JudikaturJustiz26Ds4/20t

26Ds4/20t – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 28. Mai 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Mag. Vas und Dr. Hausmann sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Univ. Prof. Dr. Bydlinski in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, AZ D 236/18 der Rechtsanwaltskammer *****, über die Beschwerde des Kammeranwalts gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer ***** vom 16. Dezember 2019, GZ D 236/18-31, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde die über den Beschuldigten ***** am 18. April 2019 verhängte einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft (§ 19 Abs 1a und Abs 3 Z 1 lit d DSt) durch die einstweilige Maßnahme der Überwachung der Kanzleiführung durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer (§ 19 Abs 1a und Abs 3 Z 1 lit a DSt) ersetzt.

Dem Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer ***** vom 18. April 2019 (ON 8) – auf den im angefochtenen Beschluss hinsichtlich des dem Disziplinarverfahren zu Grunde liegenden Verdachts verwiesen wurde – ist zu entnehmen, dass *****

1./ regelmäßig Treuhandschaften – trotz entsprechender Vereinbarung in den Kaufverträgen – nicht über das eATHB abwickelte, indem er die Kaufpreise auf ein Sammelanderkonto und Nebengebühren auf sein ordentliches Geschäftskonto überweisen ließ;

2./ Liegenschaftskaufverträge nicht mit dem nötigen Eifer abwickelte;

3./ wiederholt Schreiben der Rechtsanwaltskammer ***** unbeantwortet ließ und Aufforderungen zur Vorlage von Urkunden nicht nachkam;

4./ seine Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Geldwäscheüberprüfung nicht erfüllte (vgl auch den – einen weiteren Vorwurf umfassenden – Einleitungsbeschluss vom 13. November 2019 [ON 27]).

Nach den Annahmen im angefochtenen Beschluss gelangte der Disziplinarrat aufgrund der vorgelegten Unterlagen und der Angaben des Beschuldigten in der mündlichen Anhörung am 16. Dezember 2019 zur Überzeugung, dass die Aufrechterhaltung der bisherigen einstweiligen Maßnahme nicht länger erforderlich „sein dürfte“ und die Voraussetzungen für deren Verhängung und Aufrechterhaltung „mit einiger Wahrscheinlichkeit weggefallen sein dürften“. Aufgrund noch bestehender Zweifel an der ordnungsgemäßen Kanzleiführung und Geldgebarung sei allerdings die gelindere einstweilige Maßnahme der Überwachung der Kanzleiführung durch den Ausschuss zu verhängen gewesen (BS 4 f).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Kammeranwalts, der keine Berechtigung zukommt.

Voraussetzung der einstweiligen Maßnahme der Überwachung (nunmehr Kontrolle; vgl § 19 Abs 1a und Abs 3 Z 1 lit a DSt idF BGBl I 2020/19) der Kanzleiführung durch den Ausschuss und der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist gemäß § 19 Abs 1a DSt unter anderem die dringende Besorgnis, dass die weitere Berufsausübung zu einer erheblichen Beeinträchtigung anvertrauten fremden Vermögens, insbesondere im Zusammenhang mit der Fremdgeldgebarung des Rechtsanwalts, führen könnte. Eine Verlängerung der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist nur zulässig, wenn dies zur Vermeidung von schweren Nachteilen für die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung unbedingt erforderlich ist (§ 19 Abs 4 DSt).

Damit stellt das Gesetz an die Verlängerung dieser vorläufigen Maßnahme deutlich strengere Anforderungen als an deren Verhängung. Überdies ergibt sich aus dem Begriff „vorläufige Untersagung“, dass die Maßnahme auf einen möglichst kurzen Zeitraum zu beschränken ist. Erlauben die geänderten Umstände zwar keine Aufhebung der Maßnahme, wohl aber deren Einschränkung oder Substituierung durch andere – gelindere – Mittel, ist deren Ergreifung durch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung geboten ( Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 19 DSt Rz 31, 33). Schließlich ist bei Anordnung einer einstweiligen Maßnahme im Sinn des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darauf zu achten, dass der Eingriff so behutsam wie möglich erfolgt, um dem Rechtsanwalt nicht seine wirtschaftliche Existenz zu entziehen (RIS-Justiz RS0117087 [T1]).

Die Beschwerde bestreitet, dass aus den vom Beschuldigten vorgelegten Unterlagen eine Ordnung seiner finanziellen Verhältnisse abzuleiten sei. Vielmehr sei er offenkundig außer Stande, den von ihm bekanntgegebenen Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß nachzukommen, weshalb weiterhin die dringliche Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung des ihm anvertrauten fremden Vermögens, vor allem im Zusammenhang mit der Fremdgeldgebarung, vorliege. In Bezug auf im Einzelnen angeführte Konten und bestimmte Geschäftsfälle seien überdies nach wie vor keine Nachweise für seine Angaben vorgelegt worden.

Dabei vernachlässigt die Beschwerdeargumentation, dass eine Verlängerung der einstweiligen Maßnahme nicht nur die angesprochene dringende Besorgnis der Beeinträchtigung fremden Vermögens, sondern die zur Vermeidung von schweren Nachteilen unbedingte Erforderlichkeit zur Voraussetzung hat. Das kritisierte Fehlen entsprechender Nachweise wurde vom Disziplinarrat ohnehin in die Beurteilung einbezogen (BS 5) und aus diesem Grund vorerst die gelindere einstweilige Maßnahme der Überwachung der Kanzleiführung durch den Ausschuss als erforderlich erachtet. Überdies lässt die Beschwerde auch die Selbstverpflichtungserklärung des Beschuldigten, bis zur Beendigung des Disziplinarverfahrens keine Treuhandschaften im Zusammenhang mit Kaufverträgen und sonstigen Vermögenstransaktionen zu übernehmen oder durchzuführen (BS 4), wodurch sich die Gefahr der Beeinträchtigung anvertrauten fremden Vermögens reduziert, außer Acht (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 19 DSt Rz 4).

Weil die Voraussetzungen für eine Verlängerung der gegenständlichen Maßnahme mangels unbedingter Erforderlichkeit demnach nicht gegeben waren, erfolgte deren Aufhebung und Ersatz durch die gelindere Maßnahme der Überwachung der Kanzleiführung zu Recht. Der Beschwerde war sohin nicht Folge zu geben.