JudikaturJustiz21R53/07p

21R53/07p – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2007

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Steger und Mag. Nigl in der Rechtssache der klagenden Partei T ***** AG, ***** W *****, vertreten durch Hasberger, Seitz Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei R***** Baugesellschaft mbH, ***** L *****, vertreten durch Dr. Hubert Schweighofer, Dr. Gerhard Taufner, Rechtsanwälte in Melk, wegen € 5.177,08 s.A., über die Berufung der Klägerin (Berufungsinteresse: Zinsen) gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Melk vom 11.12.2006, 5 C 656/06g-21, gemäß § 492 Abs. 2 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t F o l g e gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen deren mit €

215,04 (darin € 35,84 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens

zu ersetzen.

Die Revision ist j e d e n f a l l s u n z u -

l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelaus- führungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Urteiles für zutreffend. Die Wiedergabe des Parteienvorbringens, der Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist daher nicht erforderlich, es genügt vielmehr eine kurze Begründung (§ 500 a zweiter Satz ZPO).

Rechtliche Beurteilung

In ihrer Rechtsrüge reklamiert die Klägerin die Anwendung des Unternehmerzinssatzes gemäß § 1333 Abs. 2 ABGB idF vor dem HaRÄG, BGBl I 2005/120. Nach dieser Bestimmung beträgt bei der Verzögerung der Zahlung von Geldforderungen zwischen Unternehmern aus unternehmerischen Geschäften der gesetzliche Zinssatz 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Diese Bestimmung ist gemäß Art. XXXII Abs. 1 HaRÄG auf den hier vorliegenden Fall anzuwenden, weil es jedenfalls um ein vor dem 31.12.2006 abgeschlossenes Rechtsgeschäft geht. Diese Bestimmung wurde durch das ZinsRÄG, BGBl I 2002/118 eingeführt, wobei es der ausdrücklich deklarierten Absicht des Gesetzgebers entsprach, dass dieser erhöhte Zinssatz nicht nur für die der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr unterliegenden Entgeltsforderungen von Unternehmern aus der Lieferung von Gütern oder der Erbringung einer Dienstleistung gelten solle, sondern allgemein für die Verzögerung der Zahlung von Geldforderungen aus dem unternehmerischen Geschäft. In beiden Fällen besteht das von der Richtlinie gesehene Bedürfnis, den Zahlungsverzug einzudämmen. Die Beschränkung des erhöhten gesetzlichen Zinssatzes auf die eigentlichen Entgeltsforderungen würde dazu führen, dass Forderungen aus ein- und demselben Geschäft unterschiedlich verzinst werden müssten (etwa eine Entgeltsforderung und eine vertragliche Schadenersatzforderung des Gläubigers), was wohl nicht sachgerecht wäre (1167 Blg. NR 21. GP 10). Aufgrund dieser gesetzgeberischen Wertung hat das Berufungsgericht (hg. 21 R 368/05h) daher bereits - insoweit durchaus in Übereinstimmung mit der Berufungswerberin - ausgesprochen, dass etwa ein Schadenersatzbegehren, gerichtet auf Verdienstentgang, ex contractu dem § 1333 Abs. 2 ABGB zu unterstellen wäre. Auch der OGH judiziert (RIS-Justiz RS0120608), dass diese Bestimmung generell für jede verspätete Zahlung von Geldforderungen zwischen Unternehmern aus dem unternehmerischen Geschäft gelte, und zwar auch für Schadenersatzforderungen und unabhängig davon, um welchen Vertragstyp es sich handle; nicht entscheidend sei, ob die Geldforderung aus der Verletzung einer vertragstypischen Hauptleistung oder einer vertraglichen Nebenpflicht resultiere. Auch Gewährleistungs- oder vertragliche Schadenersatzansprüche sind daher grundsätzlich nach § 1333 Abs. 2 ABGB zu verzinsen. Daraus ist für die Berufungswerberin aber noch nichts zu gewinnen. Einigkeit herrscht nämlich zunächst darüber, dass die Verzinsung deliktischer Ansprüche mangels Geschäftsbezogenheit davon unberührt bleibt (Dehn, Das Zinsrechts-Änderungsgesetz, RdW 2002,486f; RIS-Justiz RES0000072). Hier macht die Klägerin der Sache nach einen deliktischen Anspruch wegen der Verletzung ihres absolut geschützten Eigentumsrechts am Kabel gegen die Beklagte geltend. Sie stützt dabei ihren Anspruch (auch) auf die Verletzung von vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten, die der Werkvertrag zwischen der Gemeinde als Auftraggeberin und der Beklagten entfalte.

Der Unternehmerbegriff des § 1333 Abs. 2 ABGB richtet sich nach § 1 Abs. 2 KSchG; juristische Personen des öffentlichen Rechts wie die Gemeinde Hafnerbach sind daher immer als Unternehmer anzusehen (Reischauer in Rummel3, Rz 5 zu § 1333). Nach der Aktenlage wäre also zunächst davon auszugehen, dass der Werkvertrag zwischen der Gemeinde Hafnerbach und der Beklagten ein Unternehmergeschäft war, zwischen diesen daher jedenfalls die Zinsbestimmung des § 1333 Abs. 2 ABGB - und zwar auch wegen der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten - zur Anwendung käme.

Die im Gesetz nicht erwähnte Figur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wurde von der Lehre entwickelt und von der Rechtsprechung aufgegriffen. Sie bezweckt ähnlich wie das vorvertragliche Schuldverhältnis eine Erweiterung der vertraglichen Schadenersatzpflicht über den Kreis der eigentlichen Vertragspartner hinaus, wobei es dabei hauptsächlich um die Anwendung der für den Geschädigten günstigeren Gehilfenhaftung nach § 1313 a ABGB geht. Es wurde nämlich als willkürliche Unterscheidung empfunden, dass etwa bei einer Verletzung des Werkbestellers durch einen Gehilfen des Werkunternehmers der Werkunternehmer nach § 1313 a ABGB haftet, bei der Schädigung eines Kindes des Werkbestellers aber nur nach § 1315 ABGB. Hauptursache und Grundlage der Konstruktion des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter war also die Unzulänglichkeit der Deliktshaftung (Koziol-Welser, II12 135). Tatsächlich hat der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in den Kabelbruchfällen - wie hier einer zu beurteilen ist - auch große praktische Bedeutung erlangt, weil der OGH die Auffassung vertritt, dass dem Bauunternehmen eine vertragliche Nebenpflicht obliegt, Leitungen, Kanäle, Kabel etc., die sich im unmittelbaren Gefahrenbereich befinden, nicht zu beschädigen (Harrer in Schwimann3, Rz 117 zu § 1295).

Während die ältere Lehre und Rechtsprechung diese Schutz- und Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter tatsächlich auf einen Vertrag stützte, weshalb konsequenterweise auch ein vertraglicher Ausschluss zugelassen wurde (SZ 51/169), sind die neuere Lehre und ihr folgend auch der OGH (SZ 69/258) nunmehr der Meinung, dass die Haftung gegenüber dem Dritten auf einer objektivrechtlichen Wirkung des Schuldverhältnisses beruht; der Dritte wird von Gesetzes wegen in den Schutzbereich des Verpflichtungsverhältnisses einbezogen, weshalb ein Ausschluss solcher Pflichten ein Vertrag zu Lasten Dritter wäre (Koziol-Welser a.a.O., 137; Harrer a.a.O., Rz 117 f). In dogmatischer Hinsicht handelt es sich daher nach neuerer Lehre und Rechtsprechung nicht mehr um einen vertraglich vereinbarten Schutz außenstehender Dritter, sondern um eine objektiv-rechtliche, also von Gesetzes wegen bestehende Pflicht aus dem Werkvertrag. Der von der Klägerin hier geltend gemachte Schadenersatzanspruch gründet sich daher - wenn auch der zwischen der Gemeinde und der beklagten Partei geschlossene Werkvertrag unabdingbare Voraussetzung dafür ist - nicht unmittelbar auf diesen Vertrag, sondern auf das Gesetz, hätte er doch durch eine entsprechende Vereinbarung der Vertragsparteien gar nicht ausgeschlossen werden können. Dass der von der Klägerin verfolgte Anspruch dem Deliktsrecht und damit der Nichtanwendbarkeit des § 1333 Abs. 2 ABGB mangels Geschäftsbezogenheit eher nahesteht als vertraglichen Ansprüchen, erhellt auch daraus, dass nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung grundsätzlich Schutzwirkungen zugunsten Dritter sich nur auf absolut geschützte Rechte beziehen, der bloße Vermögensschaden daher nicht zu ersetzen ist (Harrer in Schwimann3, Rz 121 zu § 1295). Eine Ausnahme würde lediglich bei Pflichtverletzungen bestehen, die nur vermögensmäßige Auswirkungen haben können (etwa die Erstattung eines unrichtigen Sachverständigengutachtens), davon kann hier nicht die Rede sein. Wenn auch der Kabelschaden selbst natürlich ein Schaden an einem absolut geschützten Rechtsgut ist, kann dies beim Zinsschaden des § 1333 Abs. 2 ABGB keinesfalls angenommen werden.

Das Oberlandesgericht Wien hat in der auch von der Berufungswerberin zitierten Entscheidung 5 R 46/06f die Auffassung vertreten, der aufgrund des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter begünstigte Dritte erhalte gegenüber dem Schädiger, soweit es Schadenersatzansprüche betreffe, die Stellung eines Vertragspartners mit allen für ihn günstigen Konsequenzen, was etwa auch auf die Zuständigkeitsvorschrift des § 51 Abs. 1 Z 1 JN (4 Ob 203/00g) durchschlagen müsse. Da es sich somit um eine vertragliche schadenersatzrechtliche Geldforderung des Dritten im Geschäftsverkehr handle, stünden Verzugszinsen nach der zitierten Bestimmung zu. In der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien 2 R 134/06z wurde diese Rechtsprechung zwar referiert, allerdings blieb dahingestellt, ob an ihr festzuhalten sei oder nicht. Dort wurde das auf § 1333 Abs. 2 ABGB gestützte Zinsenbegehren mangels ausreichender Behauptung zu einem Unternehmergeschäft abgewiesen.

Das Berufungsgericht sieht im konkreten Fall durchaus Unterschiede zwischen der Frage der handelsgerichtlichen Zuständigkeit gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 JN einerseits und der Reichweite des Verzugszinsensatzes nach § 1333 Abs. 2 ABGB andererseits. In § 51 Abs. 1 Z. 1 JN nF werden vor die selbständigen Handelsgerichte verwiesen „Streitigkeiten aus unternehmensbezogenen Geschäften, wenn die Klage gegen einen im Firmenbuch eingetragenen Unternehmer gerichtet ist und das Geschäft auf Seiten des Beklagten ein unternehmensbezogenes Geschäft ist.“

Es geht daher im Wesentlichen um die (eingetragene) Unternehmereigenschaft des Beklagten. Auf den allgemeinen Unternehmensbezug des Geschäfts und darauf, dass es sich um eine Streitigkeit zwischen Unternehmern handeln müsse, ist in dieser Zuständigkeitsvorschrift nicht Bedacht genommen.

Dem gegenüber stellt § 1333 Abs. 2 ABGB ausdrücklich darauf ab, dass es sich um eine Verzögerung der Zahlung von Geldforderungen zwischen Unternehmern aus unternehmerischen Geschäften handeln müsse, was als Hinweis des Gesetzgebers darauf verstanden werden könnte, dass er diesen Verzugszinssatz auf die eigentlichen Parteien des unternehmerischen Geschäftes beschränken wollte.

In diese Richtung scheint auch die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der ähnlich formulierten Bestimmung des § 49 a ASGG zu weisen (RIS-Justiz RS0111495). Dort wurde nämlich - ebenso durch das ZinsRÄG - angeordnet, dass die gesetzlichen Zinsen für Forderungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis 8 von 100 pro Jahr über dem am Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit geltenden Basiszinssatz betragen. Beruht die Verzögerung der Zahlung auf einer vertretbaren Rechtsansicht des Schuldners, so sind nur die sonstigen Bestimmungen über die gesetzlichen Zinsen anzuwenden. Soweit den Zinsen nach § 3 Abs. 2 Z 2 (nunmehr § 3 Abs. 2) IESG aber kein originärer Anspruch gegen den Arbeitgeber zugrunde liege, komme die Anwendung des § 49 a ASGG für Arbeitnehmerforderungen gegenüber dem IESG-Fonds nicht in Frage, insoweit seien die Zinsen gemäß § 1333 ABGB mit 4 % zu bemessen (SZ 72/24). Diese Rechtsprechung kann zwar im hier vorliegenden Fall nicht unmittelbar angewendet werden, weil es einerseits um § 49 a ASGG und andererseits um aus sozialen Gründen eingeführte konkursrechtliche Sonderbestimmungen geht; die dem zugrundeliegende Wertung kann jedoch auch hier fruchtbar gemacht werden.

Darüber hinaus ist - da § 1333 Abs. 2 ABGB ja in Umsetzung der EU-Zahlungsverzugsrichtlinie 2000/35/EG eingeführt wurde - auch die europarechtliche Rechtslage mitzuberücksichtigen. In dem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung zu Art. 5 Z. 1 EuGVÜ/LGVÜ (nunmehr Art. 5 Z. 1 EuGVVO) zu verweisen, wo es um besondere Gerichtsstände geht, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Auch dort wird zwar grundsätzlich vertreten, dass dieser Gerichtsstand sehr wohl nicht nur die Hauptleistungspflicht, sondern auch vertragliche Schadenersatz-, Gewährleistungs- oder Rückerstattungsansprüche erfasst (JN/ZPO16, E. 18 f zu Art. 5 EuGVVO). Allerdings müsse die in Art. 5 Z 1 EuGVÜ vorausgesetzte vertragliche Beziehung zwischen den Streitparteien bestehen; ein Vertrag, der Schutzwirkung zugunsten eines Dritten entfaltet, könne zur Annahme einer vertraglichen Beziehung im Sinn dieser Bestimmung in Ansehung des Dritten nicht genügen und falle daher nicht unter die Zuständigkeitsbestimmungen (RIS-Justiz RS0114003; SZ 2003/11). Diese europarechtliche Grundwertung ist auch bei der richtlinienkonformen Auslegung des § 1333 Abs. 2 ABGB zu berücksichtigen.

Zuletzt sei noch auf ein weiteres Argument verwiesen, das gegen eine konsequente Fortführung der vom Oberlandesgericht Wien zu 5 R 46/06f vertretenen Auffassung spricht; da es dabei nur auf die Unternehmereigenschaft der ursprünglichen Vertragsparteien ankäme, wäre in einem Fall, in dem etwa nicht eine Unternehmerin wie die Telekom, sondern ein Privater durch die Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten zu Schaden kommt (also z.B. in eine mangelhaft abgesicherte Baugrube fällt), diesem jedenfalls die Geltendmachung von Unternehmerzinsen nach § 1333 Abs. 2 ABGB zugestehen, während im Falle, dass derartige Schutz- und Sorgfaltspflichten aus Vertrag nicht angenommen werden könnten, es also etwa bloß um die Verletzung von Wegehalterpflichten oder Verkehrssicherungspflichten ginge, nur der gesetzliche Zinssatz von 4 % heranzuziehen wäre. Dass der Gesetzgeber durch das ZinsRÄG derartige Ergebnisse herbeiführen wollte, kann nicht unterstellt werden.

Das Berufungsgericht vertritt daher zusammengefasst die Meinung, dass bei bloßer Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter (die nach neuerer Lehre ohnedies unmittelbar auf dem Gesetz beruhen) der daraus resultierende Schadenersatzanspruch des Dritten niemals ein solcher zwischen Unternehmern aus dem Unternehmergeschäft im Sinn des § 1333 Abs. 2 ABGB sein kann. Der Berufung konnte somit kein Erfolg beschieden sein. Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat die Klägerin der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen, die tarifgemäß verzeichnet wurden. Die Revision ist gemäß § 502 Abs. 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6