JudikaturJustiz22R76/04m

22R76/04m – LG Salzburg Entscheidung

Entscheidung
09. Juni 2004

Kopf

BESCHLUSS

500 Das Landesgericht Salzburg hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Hemetsberger als Vorsitzenden sowie DDr. Aichinger und LGVPräs. Dr. Bauer in der Rechtssache des Klägers W***** G*****, vertreten durch Dr. Fritz Karl, Dr. Robert Mühlfellner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, gegen die beklagte Partei B***** R***** G*****, vertreten durch Dr. Walter Holme, Mag. Stefan Weidinger, Rechtsanwälte OEG in 4601 Wels, wegen Besitzstörung, über den Rekurs des Klägers gegen den Endbeschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 23.03.2004, 23 C 27/04h-5, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

510 Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 166,66 (darin EUR 27,78 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

520 B e g r ü n d u n g:

Der Kläger behauptet, die beklagte Partei als Halterin des PKW Opel Zafira mit dem Kennzeichen S***** habe ihn am 16.12.2003 dadurch in seinem ruhigen Besitz gestört, dass sie ihren PKW auf den dem Kläger gehörigen Privatgrundstück im Hof des Hauses B*****straße ***** in 5020 Salzburg, abgestellt habe. Die beklagte Partei sei eine Kapitalgesellschaft, deren verantwortliche Organe dafür Sorge zu tragen hätten, dass die jeweiligen Lenker des Fahrzeuges alle gesetzlichen Bestimmungen einhalten.

Die beklagte Partei bestritt, beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen mangelnde Passivlegitimation ein. Die beklagte Partei beschäftige sich gewerbsmäßig mit der Fahrzeugvermietung, sie unterhalte allein in Österreich 15 Mietstationen, die Größe der Fahrzeugflotte belaufe sich auf ca. 1000 PKW. Es sei somit evident, dass es der beklagten Partei nicht möglich sei, auf Fahrziel bzw. Fahrverhalten des jeweiligen Mieters in irgend einer Weise Einfluss zu nehmen. Die beklagte Partei habe in ihren Mietbedingungen, die auf der Rückseite des jeweiligen Mietvertrages abgedruckt seien und auf diese Weise jedem Fahrzeugmieter zur Kenntnis gebracht würden, ausdrücklich festgehalten, dass ihre Fahrzeuge nur im öffentlichen Straßenverkehr benutzt werden dürfen. Damit habe sie alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen, um das Abstellen von Fahrzeugen auf Privatgrundstücken durch ihre Kunden zu unterbinden. Es fehle daher an einem ausreichenden Anknüpfungsmoment, um der beklagten Partei die von einem Fahrzeugmieter allenfalls begangene Besitzstörungshandlung als mittelbarer Störerin zurechnen zu können. Der Kläger habe die beklagte Partei vor Einleitung des gegenständlichen Besitzstörungsverfahrens aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht zur Bekanntgabe des Lenkers und auch nicht zur künftigen Unterlassung aufgefordert, sodass diese Möglichkeit nicht bestanden habe. Wäre eine entsprechende Aufforderung seitens des Klägers an die beklagte Partei ergangen, hätte sie den Fahrzeuglenker jederzeit bekannt gegeben. Der klagsgegenständliche PKW sei vom 15.12.2003 bis 14.01.2004 an M***** J***** vermietet gewesen, welcher mit seiner Unterschrift des Mietvertrages die allgemeinen Mietbedingungen akzeptiert habe.

Mit dem angefochtenen Endbeschluss hat das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen. Es ging dabei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Die beklagte Partei betreibt gewerbsmäßig eine Fahrzeugvermietung und ist unter anderem Halterin des PKWs Opel Zafira mit dem Kennzeichen S*****. Dieser PKW war vom 27.11.2003 bis 14.01.2004 an M***** J*****, vermietet. Auf der ersten Seite des Mietvertrages ist unterhalb des Feldes für die Unterschrift des Mieters der Hinweis angebracht, dass der Mieter mit seiner Unterschrift "alle umseitig abgedruckten Geschäfts- und Mietbedingungen" akzeptiert. Punkt 2.) b) der auf der Rückseite des Mietvertrages abgedruckten Geschäftsbedingungen/Mietbedingungen lautet: "Das Fahrzeug darf nur im öffentlichen Straßenverkehr benutzt werden, ....". Nicht festgestellt werden konnte, dass der Kläger die beklagte Partei zur Bekanntgabe des wirklichen Lenkers sowie zur künftigen Unterlassung aufgefordert hat.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass die Passivlegitimation der beklagten Partei nicht gegeben sei. Bei einer Besitzstörungsklage sei nur derjenige passiv legitimiert, von dem die Beseitigung der Störung auch erwartet werden könne. Als mittelbarer Störer könne nur angesehen werden, wer die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit habe, die von Dritten vorgenommene Störungshandlung zu steuern und zu verhindern, wobei die bloß faktische Möglichkeit der Einflussnahme auf Dritte nicht genüge. Der Beklagte müsse auch die rechtliche Möglichkeit haben, den Eingriff durch Verbote oder Anweisungen abzustellen.

Da die beklagte Partei das gegenständliche Fahrzeug zum behaupteten Störungszeitpunkt an M***** J***** vermietet gehabt habe, sei es ihr nicht möglich gewesen, das Fahrziel bzw. Fahrverhalten des Fahrzeugmieters zu kontrollieren bzw. auf die Störungshandlung faktisch Einfluss zu nehmen. Ihre rechtlichen Möglichkeiten habe sie insofern ausreichend wahrgenommen, als die beklagte Partei in ihren Mietbedingungen, die auf der Rückseite des jeweiligen Mietvertrages abgedruckt seien und so jedem Fahrzeugmieter unmittelbar zur Kenntnis gebracht würden, ausdrücklich festgehalten habe, dass ihre Fahrzeuge nur im öffentlichen Straßenverkehr benutzt werden dürfen. Einer zu diesem schriftlichen Hinweis in den AGB auch noch mündlichen ausdrücklichen Belehrung bedürfe es nicht. Ein kausales Verhalten könne der beklagten Partei nur angelastet werden, wenn sie als Halterin die Benennung des Störers ablehne und auch sonst nichts zur Hintanhaltung weiterer Störungen unternehme, obwohl ihr das leicht möglich gewesen wäre. Dies sei vom Kläger nicht einmal behauptet worden.

Gegen diesen Endbeschluss richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf vollinhaltliche Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

530 Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurswerber argumentiert ausschließlich damit, dass die angefochtene Entscheidung in "diametralem Gegensatz" zur jüngsten Judikatur des Landesgerichtes Salzburg stehe, wie sie sich insbesondere aus der Entscheidung 54 R 209/02b ergebe. In diesem Beschluss habe das Rekursgericht ausgeführt, dass sich zwar der Gestörte mit zumutbaren Mitteln in angemessener Frist Kenntnis von der Person des Störers verschaffen müsse, dass aber bei Störung des Besitzes im Zusammenhang mit dem Gebrauch eines Kraftfahrzeuges eine Anfrage an die Zulassungsbehörde ein angemessenes Mittel darstelle. Ausdrücklich werde weiters darauf verwiesen, dass juristische Personen wegen des Verhaltens ihrer Organe oder der Vollmachtsträger wegen Störung fremden Besitzes durch die Tätigkeit ihres Gehilfen passiv legitimiert seien, ohne dass der unmittelbare Störer geklagt werden müsse.

Der Rekurs weist zwar zutreffend darauf hin, dass das Landesgericht Salzburg als Rekursgericht in dieser Entscheidung vom 12.11.2002 ausgesprochen hat, dass dem gestörten Besitzer nicht zugemutet werden kann, zeitraubende und kostenaufwändige Erhebungen darüber zu führen, wer anstelle des Halters das jeweilige Fahrzeug besitzstörend abgestellt haben könnte. In dieser Entscheidung (54 R 209/02b) war aber ausschließlich die Frage zu beurteilen, ob eine juristische Person als Halterin eines Kraftfahrzeuges passiv legitimiert ist oder ob vom Geschädigten verlangt werden muss, auszuforschen, welches Organ bzw. welche für die juristische Person im konkreten Fall tätig gewordene natürliche Person die Besitzstörungshandlung vorgenommen hat. Wenn der juristischen Person auch Rechtsfähigkeit zukommt, so kann sie doch nicht selbst handeln. Sie bedarf dazu vielmehr natürlicher Personen, die für sie tätig werden. In der vom Rekurswerber zitierten Entscheidung 54 R 209/02b hat das Landesgericht Salzburg ausgesprochen, dass vom Gestörten nicht verlangt werden kann, durch zeitraubende und kostenaufwändige Erhebungen auszuforschen, welche natürliche Person (etwa Geschäftsführer der GmbH, Prokurist oder allenfalls ein Außendienstmitarbeiter etc.) im konkreten Fall für die juristische Person tätig geworden ist und die Besitzstörungshandlung gesetzt hat.

Dieser Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall jedoch in keiner Weise vergleichbar. Hier ist nämlich der vom gestörten Besitzer ausgeforschte Halter des besitzstörend abgestellten Fahrzeuges, wie schon aus dem Firmenwortlaut der beklagten Partei eindeutig hervorgeht, eine gewerbsmäßig Fahrzeugvermieterin. Damit ist aber schon von vorne herein davon auszugehen, dass nicht die beklagte Partei bzw. ein für sie handelndes Organ oder ein Mitarbeiter die Besitzstörungshandlung begangen hat, sondern ein Vertragspartner dieses Unternehmens. Schon aus diesem Grund wäre der Kläger im konkreten Fall verpflichtet gewesen, beim Halter nach der Person des Störers, der ja primär passiv klagslegitimiert ist, anzufragen. Dem vorliegenden Besitzstörungsverfahren liegt somit auch keine persönliche, eigenhändige Störung der beklagten Partei bzw. der für diese handelnden natürlichen Personen, sondern eine Störung durch Dritte, nämlich des Fahrzeugmieters M***** J*****, zugrunde. Während bei eigenhändigen Besitzstörungen nur die Interessenlage zwischen Störer und Gestörtem abzuwägen ist, tritt bei der Besitzstörung durch Dritte die Interessenlage eines weiteren Beteiligten hinzu. Deshalb sind die Interessen einerseits zwischen dem gestörten Besitzer und dem unmittelbaren (hier: M***** J*****) sowie dem mittelbarer Störer abzuwägen, andererseits aber auch die Interessenlage zwischen dem mittelbaren und dem unmittelbaren Störer miteinzubeziehen. Vor allem ist zu beurteilen, inwieweit eine Passivlegitimation des mittelbaren Störers, hier als der beklagten Partei, gegeben ist. Diese Passivlegitimation ist - wie schon Mohr in seinem grundlegenden Aufsatz, "Der Begriff des Störers im Besitzstörungsverfahren", ZVR 1985, 225 ff ausführt - danach abzugrenzen, ob der unmittelbarer Störer Hilfsperson oder Auftragnehmer des mittelbaren Störers ist oder, wenn dies - wie hier - nicht der Fall war, ob ein für die Störung sonst kausales Verhalten des mittelbaren Störers vorliegt. Ist auch dieses zu verneinen, muss die Klage mangels Passivlegitimation des mittelbaren Störers abgewiesen werden (ZVR 2003/11 mwN).

Wie das Erstgericht unter Berufung auf die vergleichbare Entscheidung des LG Innsbruck vom 19.07.2002, 1 R 332/02h, ZVR 2003/11, zutreffend ausgeführt hat, fehlt es im vorliegenden Fall an einem für die Störung kausalen Verhalten der beklagten Partei. Sie hat wohl grundsätzlich das gegenständliche Fahrzeug an M***** J***** verliehen. Der Halter eines Kraftfahrzeuges setzt aber allein dadurch, dass er sein Fahrzeug von Dritten benützen lässt, die damit eine Besitzstörung begehen, noch keine Handlung, die als unmittelbare Veranlassung der Störung fremden Besitzes angesehen werden kann (ZVR 2003/11 mwN; Spielbüchler in Rummel³, Rz 7 zu § 339 ABGB). Passiv klagslegitimiert ist vielmehr nur derjenige, von dem die Beseitigung der Störung erwartet werden kann bzw. der in irgend einer Form Einfluss auf die Störungshandlung selbst nehmen konnte. Als mittelbarer Störer kann somit nur angesehen werden, wer die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hat, die auf ihn zurückgehende, seiner Interessenwahrnehmung dienende, aber unmittelbar von Dritten vorgenommene Störungshandlung zu steuern und gegebenenfalls auch zu verhindern (Dittrich/Tades, ABGB 36. Aufl., E 143 ff zu § 339).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat die beklagte Partei in ihren Allgemeinen Geschäfts- und Mietbedingungen, die auch M***** J***** bekannt gemacht wurden, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das gemietete Fahrzeug nur im öffentlichen Straßenverkehr benutzt werden darf. Auch nach Auffassung des erkennenden Gerichtes wäre es, wie schon das LG Innsbruck in seiner Entscheidung vom 19.07.2002 ausgesprochen hat, eine Überspitzung der Halterpflichten von entgeltlichen KFZ-Vermietern, wie der beklagten Partei, wolle man von ihnen vor jedem Verleihen des PKW zu dem schriftlichen Hinweis in den AGB auch noch eine mündliche ausdrückliche Belehrung verlangen. Damit fehlt es aber an einem ausreichenden Anknüpfungsmoment, um der beklagten Partei die von M***** J***** unmittelbar begangene Besitzstörung als mittelbarer Störerin zuzurechnen (ZVR 2003/11 mwN).

Das schon deshalb, weil der Gedanke der Verfolgung eigener Interessen (als Zurechnungskriterium, bei dessen Vorliegen auch der mittelbare Störer als Störer im Sinne des § 339 ABGB anzusehen und daher im Besitzstörungsverfahren passiv legitimiert ist) hier nicht bzw. nicht in voller Stärke trägt. Auch ist die Einflussmöglichkeit des Vermieters auf Fahrziel bzw. Fahrverhalten des Mieters in derartigen Fällen typischerweise wesentlich geringer als bei der kurzfristigen Zurverfügungstellung des Fahrzeuges im Familien- oder Bekanntenkreis oder an Mitarbeiter im Rahmen eines Betriebes. Direkte Weisungen oder der kurzfristige Entzug des Fahrzeuges kommen hier ebenfalls nicht in Betracht (Kodek, Die Besitzstörung, 392 f).

Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall des Mietwagens deutlich vom Regelfall, in dem der Halter eines Kraftfahrzeuges stets derjenige ist, von dem in erster Linie Abhilfe erwartet werden kann, weil er über die tatsächliche Herrschaft über das Störungswerkzeug verfügt (hg. 54 R 209/02b).

Da die beklagte Partei in ihren auf dem Mietvertrag abgedruckten Geschäfts- und Mietbedingungen ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass das gemietete Fahrzeug nur im öffentlichen Straßenverkehr benutzt werden darf, hat sie alles unternommen, was von ihr zur Beseitigung oder Verhinderung der Störung erwartet werden konnte. Sie könnte im Anlassfall daher nur dann erfolgreich als mittelbarer Störer belangt werden, wenn sie als Halterin die Namhaftmachung des tatsächlichen Störers abgelehnt hätte. Der Kläger hat sich aber selbst der Möglichkeit begeben, die beklagte Partei wegen einer unterlassenen bzw. schuldhaft verzögerten Benennung des unmittelbaren Störers in Anspruch zu nehmen, weil er sie vor Einleitung des vorliegenden Besitzstörungsverfahrens aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht zur Bekanntgabe des tatsächlichen Lenkers und auch nicht zur künftigen Unterlassung aufgefordert hat (ZVR 2003/11 mwN). Wenn der Rekurswerber schließlich damit argumentiert, dass es ihm z. B. auch nicht zumutbar sei, im Falle, dass es sich beim Mieter des Fahrzeuges um einen Ausländer handle, diesen zuerst auszuforschen und dann gegen diesen Klage zu erheben, ist ihm entgegen zu halten, dass sich dieses Problem auch dann stellt, wenn ein Fahrzeug mit einem ausländischen Kennzeichen besitzstörend abgestellt wird. Dieser Umstand spricht daher keinesfalls zwingend dafür, deshalb die Passivlegitimation der beklagten Partei als gewerbsmäßige Fahrzeugvermieterin zu bejahen. Im übrigen ist der Mieter M***** J***** ohnedies in ***** wohnhaft, sodass es für den Kläger ein leichtes gewesen wäre, direkt den Störer zu belangen. Aus den dargestellten Erwägungen musste dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Abweichend vom Kostenverzeichnis stehen der beklagten Partei aber, da es sich um ein Rekurs- und kein Berufungsverfahren handelt, für die Rekursbeantwortung lediglich 60 % (nicht 180 %) Einheitssatz zu. Die Unzulässigkeit jedes weiteren Rechtsmittels ergibt sich aus § 528 Abs.2 Z 6 ZPO.

Landesgericht Salzburg