JudikaturJustiz24Ds2/21k

24Ds2/21k – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 18. Oktober 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Dr. Bartl und Dr. Kreissl als Anwaltsrichter in Gegenwart des Schriftführers Mag. Casagrande in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 18. August 2020, AZ D 37/19 (DV 37/19) – OZ 28, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Mag. Poppenwimmer, des Kammeranwalts Dr. Lindner und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld wird nicht, jener wegen des Ausspruchs über die Strafe dagegen Folge gegeben und über den Beschuldigten eine Geldbuße von 2.500 Euro verhängt.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

[2] Danach hat er dadurch, dass er

von den für seinen Mandanten D***** L***** bis zum 16. August 2018 bei ihm eingegangenen Barschaften in Höhe von insgesamt 33.085 Euro, die in teilweiser Anerkennung von Ansprüchen des Genannten aus einem Verkehrsunfall von der O***** AG als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners auf das Kanzleikonto überwiesen worden waren, von 7. September 2017 bis 5. Juli 2018 insgesamt 9.100 Euro als Honorar Akonti in Abzug brachte, ohne sich hierüber sogleich mit seinem Mandanten zu verrechnen und

nach erfolgter Bestreitung der Honorarforderung den strittigen Betrag von 5.100 Euro weder seinem (ehemaligen) Mandanten ausfolgte noch bei Gericht erlegte,

gegen § 19 Abs 1 und Abs 3 RAO, § 13 RL BA 2015 verstoßen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen erhobene Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld schlägt fehl.

[4] Der Disziplinarrat stützte die bekämpften Feststellungen zum Unterbleiben unverzüglicher Verrechnung der einbehaltenen Honorar Akonti (ES 4 f) im Wesentlichen auf die für glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugen D***** und M***** L***** und begründete ausführlich und differenziert, warum er deren Darstellungen in diesem Punkt für zuverlässig erachtete, der gegenteiligen Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten aber nicht zu folgen vermochte.

[5] Dabei setzte sich der erkennende Senat – dem Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) folgend – mit allen erheblichen Verfahrensergebnissen auseinander und bezog sowohl den Umstand der Vollmachtskündigung durch D***** ***** (vgl auch OZ 27 S 19 ff) und die im Zusammenhang mit dem Vorwurf unterbliebener Verrechnung geführte Korrespondenz zwischen dessen späteren Rechtsvertretern und *****, welche schließlich zur Einbringung einer Klage auf Rechnungslegung und Zahlung gegen den Disziplinarbeschuldigten führte, als auch dessen Vorbringen in diesem – zum AZ ***** des ***** anhängigen – Zivilverfahren sowie die dort von ihm vorgelegten Urkunden in seine Überlegungen ein. Im Lichte der Chronologie der Ereignisse kam der Disziplinarrat zum Schluss, dass – entgegen der Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten – während aufrechten Vollmachtsverhältnisses keine Offenlegung der Zahlungsflüsse erfolgte und D***** L***** erst durch die – seinem Rechtsvertreter Rechtsanwalt ***** am 15. Oktober 2018 übermittelte – Honorarnote Nr 18/471 vom 8. Oktober 2018 Kenntnis von den „Akonto-Einbehalten“ erlangte, die Verrechnung also nicht unverzüglich, sondern erst drei bis dreizehn Monate nach Zahlungseingang und Einbehalt erfolgte (ES 6 f).

[6] Mit dem Hinweis auf seine – nach dem Rechtsmittelstandpunkt widerspruchsfreie – Verantwortung, sein Vorbringen im oben angeführten Zivilverfahren und die dort vorgelegten Urkunden (ersichtlich gemeint: die als Beilagen zu ON 13 im Akt erliegenden und in der Disziplinarverhandlung verlesenen [OZ 27 S 24] Schreiben der gegnerischen Versicherung hinsichtlich der anerkannten und überwiesenen Forderungen sowie mit 8. September 2017, 19. Jänner, 21. Februar und 20. Juni 2018 datierte Honorarnoten über insgesamt 7.600 Euro, auf denen der jeweils erfolgte Einbehalt vermerkt war), die D***** L***** jedoch nach seiner Aussage nie erhalten hatte (OZ 7 S 3 iVm OZ 27 S 24), vermag er keine Bedenken gegen die dargestellte – schlüssige und nachvollziehbare – Beweiswürdigung des Disziplinarrats und die darauf gegründeten Konstatierungen zu wecken. Indem er auf ein angeblich wahrheitswidriges – keinen erheblichen Umstand betreffendes – Aussagedetail der Zeugen D***** und M***** L***** (zur Unterfertigung einer Vollmacht) sowie darauf verweist, dass Erstgenannter nicht zur Disziplinarverhandlung erschien, gelingt es ihm ebenso wenig, die im angefochtenen Erkenntnis bejahte Glaubwürdigkeit der genannten Zeugen zu erschüttern.

[7] Soweit mit der Beteuerung, der erst am 8. November 2019 verspätet bei Gericht erfolgte Erlag von 5.100 Euro sei auf ein Versehen zurückzuführen, zumal der Disziplinarbeschuldigte „keinerlei bisherige Honorarstreitigkeiten gehabt“ habe, auch der auf diesen Vorwurf bezogene Schuldspruch bekämpft werden soll, genügt der Hinweis, dass bereits fahrlässiges Handeln für disziplinäres Verhalten hinreicht und die objektive Sorgfaltswidrigkeit eines Verhaltens dessen subjektive Sorgfaltswidrigkeit indiziert ( Engelhart/Hoffmann/Lehner/ Rohregger/Vitek RAO 10 § 1 DSt Rz 7/1; Burgstaller/Schütz in WK² StGB § 6 Rz 90; RIS Justiz RS0088909).

[8] Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Disziplinarbeschuldigte den objektiven Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich einer sogleich zu erfolgenden Verrechnung oder einer bei aktueller Bestreitung von Richtigkeit und Höhe der Honorarforderung verpflichtend rechtzeitigen Auszahlung an den Mandanten bzw Hinterlegung bei Gericht (§ 1425 ABGB) gemäß § 19 RAO ( Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek RAO 10 § 19 RAO Rz 3, 7, 17 und 20) nicht nachkommen konnte, wurden weder vorgebracht, noch sind sie ersichtlich.

[9] Der Berufung wegen Schuld war daher ein Erfolg zu versagen.

[10] Hingegen kommt der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe Berechtigung zu.

[11] Der Disziplinarrat verhängte über den Beschuldigten gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 3.500 Euro und wertete zutreffend dessen bislang ordentlichen Lebenswandel sowie die Verantwortungsübernahme hinsichtlich der (zunächst) unterlassenen gerichtlichen Hinterlegung als mildernd, als erschwerend dagegen das Zusammentreffen mehrerer Disziplinarvergehen.

[12] Diese Strafzumessungsgründe bedürfen nur insofern einer Korrektur, als dem Beschuldigten zusätzlich die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren, die auch Zeiten behördlicher Inaktivität umfasst, mildernd zu Gute kommt.

[13] Wenngleich die vom Disziplinarrat verhängte Geldbuße von 3.500 Euro – schon mit Blick auf die betroffene besonders sensible Materie korrekten Umgangs mit Klientengeldern – dem Tatunrecht sowie der Täterschuld entspricht und auch den (mangels diesbezüglicher Angaben mit einem Durchschnittswert anzunehmenden) Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Berufungswerbers angemessen Rechnung trägt (§ 16 Abs 6 DSt), war aufgrund Hinzutretens des letztgenannten Milderungsgrundes eine Reduktion der Sanktion um 1.000 Euro (sohin auf 2.500 Euro) vorzunehmen (vgl RIS-Justiz RS0114926). Ein von der Berufung reklamierter bloßer schriftlicher Verweis (§ 16 Abs 1 Z 1 DSt) kommt aus spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht.

[14] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.