JudikaturJustiz21R436/06k

21R436/06k – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
11. Januar 2007

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Steger und Dr. Jungblut in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Christian M*****, *****, 3462 F*****, *****, vertreten durch Mag. Andreas M. Pfeifer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Franz Anton M*****, ***** 3465 K *****, 2. DI Kathrin M*****, *****,

ebenda, beide vertreten durch Dr. Frank Riel, Dr. Josef Cudlin,

Dr. Wolfgang Grohmann, Rechtsanwälte in Krems/Donau, wegen €

4.395,18 s.A., über die Berufung der Beklagten (Berufungsinteresse € 4.312,77 s.A.) sowie den Kostenrekurs des Klägers (Rekursinteresse € 1.278,60) gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Tulln vom 6.10.2006, 11 C 878/04x-22, gemäß § 492 Abs. 2 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird t e i l w e i s e F o l g e gegeben und das angefochtene Urteil, das hinsichtlich des implizit enthaltenen Ausspruchs der Feststellung einer Klagsforderung als mit € 4.312,77 zu Recht bestehend als unangefochten unberührt bleibt, im Übrigen teilweise abgeändert, teilweise mit einer Maßgabe bestätigt bzw. ergänzt, sodass es insgesamt zu lauten hat wie folgt:

„1. Die Klagsforderung besteht mit € 4.312,77 zu Recht und mit €

82,41 nicht zu Recht.

2. Die Aufrechnungseinrede wird hinsichtlich eines Betrags von €

3.995,64 zurückgewiesen.

3. Die Gegenforderung besteht mit € 1.000,-- zu Recht, hinsichtlich €

2.003,94 hingegen nicht zu Recht.

4. Die Beklagten sind daher zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen € 3.312,77 samt 4 % Zinsen seit 13.9.2001 zu bezahlen.

5. Das Mehrbegehren von € 1.082,41 samt 4 % Zinsen seit 13.9.2001 wird a b g e w i e s e n .

6. Der Kläger ist schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen die mit €

1.051,34 bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.“

Mit seinem Kostenrekurs wird der Kläger ebenso wie die Beklagten mit ihrer Kostenrekursbeantwortung auf diese Entscheidung verwiesen. Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit € 228,13 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist n i c h t z u -

l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelaus- führungen - abgesehen von der Berücksichtigung einer Gegenforderung im Ausmaß von €

1.000,-- und diverser formeller Ergänzungen - für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Urteiles für im Ergebnis zutreffend. Die Wiedergabe des Parteienvorbringens, der Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist daher nicht erforderlich, es genügt vielmehr eine kurze Begründung (§ 500 a zweiter Satz ZPO). In ihrer Berufung machen die Beklagten zunächst Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend. Das Erstgericht habe hinsichtlich der von ihnen als Gegenforderung eingewendeten erhöhten Heizkosten von € 500,-- und der durch die Dauer der Mängelsanierung erfolgten Beeinträchtigung und Beschädigung des PU-Schaums im Betrag von € 1.200,-- zu Unrecht § 273 ZPO nicht angewendet.

Mit diesen Ausführungen sind sie auch im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob § 273 ZPO angewendet werden darf, tatsächlich eine Verfahrensfrage ist, das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO würde hingegen in den Bereich der rechtlichen Beurteilung fallen (MGA JN/ZPO16, E. 4, 10 zu § 273 ZPO).

Gemäß § 273 Abs. 1 ZPO kann das Gericht, wenn feststeht, dass einer Partei der Ersatz eines Schadens oder des Interesses gebührt oder dass sie sonst eine Forderung zu stellen hat, der Beweis über den streitigen Betrag des zu ersetzenden Schadens oder Interesses oder der Forderung aber gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen ist, auf Antrag oder von Amts wegen selbst mit Übergehung eines von der Partei angebotenen Beweises diesen Betrag nach freier Überzeugung festsetzen.

Hier haben die Beklagten u.a. eingewendet, dass es durch die jahrelange Verzögerung in der Lieferung der Fenster nicht möglich gewesen sei, den Vollwärmeschutz am Haus ordnungsgemäß anzubringen. Dadurch seien in zumindest einer Heizsaison weit höhere Kosten aufgelaufen als bei entsprechendem Anbringen des Vollwärmeschutzes, wobei der Mehraufwand an Heizkosten mit € 500,-- beziffert wurde. Darüber hinaus hätten die Beklagten über einen längeren Zeitraum keine Gewissheit gehabt, ob Fenster und Fensterstöcke verbleiben könnten, es sei daher auch nicht möglich gewesen, die Fassade fertigzustellen. Durch die mangelnde Abdeckung des PU-Schaums durch die nicht fertiggestellte Fassade, und zwar aufgrund von Licht- und Feuchtigkeitseinwirkungen, sei der PU-Schaum zwischen Mauerwerk und Fensterstöcken beeinträchtigt und beschädigt worden, er müsse ausgewechselt werden und die Kosten hiefür betrügen zumindest €

1.200,--. Zu beiden Gegenforderungen haben die Beklagten die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Die Erstrichterin hat zu diesem Themenkreis nun festgestellt, dass die ursprüngliche Lieferung sämtlicher Fensterelemente samt Balkontür im Juni 2001 erfolgt sei, die Montage sei im Lauf des Sommers 2001 vorgenommen worden. Aufgrund von optischen Mängeln der Fenster und Problemen mit der Falzluft (Kondenswasserbildung sowie Eisbildung im Winter) sei es zu diversen Verhandlungen gekommen. Letztlich aufgrund eines Beweissicherungsverfahrens (11 Nc 4/03t) und eines von den Beklagten eingeholten Privatgutachtens sei es zu einer Vereinbarung auch unter Beiziehung der Fa. O ***** GmbH als Lieferantin gekommen, wonach sämtliche Fensterflügel getauscht, die Fixelemente verbessert und K- dB-Werte bei den Fenstern im Wohnzimmer- und Küchenbereich bzw. allen mit erhöhtem Schallschutz bestellten Fenstern neu zur Verfügung gestellt und in die gefertigten Flügel inklusive Edelstahlabstandhalter eingebaut würden.

Ausdrücklich festgestellt wurde weiters, dass die Fenster ohne Blindstock direkt im Mauerwerk versetzt seien und der Vollwärmeschutz teilweise die Blendrahmen überdecke, sodass bis zur Ergründung und Behebung der Ursache für die Kondenswasser- und Eisbildungsproblematik der Vollwärmeschutz am Haus der Beklagten nicht angebracht und die Fassade nicht fertiggestellt werden habe können. Dadurch seien über einen Zeitraum von 2 Jahren höhere Heizkosten in einem nicht näher feststellbaren Umfang aufgelaufen. Weiters sei der PU-Schaum zwischen Mauerwerk und Fensterstöcken schutzlos der Witterung ausgesetzt gewesen und habe teilweise getauscht werden müssen, teilweise auch nur in der Qualität gelitten. Nicht feststellen konnte die Erstrichterin allerdings, dass sich der entsprechende Aufwand bzw. die Qualitätsminderung auf einen Betrag von € 1.200,-- beliefe.

Es handelt sich dabei tatsächlich um einen geradezu klassischen Anwendungsfall des § 273 ZPO.

Auch durch das beantragte Sachverständigengutachten ist schon abstrakt kaum nachweisbar, in welcher Höhe den Beklagten Heizkosten aufgelaufen wären, wären die bestellten Fenster von Anfang an ordnungsgemäß geliefert und der Vollwärmeschutz termingemäß angebracht worden. Auch die Frage der Bezifferung des Schadens am PU-Schaum - der nach den Feststellungen zweifelsfrei eingetreten ist - ist durch ein Sachverständigengutachten nur schwer beantwortbar. Dass zu beiden Positionen aber tatsächlich Schäden aufgetreten sind, steht definitiv fest. Dass die Erstrichterin die Schadenshöhe nicht exakt feststellen konnte, hindert nicht die Anwendung des § 273 ZPO, sondern wird in dieser Bestimmung geradezu vorausgesetzt. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass Sachverständigengutachten gewisse Aufklärungen zu diesen Gegenforderungen bringen hätten können, wäre dies doch ein unverhältnismäßiger Aufwand gewesen.

Vom Ergebnis der Schätzung her hält das Berufungsgericht aus dem Titel der erhöhten Heizkosten tatsächlich einen Schaden der Beklagten von € 500,-- für wahrscheinlich; diesbezüglich darf auch auf die Schätzung nach freier Überzeugung nach § 273 Abs. 2 letzter Satz ZPO verwiesen werden. Geht man von Heizkosten eines Einfamilienhauses in einem Winter von ca. € 2.500,-- aus und berücksichtigt man eine Senkung der Heizkosten um 10 % durch einen angebrachten Vollwärmeschutz, dann ist bei einer Verzögerung der Mängelbehebung um zwei Wintersaisonen ein Mehrbedarf an Heizkosten von € 500,-- durchaus nachzuvollziehen, wie dies in der Berufung reklamiert wird. Ähnliches gilt für den PU-Schaum. Die Beklagten haben in erster Instanz diesbezüglich € 1.200,-- eingewendet, wollen im Berufungsverfahren aber nur mehr auf € 500,-- aus diesem Titel hinaus, die das Berufungsgericht auch für unbedenklich hält. Dass PU-Schaum unter Einfluss von Wind und Wetter zum Schrumpfen neigt und daher nach zwei Saisonen zumindest teilweise ausgetauscht werden muss, wenn der Vollwärmeschutz nicht angebracht wird, ist nachvollziehbar. Gerichtsbekannt ist, dass PU-Schaum sehr teuer ist und gerade der Austausch des PU-Schaums eine durchaus arbeitsintensive Tätigkeit darstellt (er muss händisch herausgeschnitten werden). Unter Berücksichtigung dieser Umstände scheinen € 500,-- aus diesem Titel ebenfalls angemessen. Dass der Kläger als Vertragspartner der Beklagten für diese Mangelfolgeschäden grundsätzlich einzustehen hat, war im Verfahren erster Instanz in Wahrheit gar nicht strittig. Einen Entlastungsbeweis nach § 1298 ABGB hat er gar nicht angetreten. In formeller Hinsicht ist hinsichtlich der Gegenforderungen folgendes zu bedenken:

Die Erstrichterin hat keinen mehrgliedrigen Urteilsspruch gefällt, aus ihren rechtlichen Überlegungen ergibt sich aber, dass sie die eingewendeten Gegenforderungen insgesamt als nicht zu Recht bestehend feststellen wollte.

Was den Betrag von € 1.000,-- (€ 500,-- für Heizkosten, € 500,-- für PU-Schaumtausch) betrifft, war daher in teilweiser Abänderung festzustellen, dass die Gegenforderung insoweit zu Recht besteht. Der Mehrbetrag von € 700,-- hingegen besteht ebensowenig zu Recht wie die eingewendete Schadenersatzforderung für das Ausmalen der Fensterleibungen (€ 1.200,--) und den Montagefehler bei den Rollläden (€ 103,94). Auf diese Gegenforderungen kommen die Berufungswerber auch nicht mehr zurück, sie machen insgesamt einen Betrag von €

2.003,94 aus, in dem Ausmaß besteht die Gegenforderung nicht zu Recht.

Auch hinsichtlich der laut Ersturteil zu Recht bestehenden Klagsforderung werden keine Einwände im Berufungsverfahren mehr erhoben, insbesondere wird der Preisminderungseinwand nicht aufrechterhalten. Der mangelnden Fälligkeit des Haft- und Deckungsrücklasses wurde bereits im Verfahren erster Instanz durch die diesbezügliche Einschränkung des Klagebegehrens seitens des Klägers Rechnung getragen.

Letztlich bleibt die von den Beklagten ebenfalls als materiell-rechtliche Gegenforderung eingewendete Kostenforderung im Ausmaß von insgesamt € 3.995,64. Auch darüber hat das Erstgericht keine ausdrückliche Entscheidung getroffen; aus den Erwägungen in der rechtlichen Beurteilung lässt sich aber ableiten, dass es eher die Meinung vertreten hat, insoweit sei der ordentliche Rechtsweg nicht zulässig.

Es hat einen Teil dieser vorprozessualen Kosten den Beklagten auch tatsächlich (entsprechend dem Ausmaß des Obsiegens) als Kosten zugesprochen; die diesbezüglichen vorprozessualen Kosten haben die Beklagten nämlich hilfsweise auch in der Kostennote geltend gemacht. Diese Rechtsmeinung der Erstrichterin ist entgegen den Berufungsausführungen auch zu teilen.

Die eingewendete Forderung der Beklagten setzt sich aus folgenden Positionen zusammen:

Einerseits ging es dabei um die Kosten des Beweissicherungsverfahrens 11 Nc 4/03t des Bezirksgerichtes Tulln, in dem es um eine Befunderhebung hinsichtlich Art und Qualität der Fenster sowie des Einbaus ging. Aus dem Beweissicherungsverfahren wurden eingewendet die Kosten des dort beigezogenen Sachverständigen Ing. Wolfgang H***** von € 1.452,23, die von den Antragstellern im Beweissicherungsverfahren (beklagten Parteien in diesem Verfahren) an den dortigen Antragsgegner zu bezahlenden Anwaltskosten von € 423,94 und letztlich die an den Vertreter der Antragsteller (hier Beklagten) zu zahlenden Anwaltskosten von € 919,47.

Dazu wurden noch Kosten eines Privatgutachtens des Sachverständigen DI Ulf G*****von € 1.200,-- eingewendet.

Die Beklagten meinen hiezu, diese Kosten seien nicht in Vorbereitung des gegenständlichen Rechtsstreites entstanden, sind dabei aber nicht im Recht. Grundsätzlich sind die Kosten eines Beweissicherungsverfahrens vor- oder nebenprozessuale Kosten (RZ 1992/26; RIS-Justiz RS 0036022), sie dienen ebenso wie etwa die Kosten der Privatbeteiligung der Erleichterung der Rechtsverfolgung und der ökonomischen Anspruchsdurchsetzung. Der Antragsteller kann die Gegnerkosten wie auch seine eigenen Kosten dann im Nachfolgeprozess in der Kostennote als vorprozessuale Kosten verzeichnen, sie sind dort akzessorisch und teilen das Schicksal der Kosten in der Hauptsache (RZ 1992/26; RIS-Justiz 0036022). Nur wenn der Prozess nach dem Beweissicherungsverfahren unterbleibt, kann der Antragsteller diese Kosten als Hauptanspruch einklagen, sofern sie ihre Akzessorietät etwa als Folge der Erfüllung einer Hauptforderung verloren haben (6 Ob 98/00f; RIS-Justiz RS 0036014; Obermaier Kostenhandbuch, Rz 61). Dabei ist die Beweissicherung aber keineswegs ein Monopol des potenziellen Klägers; auch der potenzielle Beklagte kann sie zwecks Abwehr von Ansprüchen des Gegners (Klägers) für den möglichen Klagsfall beantragen. Die Beklagten meinen nun, die Kosten seien deshalb nicht in Vorbereitung des hier gegenständlichen Rechtsstreits entstanden, weil sie der Durchsetzung des Anspruchs auf Wandlung hinsichtlich der ursprünglich gelieferten Fenster gedient hätten.

Dies ist schon deshalb unrichtig, weil der hier zweifellos gegebene Gewährleistungsfall ja nicht durch Wandlung erledigt wurde, sondern durch Austausch; der nunmehrige Kläger bzw. auch die Lieferantin (Fa. O***** ***** *****) haben die mangelhaften Fenster (teilweise) ausgetauscht.

Es mag nun sein, dass ein Teil der Ansprüche der Beklagten aufgrund der Ergebnisse des Beweissicherungsverfahrens durch Erfüllung erledigt wurde (nämlich der Austauschanspruch); sie haben aber ungeachtet dieses Austauschs im Verfahren weitere Mängel behauptet; sie haben etwa einen Preisminderungsanspruch deshalb eingewendet, weil die nunmehr getauschten Fenster optisch nicht ganz exakt den bestellten entsprochen hätten, sie haben Mangelfolgeschäden behauptet und in diesem Prozess eingewendet, in dem der Kläger seinen restlichen Werklohn geltend gemacht hat. Es war daher nach Abschluss des Beweissicherungsverfahrens keineswegs klar, dass es zu keinem Prozess mehr kommen würde, es ist vielmehr ungeachtet des Austauschs der Fenster zu einem Prozess gekommen, in dem auch die Antragsteller des Beweissicherungsverfahrens noch materiell-rechtliche Ansprüche aus diesem Gewährleistungsfall geltend gemacht haben; die Beweissicherungskosten sind daher ebenso wie die Kosten für das von ihnen eingeholte Privatgutachten sehr wohl nach wie vor akzessorisch und teilen das Schicksal der Hauptsache.

Hinsichtlich des Privatgutachtens sei auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, dass es sich dabei um Aufwendungen handeln muss, die außergerichtlich ohne hiefür gesetzlich vorgesehenes Verfahren zum Zweck der konkreten Vorbereitung oder Förderung des Prozesses aufgewendet wurden, die also unmittelbar seiner Vorbereitung dienen (Obermaier a.a.O., Rz 68 mwN). Beim vor dem Prozess eingeholten Privatgutachten ist dabei auf die ganz konkrete Prozessbezogenheit als Abgrenzungskriterium für die Eigenschaft als vorprozessuale Kosten zu achten; nur wenn das Interesse darüber hinausgeht, können die Kosten Hauptforderung sein. Diese Abgrenzung ist bei Geltendmachung im Prozess als Hauptforderung zu behaupten und auch zu beweisen (Obermaier a.a.O.). Dient daher etwa ein Privatgutachten auch der Klärung von grundlegenden Fragen des Sachverhalts, war es also bei der Beauftragung noch nicht klar, ob überhaupt und wenn ja gegen wen prozessiert werden soll, dann könnte es um eine Maßnahme gehen, die nicht unmittelbar der Vorbereitung des konkreten späteren Rechtsstreites dient. Diese Kosten wären dann nicht rein vorprozessuale Kosten, sondern eine Hauptforderung (6 Ob 98/00f). Davon kann hier aber auch angesichts des Gutachtens des DI Ulf G***** keine Rede sein. Aus der Honorarnote (Beilage ./7) ergibt sich, dass DI Ulf G***** für Beratung, Befundaufnahme und Teilnahme an Vermittlungsgesprächen betreffend die Fenster der Beklagten beigezogen wurde, was letztlich auch zu einer teilweisen Erledigung dieses Gewährleistungsfalls durch die Vereinbarung vom 26.9.2003 (Beilage ./4) führte. Ausdrücklich eingewendet haben die Beklagten zur Beiziehung des Sachverständigen DI G***** in der Verhandlung vom 10.12.2004, dass es aufgrund dessen zur Erstattung eines vorprozessualen Privatgutachtens, letztlich dann zur Vereinbarung gekommen sei, an der die klagende Partei und auch die "Nebenintervenientin" Fa. O ***** GmbH (die dem Verfahren allerdings tatsächlich nicht beigetreten ist) beteiligt gewesen seien. Im Verfahren erster Instanz haben die Beklagten daher entgegen ihrer Behauptungslast nicht einmal behauptet, dass ihr Interesse an der Beiziehung des DI Ulf Geppert über den konkreten Prozess hinausginge, sie haben sogar das Gegenteil vorgebracht. Auch diesbezüglich ist daher die Prozessbezogenheit der Kosten sehr wohl zu bejahen. Damit ist aber der Rechtsweg für die eingewendete vorprozessuale Kostenforderung von € 3.995,64 in Wahrheit unzulässig; in diesem Umfang war die Aufrechnungseinrede der Beklagten daher zurückzuweisen (RIS-Justiz RS 0044212; RIS-Justiz RS 0033900).

Die teilweise Abänderung des Ersturteils machte auch eine neue Berechnung der Kosten nach den Prinzipien der §§ 43 Abs. 1, 50 ZPO erforderlich.

Im ersten Verfahrensabschnitt (bis zur Verhandlung am 1.3.2006, in der die Einschränkung um die Haft- und Deckungsrücklassbeträge von €

1.913,75 erfolgte) ist der Kläger mit 52 % seiner Ansprüche durchgedrungen, mit 48 % unterlegen; hier kommt es zur Kostenaufhebung. Allerdings stehen dem Kläger 52 % der Pauschalgebühr zu, das sind € 133,28.

Im zweiten Abschnitt (mündliche Streitverhandlung vom 1.3.2006) ist der Kläger dann mit 3/4 seiner Ansprüche durchgedrungen, er hat daher Anspruch auf 3/4 der Zeugengebühr D***** von € 125,--, das sind €

93,75 und auf 50 % der Anwaltskosten von insgesamt € 440,04 in diesem Abschnitt, das sind daher € 220,02. Den Nichtzuspruch des doppelten Einheitssatzes durch die Erstrichterin hat der Kläger nicht gerügt. Dem gegenüber ist zu stellen der Ersatzanspruch der Beklagten aus dem Titel vorprozessuale Beweissicherungskosten. Der Höhe nach wurden sie mit € 3.995,64 verzeichnet, durch Vorlage von Urkunden auch bescheinigt und ihre grundsätzliche Notwendigkeit wurde im Rekurs auch vom Kostenrekurswerber nicht mehr in Zweifel gezogen. Dieser meint allerdings, es sei nicht richtig, den Beklagten die vorprozessualen Kosten wie Barauslagen im Verhältnis des Obsiegens zuzusprechen.

Dem Kläger ist zuzugeben, dass seine Rechtsauffassung von manchen Gerichten zweiter Instanz (insbesondere vom LG für ZRS Wien - siehe die Zitate in MGA JN/ZPO16, E. 22 zu § 43 ZPO) geteilt werden. Das Berufungsgericht hält jedoch gerade in diesem Fall eine Analogie zu § 43 Abs. 1 letzter Satz ZPO und daher eine Behandlung der vorprozessualen Kosten wie Barauslagen für gerechtfertigt, dies aus folgenden Gründen:

Zunächst ist einmal darauf zu verweisen, dass der Großteil der eingewendeten vorprozessualen Kosten Sachverständigengebühren und daher tatsächlich Barauslagen betrifft, die - ganz im Sinn der Regelung des § 43 Abs. 1 letzter Satz ZPO - nur von einer Partei des Beweissicherungsverfahrens, nämlich nur von den dortigen Antragstellern und nunmehr beklagten Parteien getragen wurden. Aber auch hinsichtlich der Kosten der anwaltlichen Vertretung im Beweissicherungsverfahren erscheint die Behandlung als Barauslagen sachgerecht. Im Beweissicherungsverfahren muss die antragstellende Partei die Kosten der Beweisaufnahme unbeschadet eines ihr zustehenden Ersatzanspruchs gemäß § 388 Abs. 3 ZPO bestreiten, auch dem Gegner muss sie die notwendigen Kosten für die Beteiligung bei der Beweisaufnahme unbeschadet der Entscheidung in der Hauptsache ersetzen.

Nun zählt zwar § 43 Abs. 1 letzter Satz ZPO die getragenen Barauslagen grundsätzlich taxativ auf. Allerdings ist diese Aufzählung nicht abschließend und schließt eine vorsichtige Analogie nicht aus (Obermaier, a.a.O., Rz 158 mwN). Naheliegend ist, diese Bestimmung für alle den taxativ aufgezählten Kostenarten (wie etwa der Pauschalgebühr) sachlich vergleichbaren Prozesskosten, die eine Partei aufgrund besonderer gesetzlicher Verfahrensvorschriften zunächst allein bevorschussen muss, anzuwenden. Das sind z.B. typischerweise diejenigen des Beweissicherungsverfahrens, vor allem des dortigen Gutachters (Obermaier a.a.O.; 2 Ob 157/00b auch hinsichtlich der durch Einholung von Privatgutachten erwachsenen vorprozessualen Kosten).

Die Beklagten haben daher tatsächlich Anspruch auf Ersatz der vorprozessualen Kosten entsprechend ihrer Obsiegensquote (ohne Quotenkompensation).

Bei mehreren Verfahrensabschnitten ist vom Mittel des Prozesserfolgs in den verschiedenen Abschnitten auszugehen (MGA JN/ZPO16, E. 25 zu § 43 ZPO; hg. 36 R 301/01k; hg. 36 R 179/00t). Im ersten Abschnitt sind die Beklagten mit 48 % durchgedrungen, im zweiten Abschnitt mit 25 %, die Durchschnittsobsiegensquote beläuft sich somit auf 37 %, das sind € 1.478,39. Im gegenseitigen Abzugsweg ergibt sich eine Kostenersatzpflicht zugunsten der Beklagten von € 1.031,34. Aufgrund der ohnedies nötigen Neuberechnung der Kosten waren der Kläger mit seinem Kostenrekurs ebenso wie die Beklagten mit ihrer Kostenrekursbeantwortung auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung zweiter Instanz beruht auf §§ 43 Abs. 1, 50 ZPO. Im Berufungsverfahren sind die Beklagten mit 23 % durchgedrungen, sie haben daher Anspruch auf 23 % der Pauschalgebühr, müssen hingegen dem Kläger 54 % der Anwaltskosten ersetzen. Die Verweisung von Kostenrekurs und -beantwortung auf die Berufungsentscheidung ist kein Anwendungsfall des § 50 Abs. 2 ZPO (Fucik in Rechberger, ZPO2, Rz 2 zu leg.cit.).

Da die angesprochenen Rechtsfragen in Übereinstimmung mit der ohnedies zitierten höchstgerichtlichen

Rechtsprechung beantwortet wurden, war die ordentliche Revision nicht

zuzulassen (§ 502 Abs. 1 ZPO).

Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6