JudikaturJustiz22Os3/14b

22Os3/14b – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 11. November 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Mascher und Dr. Waizer sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Sailer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tagwerker als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. Richard S*****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts wegen Nichtigkeit und Schuld gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 20. Jänner 2014, AZ D 13 04, 2 DV 13 13, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Aicher, des Kammeranwalts Dr. Schmidinger und des Verteidiger Dr. Zanier zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis, das in seinem Punkt 1) unberührt bleibt, in den Punkten 2)a) bis c) aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Mag. Richard S***** ist schuldig, er hat in der von der Kanzlei Mag. Richard S***** und Dr. Martin Sa***** als Anzeiger eingebrachten Sachverhaltsdarstellung vom 4. Juni 2012 gegenüber der Staatsanwaltschaft Innsbruck ausgeführt, Ing. Hugo ***** H***** habe den Disziplinarbeschuldigten über dessen Zahlungswilligkeit und fähigkeit getäuscht, sowie in der von der genannten Kanzlei erstatteten Äußerung vom 7. November 2012 zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 25. Oktober 2012 zu einem vom Disziplinarbeschuldigten eingebrachten Fortführungsantrag die eingangs wiedergegebene Behauptung wiederholt und weiters ausgeführt, dass Bedenken gegen die Richtigkeit der der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft zugrunde gelegten Tatsachen, insbesondere was die Vermögens und Einkommensverhältnisse des Ing. H***** angeht, bestünden, weil „der Angezeigte gegenüber den Anzeigern ein wesentlich höheres Monatseinkommen als in der Hauptverhandlung geschildert angab, dass er einen PKW der Marke Porsche fahren würde, die Gattin die Verbindlichkeiten des Hauskredits trage und weitere Schulden in der Höhe von 450.000 bis 500.000 Euro nicht seine, sondern Verbindlichkeiten der Ha***** GmbH wären“.

Er hat hiedurch das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt begangen.

Über ihn wird gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 1.000 Euro verhängt.

Der Disziplinarbeschuldigte hat die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu tragen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis, das zu 1) einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält, wurde der Disziplinarbeschuldigte auch von den im Spruch ersichtlichen Vorwürfen (hinsichtlich 2)a) und b) mangels Tatbestandsverwirklichung, hinsichtlich 2)c) wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat nach § 3 DSt) freigesprochen.

Der Disziplinarrat traf zusammengefasst folgende wesentliche Feststellungen:

Der Disziplinarbeschuldigte war im Verfahren AZ 20 Hv 77/11v des Landesgerichts Innsbruck für den Anzeiger Ing. H***** zum Verfahrenshelfer bestellt worden. Vor der für den 3. Mai 2012 anberaumten Verhandlung erweckte dieser beim Disziplinarbeschuldigten den Eindruck, er habe Wichtigeres zu tun und im Übrigen aufgrund seiner familiären Verhältnisse kein Problem, Anwaltsleistungen zu bezahlen. Bei einer ersten Strafverhandlung im Herbst 2011 hatte Ing. H***** angegeben, 14 x jährlich 1.600 Euro monatlich zu verdienen.

Bei der nun fortgesetzten Verhandlung erklärte er dann, 12,3 x jährlich 2.000 Euro monatlich zu verdienen. Nach dieser Bekanntgabe wurde ihm vom Gericht über Antrag Mag. S*****s die Verfahrenshilfe entzogen und dieser von Ing. H***** sogleich als frei gewählter Verteidiger bevollmächtigt (Faktum 1).

Nach Schluss der Verhandlung stellte der Disziplinarbeschuldigte sein Honorar in Rechnung. Eine Zahlung erfolgte nicht. Anfang Juni 2012 erfuhr er von einem anderen Rechtsanwalt, der Ing. H***** üblicherweise vertrat, dass er „alles vergessen könne“, auch bei ihm bestünden große Honorarrückstände.

Am 4. Juni 2012 brachte der Disziplinarbeschuldigte daraufhin eine Sachverhalts-darstellung bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck ein, in der er dem Anzeiger vorwarf, ihn über seine Zahlungswilligkeit und fähigkeit getäuscht zu haben (Faktum 2a).

Am 17. Oktober 2012 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäß § 190 Z 2 StPO ein. Am 23. Oktober 2012 brachte der Disziplinarbeschuldigte einen Fortführungsantrag ein. In der Äußerung (zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft) vom 7. November 2012 wiederholte er die bisherigen Vorwürfe (Faktum 2)b)) und tätigte dort die weiteren im Spruch genannten Äußerungen (Faktum 2)c)).

Der Fortführungsantrag wurde abgewiesen; die Honorarforderung im Schuldenregulierungsverfahren Ing. H*****s anerkannt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Berufung des Kammeranwalts wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a und b StPO) und des Ausspruchs über die Schuld (§ 49 DSt) kommt Berechtigung zu.

Vorweg ist klarzustellen, dass die einzelnen Handlungen zur Erwirkung der strafrechtlichen Verfolgung des Ing. H***** als tatbestandliche Handlungseinheit zu begreifen sind, die nur einem Disziplinarvergehen zu subsumieren sind.

Nach den (im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nachgeholten) Feststellungen des Disziplinarrats „diente“ die Anzeige nicht der Eindringlichmachung der Forderung; das Vorbringen im Fortführungsantrag wurde als „überschießend und unangemessen“ beurteilt, das eine „ungebührliche Härte“ darstellte (ES 6).

Berücksichtigt man das den Feststellungen zu 1) beschriebene Verhalten des Disziplinarbeschuldigten in der Hauptverhandlung, dessen Antrag auf Entziehung der Verfahrenshilfe auch die Verhandlungsrichterin „überraschte“ (ES 4; zur Gefährdung der prozessualen Lage des Angeklagten durch Widerruf in der Hauptverhandlung vgl Achammer , WK StPO § 61 Rz 37), so verwirklicht die bereits einen Monat nach Entstehen des Honoraranspruchs aus welchem Motiv immer (in eigener Sache) getätigte Strafanzeige samt folgenden Fortführungsantrag jedenfalls das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt iVm § 10 Abs 2 RAO). Die fragwürdige Information eines Berufskollegen über ausständige Honorarforderungen des Anzeigers allein ohne weitere Versuche, vom wie oben beschrieben auf ebensolche Weise zum Schuldner gewordenen Mandanten das Honorar durch konventionelle Mittel einzutreiben (Mahnung, Ratenvereinbarung etc) legitimiert jedenfalls nicht zu einer solchen Vorgangsweise (vgl Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 2 RL BA Rz 2).

Gleiches gilt für die vom Disziplinarrat mit Recht als unangemessen bezeichneten, dem Disziplinarbeschuldigten (zumindest zum Teil) im Zuge von Besprechungen mit seinem Mandanten zugekommenen im Spruch genannten Ausführungen in der Äußerung zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zum Fortführungsantrag. Unter Berücksichtigung der konstatierten Motivlage Mag. S***** erachtete seine Honorar-forderung als de facto uneinbringlich (ES 6) besteht keine Rechtfertigung für den getätigten Bruch der Verschwiegenheitspflicht (§ 9 Abs 2 RAO; vgl RIS Justiz RS0055168, RS0072093).

Dem Kammeranwalt ist zuzustimmen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO), dass der Anwendung des § 3 DSt fallbezogen entgegensteht, dass das Verschulden nicht gering ist, weil der Disziplinarbeschuldigte sich „aus Ärger über die Nichteinbringlichmachung seiner Honorarforderung“ zu einer alsbaldigen Strafanzeige verstanden hat und zudem auch unbedeutende Folgen im Sinn dieser Bestimmung nicht vorliegen, wenn nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch durch die Stellung eines Fortführungsantrags das Gericht über den Anzeigevorwurf zu entscheiden hatte, demnach der Anzeiger über einen beträchtlichen Zeitraum dem Druck eines letztlich eingestellten Strafverfahrens ausgesetzt war.

Bei der Strafbemessung war kein Umstand als erschwerend, als mildernd hingegen der bisherige ordentliche Lebenswandel des Disziplinarbeschuldigten zu werten.

Mit Blick auf Unrechtsgehalt der Tat und Schuld des Disziplinarbeschuldigten im Zusammenhalt mit den durchschnittlichen finanziellen Verhältnissen eines Rechtsanwalts erachtet der Oberste Gerichtshof eine im untersten Bereich des Rahmens liegende Sanktion von 1.000 Euro als angemessen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 38 Abs 2 und § 54 Abs 5 DSt.