JudikaturJustiz2Nd21/89

2Nd21/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. November 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Nikolaus O***, Angestellter, Pillergasse 6, 1150 Wien, vertreten durch Dr. Egbert Schmid, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Johann S***, Schiffskapitän, Nußallee 24, 2402 Maria Elend, und 2) E***

D***-D***-G***, Handelskai 265, 1021 Wien,

wegen S 230.000,-- s.A., über den Antrag des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, über einen Zuständigkeitsstreit zwischen dem Oberlandesgericht Wien und dem Landesgericht für ZRS Wien zu entscheiden (§ 47 Abs. 1 JN), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Zur Entscheidung über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28. März 1989, GZ. 37 C 360/89y-5, ist das Oberlandesgericht Wien zuständig. Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 11. Mai 1989, GZ. 3 R 84/89-8, wird aufgehoben.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte mit seiner an das Bezirksgericht Tulln als Schiffahrtsgericht gerichteten Klage aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus einem Schiffahrtsunfall auf der Donau bei Greifenstein die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 230.000,-- s.A.

Mit Beschluß vom 15. März 1989 (ON 2) wies das Bezirksgericht Tulln diese Klage im wesentlichen mit der Begründung zurück, Schiffahrtsgericht für die Donau sei ausschließlich das Bezirksgericht Innere Stadt Wien.

Innerhalb der im § 230a ZPO normierten Frist beantragte daraufhin der Kläger die Überweisung der Klage an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien (ON 3).

Sodann hob das Bezirksgericht Tulln mit Beschluß vom 21. März 1989 (ON 4) die Zurückweisung auf und überwies die Rechtssache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Dieses wies mit Beschluß vom 28. März 1989 (ON 5) die Klage im wesentlichen mit der Begründung zurück, daß zur Entscheidung dieses Rechtsstreits das Handelsgericht zuständig sei.

Diese Entscheidung bekämpfte der Kläger mit einem an das Oberlandesgericht Wien als zuständiges Schiffahrtsobergericht gerichteten Rekurs (ON 6).

Mit Beschluß vom 11. Mai 1989 (ON 8) sprach das Oberlandesgericht Wien aus, daß es zur Entscheidung über diesen Rekurs des Klägers nicht zuständig sei. Es begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß im Sinn des § 3 JN der Rechtszug grundsätzlich vom Bezirksgericht an das übergeordnete Landes- bzw. Kreisgericht gehe. Bestehe eine sondergesetzliche Rechtsmittelzuständigkeit, komme diese nur zur Anwendung, wenn das Erstgericht in seiner Eigenschaft als Sondergericht entschieden und dies auch in seiner Entscheidung zum Ausdruck gebracht habe. Für die handelsgerichtliche Zuständigkeit sei dies in den §§ 3 JN, 446 ZPO ausdrücklich normiert. Diese Bestimmungen seien auf den vorliegenden Fall analog anzuwenden. Das Oberlandesgericht Wien wäre daher als Schiffahrtsobergericht nur dann zur Entscheidung über den Rekurs des Klägers berufen, wenn das Bezirksgericht Innere Stadt Wien "als Schiffahrtsgericht" entschieden hätte, was nach dem Entscheidungsinhalt nicht zutreffe. Es habe daher ungeachtet der davon betroffenen Rechtssache beim gewöhnlichen Instanzenzug zu verbleiben.

Diese Entscheidung wurde rechtskräftig.

Mit Beschluß vom 29. September 1989 (ON 10) sprach das Landesgericht für ZRS Wien aus, daß es zur Entscheidung über den Rekurs des Klägers nicht zuständig sei. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß in Binnenschiffahrtsangelegenheiten auf Grund des § 1 (richtig § 2) des Gesetzes über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen ohne Rücksicht auf den Streitwert die Bezirksgerichte als Schiffahrtsgerichte tätig zu werden hätten. Mit Art. 3 Abs. 1 Z 21 (richtig Z 27) der vierten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 26. Juni 1941, DRGBl. I 351 (in der Folge als 4.DVO bezeichnet), sei das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zum Schiffahrtsgericht für die Donau, soweit sie österreichisches Gebiet durchfließe, bestimmt worden, während sonst das jeweils örtlich zuständige Bezirksgericht als Schiffahrtsgericht einzuschreiten habe. Grundsätzlich gehe der Rechtszug gemäß § 3 JN gegen Urteile und Beschlüsse der Bezirksgerichte an die Landes- und Kreisgerichte. Gemäß Art. 2 der

4. DVO entscheide jedoch über bezirksgerichtliche Erkenntnisse in Binnenschiffahrtssachen als zweite Instanz das Oberlandesgericht. Es bestehe daher eine sondergesetzliche Regelung des Instanzenzugs. Nicht erforderlich sei, daß das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Zusatz, daß es als Schiffahrtsgericht entschied, in seine Entscheidung aufgenommen habe. Diese für die handelsgerichtliche Zuständigkeit gemäß den §§ 3, 446 ZPO getroffene Regelung sei auf Binnenschiffahrtssachen nicht anzuwenden. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung komme für Binnenschiffahrtsangelegenheiten schon deswegen nicht in Betracht, weil in jenem Fall keine Veränderung des Instanzenzugs im Sinne der Änderung des Gerichtstypus des Rechtsmittelgerichts gegeben sei, sondern, wenn man von besonderen gerichtsorganisatorisch bedingten Umständen absehe, lediglich die Zusammensetzung des Senats gemäß § 7 Abs. 2 JN geändert werde. In Binnenschiffahrtssachen sei jedoch der Instanzenzug abweichend, nämlich vom Bezirksgericht an das Oberlandesgericht. Es könne daher nicht gesagt werden, daß die Unterlassung des Ausspruchs "als Schiffahrtsgericht" in der Entscheidung eine Änderung des Instanzenzugs bewirken könne.

Auch diese Entscheidung wurde rechtskräftig.

Daraufhin legte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den vorliegenden Kompetenzkonflikt vor.

Rechtliche Beurteilung

Vorwegzunehmen ist, daß sich die Bestimmungen des § 47 JN nach dem Gesetzeswortlaut nur auf Streitigkeiten zwischen verschiedenen Gerichten erster Instanz über die Zuständigkeit für eine bestimmte Rechtssache beziehen. Sie müssen auf den vorliegenden Fall, in dem die beiden in Frage kommenden Rechtsmittelgerichte ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über den Rekurs des Klägers rechtskräftig verneint haben, analog angewendet werden, weil anders die Fällung einer Sachentscheidung über das Rechtsmittel des Klägers nicht ermöglicht werden kann.

Es trifft zu, daß gemäß § 3 Abs. 1 JN der Rechtsmittelzug gegen Urteile und Beschlüsse der Bezirksgerichte grundsätzlich in zweiter Instanz an die Landes- und Kreisgerichte geht. Für das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen - und dazu zählen gemäß § 1 des Gesetzes über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 30. Jänner 1937, DRGBl. I 97, unter anderem bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus der Benützung von Binnengewässern durch Schiffahrt ergeben und Schadenersatzansprüche aus Schiffahrtsunfällen zum Gegenstand haben; für derartige Binnenschiffahrtssachen sind gemäß § 2 dieses Gesetzes in erster Instanz ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands die Bezirksgerichte zuständig - besteht aber gemäß Art. 2 der 4.DVO insofern eine Ausnahmeregelung, als dort die Entscheidung über Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Schiffahrtsgerichte (das sind gemäß Art. 1 der 4.DVO die Bezirksgerichte, denen die Verhandlung und Entscheidung von Binnenschiffahrtssachen zugewiesen wurde) den Oberlandesgerichten übertragen wird. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Z 27 der 4.DVO wurde das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zum Schiffahrtsgericht für die Donau, soweit sie österreichisches Gebiet durchfließt, bestellt; Schiffahrtsobergericht ist in diesem Umfang das Oberlandesgericht Wien.

Es trifft auch zu, daß nach Art. 1 der 4.DVO das Bezirksgericht, dem die Verhandlung und Entscheidung von Binnenschiffahrtssachen zugewiesen ist, bei der Verhandlung und Entscheidung derartiger Binnenschiffahrtssachen die Bezeichnung "Schiffahrtsgericht" führt und daß nach Art. 2 der 4.DVO die Oberlandesgerichte bei der Entscheidung über Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Schiffahrtsgerichte die Bezeichnung "Schiffahrtsobergerichte" führen. Daraus ist aber nicht abzuleiten, daß die im Art. 2 der 4.DVO getroffene Regelung über den Rechtszug gegen Entscheidungen der Schiffahrtsgerichte davon abhängig gemacht werden könnte, ob ein solches Gericht in seiner Entscheidung ausdrücklich aussprach, daß es als Schiffahrtsgericht tätig wurde. Eine derartige Vorschrift ist der dargestellten gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen. Die vom Oberlandesgericht Wien in Betracht gezogene analoge Anwendung des § 446 ZPO scheitert schon daran, daß sich diese Bestimmung keinesfalls auf die Zuständigkeit eines anderen Gerichtstyps im Instanzenzug bezieht, sondern ihre Auswirkungen nur in einer Änderung der Zusammensetzung des in zweiter Instanz entscheidenden Senats äußert. Wurde das in erster Instanz entscheidende Gericht in einer Binnenschiffahrtssache als Schiffahrtsgericht angerufen - und dies trifft im vorliegenden Fall für das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, an das die an das Bezirksgericht Tulln als Schiffahrtsgericht gerichtete Klage überwiesen wurde, zu -, dann kann es nur als Schiffahrtsgericht entschieden haben, auch wenn es dies nicht durch einen ausdrücklichen Ausspruch in seiner Entscheidung zum Ausdruck brachte.

Aus diesem Grund ist zur Entscheidung über den vom Kläger erhobenen Rekurs gegen die Zurückweisung seiner Klage durch das Bezirksgericht Innere Stadt Wien (als Schiffahrtsgericht) nicht das Landesgericht für ZRS Wien, sondern das Oberlandesgericht Wien (als Schiffahrtsobergericht) zuständig.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.