemeinschaft gegen den Eigentümer des Anteils. § 216 Abs 2 EO gewährt den gerichtlich bestimmten Prozess- und Exekutionskosten, die durch die Geltendmachung solcher Ansprüche entstanden sind … gleiche Priorität mit dem Kapital.

2.2. Die in Rede stehenden Kosten zweier Mahnklagen von insgesamt 2.130,73 EUR wären wie bereits das Berufungsgericht nachträglich erkannte bei einer Erlangung von Vorzugspfandrechten über die Kapitalforderungen gemäß § 216 Abs 2 EO in deren Rang zum Zug gekommen. Diese Erlangung von Vorzugspfandrechten wurde aber von der Beklagten verabsäumt. Der von ihr verursachte Schaden umfasst daher auch die Mahnklagekosten.

2.3. Die von der Klägerin zusätzlich begehrten Exekutionskosten hat das Berufungsgericht zu Recht abgewiesen, da von den gesamten Exekutionskosten in Bezug auf den betreffenden Schuldner in Höhe von 905,64 EUR bei Einschränkung der Exekution im Fall der Befriedigung im Rang von Vorzugspfandrechten über nicht klagsgegenständliche Forderungen bloß Exekutionskosten von 669,19 EUR angefallen wären und das Berufungsgericht daher zu Recht nur die Differenz von 236,45 EUR zugesprochen hat.

3. Was die zugesprochenen Kosten der außergerichtlichen Anteilsverwertung anlangt, so ergibt sich aus S 11 des erstgerichtlichen Urteils in Zusammenhang mit der Urkunde Beilage ./J tatsächlich der im Berufungsverfahren nicht strittige Betrag von 1.471,70 EUR. Wenn das Erstgericht einen 30%-igen Anteil hievon (unrichtig) mit 529,81 EUR festsetzt, so handelt es sich um einen offensichtlichen Rechenfehler. Die Zuerkennung einer 32%-igen Quote dieses auch vom Erstgericht herangezogenen Gesamtbetrags durch das Berufungsgericht mit 470,94 EUR begründet daher weder eine Aktenwidrigkeit noch Nichtigkeit und gereicht der Klägerin bei Korrektur des Rechenfehlers auch nicht zum Nachteil.

4. Der Revision der Klägerin ist daher (nur) insoweit Folge zu geben, als ihr die Kosten für die Mahnklagen gegen die säumigen Miteigentümer zuzuerkennen sind. Der Klage ist daher mit dem Gesamtbetrag von 24.118,71 EUR sA stattzugeben und das Mehrbegehren von 2.598,25 EUR (unter Einschluss der bereits rechtskräftigen Teilabweisung von 1.870,19 EUR) abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung gründet auf § 43 Abs 1 und 2, §§ 41 und 50 ZPO. In erster Instanz ist die Klägerin mit rund 90 % ihrer Ansprüche durchgedrungen, sodass ihr die Kosten auf Basis des ersiegten Betrags zuzusprechen sind. Im Berufungsverfahren war die Klägerin mit ihrer Berufung zu rund 82 % erfolgreich, hinsichtlich der gegnerischen Berufung zur Gänze, und im Revisionsverfahren zu rund 3/4, sodass ihr die entsprechenden Kostenanteile zu ersetzen sind.