JudikaturJustiz28Os4/15w

28Os4/15w – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Dezember 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 3. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Wippel und Dr. Strauss als Anwaltsrichter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 20. April 2015, AZ D 18/14, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, des Kammeranwalts Dr. Kaska und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 20. April 2015, AZ D 18/14, wurde Rechtsanwalt Mag. ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung sowie der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er in seinem an die Staatsanwaltschaft W***** zu AZ ***** St ***** gerichteten Fortführungsantrag vom 31. März 2014 Folgendes vorbrachte:

„Es ist Fakt, dass in Österreich weite Teile von Polizei, Verfassungsschutz, Justiz, Medien und Politik korrupt sind und deshalb aktiv und zum Teil auch rechtswidrig gegen kritische und seriöse Bürger mittels Diffamierungen und Kriminalisierungen vorgegangen wird. Auch verfahrensgegenständlich agiert die Ermittlungsbehörde voreingenommen und begeht Rechtsbrüche.“

„Das Landesamt für Verfassungsschutz in W***** arbeitet vorsätzlich und rechtswidrig im Sinne/zu Gunsten der Firma K*****, da dies von höchsten politischen Stellen (***** Ministerien/Parteizentralen usw) angeordnet worden ist. Der LV Ermittler F***** bezeichnet völlig wertend und voreingenommen die friedliche Protestaktion von R***** als Gewalttätigkeit, Aggressionshandlungen und Randale!! Die Ermittlungsbehörde LPD W***** und LV W***** sind unter der jetzigen Führung eindeutig als kriminell und demokratiegefährdend einzustufen und somit als Ermittlungsbehörde ungeeignet!“

Der Disziplinarbeschuldigte wurde hierfür gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 1.500 Euro verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die (undifferenziert ausgeführte) Berufung des Disziplinarbeschuldigten, der keine Berechtigung zukommt.

Mit dem Einwand, es sei ihm kein vorsätzliches, sondern nur ein „vom § 9 RAO nicht pönalisiertes“ fahrlässiges Handeln anzulasten, entfernt sich der Disziplinarbeschuldigte zunächst von den getroffenen Feststellungen, wonach er den von seinem Klienten Peter Ro***** übersandten Textvorschlag überflog, formale Ergänzungen hinzufügte, ins ERV kopierte und der Staatsanwaltschaft übermittelte, wobei er es zumindest ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand, dass der von Peter Ro***** verfasste Text angriffig gegen Behörden und die Rechtspflege argumentieren werde und die Grenzen der sachlichen Kritik verletzen könnte (ES 4 f).

Der Rechtsmittelwerber erklärte auch nicht, weshalb ein von ihm reklamiertes bloß fahrlässiges Überschreiten des in Schriftsätzen zulässigen Maßes an Äußerungen keine Berufspflichtenverletzung oder Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt bedingen sollte (vgl Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 1 DSt 855 und § 9 RAO 133; RIS Justiz RS0055227; RS0036307). Von einem Rechtsanwalt wird jedoch schon aufgrund seiner Ausbildung und Mitwirkung in der Rechtspflege auch unter dem Aspekt des § 9 Abs 1 RAO verlangt, sich gegenüber Behörden eines sachlichen und korrekten Tones zu bedienen (vgl RIS Justiz RS0055227). Enthält ein von ihm eingebrachter Schriftsatz beleidigende Äußerungen, so sind diese dem Rechtsanwalt und nicht jener Person zuzurechnen, die den Schriftsatz für ihn im Innenverhältnis vorbereitet hat (vgl VfGH 8. Dezember 2010, B 87/10).

Soweit die Berufung vermeint, angriffiges und unsachliches Vorbringen sei nicht per se disziplinär, sondern könne durchaus im Rahmen der Meinungsfreiheit erfolgen, entbehrt das Vorbringen einer Argumentation, weshalb das hier inkriminierte Vorbringen im Fortführungsantrag unter dem Gesichtspunkt des Art 10 EMRK zulässig sein sollte, genießen doch unsachliche und erkennbar beleidigende Äußerungen der Rechtspflege keineswegs den Schutz der freien Meinungsäußerung, weil wie aus Art 10 Abs 2 EMRK hervorgeht in einer demokratischen Gesellschaft ein dringendes soziales Bedürfnis besteht, das Ansehen der Rechtsprechung zu wahren (vgl VfGH vom 26. September 1995, B 2177/94; VfGH 27. Februar 2012, B 1103/11; VfGH 6. Juni 2013, B 1359/2012; VfGH 20. Februar 2014, B 1021/2013). Dass Rechtsanwälte aufgrund ihrer Funktion in den Beschränkungen bei Meinungsäußerungen hinzunehmen haben, hat auch der EGMR bestätigt (vgl EGMR Schmidt gg Österreich, ÖJZ 2008, 909).

Auch die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe ist nicht im Recht.

Der Disziplinarrat ging bei der Bemessung der Strafe davon aus, dass das Geständnis des Disziplinarbeschuldigten als mildernd zu werten sei und keine Erschwerungsgründe vorliegen. Der Ausspruch eines Verweises wurde mit Blick auf die große Anzahl und die besondere Schärfe der zu ahndenden Äußerungen abgelehnt, welche nach Ansicht des Disziplinarrats im Ergebnis einen massiven und unsubstantiierten Angriff auf die österreichische Rechtspflege und das österreichische Rechtssystem insgesamt darstellen.

Entgegen der nicht weiter konkretisierten Behauptung des Berufungswerbers, wonach die Strafe zu hoch bemessen worden sei, besteht kein Anlass, die Geldbuße herabzusetzen, wäre doch als erschwerend auch die mehrfache Verwirklichung des disziplinären Tatbestands und dessen doppelte Qualifikation sowohl als Berufspflichtenverletzung als auch Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes erschwerend zu berücksichtigen gewesen (RIS Justiz RS0055624).

Die von der Berufung angestrebte bedingte bzw teilbedingte Verhängung der Geldstrafe findet in § 16 DSt keine Deckung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.