JudikaturJustiz21R423/06y

21R423/06y – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2006

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des

Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Steger und Dr.

Jungblut in der Rechtssache der klagenden Partei S ***** GmbH,

***** M*****, Deutschland, *****, vertreten durch Dr. Hans-Georg Zeiner, Dr. Rudolf Pendl, Mag. Andrea Zinober, Mag. Emanuel Boesch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Manfred M*****, Kraftfahrer, ***** T *****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Mag. Hannes Huber, Rechtsanwälte in Melk, wegen € 3.339,89 s.A., über die Berufung des Beklagten (Berufungsinteresse € 305,39 s.A.) gegen das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 7.9.2006, 7 C 671/05a-24, gemäß § 492 Abs. 2 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Berufung wird F o l g e gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem klagsabweisenden Teil als

unangefochten unberührt bleibt, wird im Übrigen a u f g e h o b e n

und dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

Text

Begründung:

Im Berufungsverfahren ist von folgendem, insoweit nicht mehr strittigen Sachverhalt auszugehen:

Die Klägerin betreibt ein Gewinnspiel im Internet. Wer daran teilnehmen möchte, muss sich als Kunde anmelden und bei der Klägerin registrieren lassen. Als Kunde hat man die Möglichkeit der sogenannten „Freundschaftswerbung“, die in den allgemeinen Teilnahmebedingungen der Klägerin wie folgt geregelt ist: Wenn ein Teilnehmer einer Person, deren E-mail-Adresse noch nicht bei S***** bekannt ist, mit der dafür vorgesehenen E-mail-Funktion (Freunde werben) S***** empfiehlt und der so Geworbene aufgrund dieser Werbung am Gewinnspiel von S***** teilnimmt und einen der Preise gewinnt und auswählt, erhält der Werbende 10 % des Bargewinns bzw. 5 % des Sachwerts in bar als Co-Gewinn. Bei dieser Form der Gewinnmöglichkeit handelt es sich um eine Laienwerbung für S *****. Eingetragen werden dürfen nur persönlich bekannte Kontakte des Teilnehmers. Bei Zuwiderhandlung haftet der Teilnehmer für Ansprüche Dritter, Aufwandsentschädigungen und sonstige Forderungen. Alternativ stehen für die Freundschaftswerbung Banner und Links zum Abruf zur Verfügung. Unter dem Menüpunkt „Freunde werben“ kann der Teilnehmer nach Angabe seiner E-mail-Adresse oder Teilnehmerkennung einen individuellen Bannertag oder Links anrufen. Wird dieser Link auf der Webseite oder in E-mails des Teilnehmers eingesetzt, so werden ihm alle Teilnehmer als Freunde zugewiesen, die nach Klick auf den Banner oder die Links bei Starlotto neu registrieren. Die Provisionsregelung ist hiebei gleich der vorgenannten. Ein unerlaubter E-mail-Versand (Spam) kann zum rückwirkenden Ausschluss des Teilnehmers oder zur Aberkennung der geworbenen Freunde führen. Bei Zuwiderhandlung haftet der Teilnehmer für Ansprüche Dritter, Aufwandsentschädigung und sonstige Forderungen. Pro Kalenderwoche werden darüber hinaus € 50,-- in bar für Freundschaftswerbungen verlost. An der Verlosung nehmen alle in der Kalenderwoche vollständig registrierten Teilnehmer teil, die von einem anderen Teilnehmer durch Benutzung der dafür vorgesehenen E-mail-Funktion (Freunde werben) so geworben wurden. Den Gewinn in Höhe von € 50,-- erhält der Werbende.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung eines Betrags von €

3.339,89 s.A. aus dem Titel des Schadenersatzes. Er habe entgegen den Teilnahmebedingungen die E-mail-Adressen von 1.734 Personen als Freunde angegeben, die er aus einem Online-Spiel bezogen habe, diese Personen seien ihm aber nicht persönlich bekannt gewesen. Aufgrund zahlreicher Beschwerden von Empfängern der Nachrichten der Klägerin sei die Klägerin gezwungen gewesen, an alle Empfänger per E-mail Entschuldigungsschreiben zu versenden, um weiteren Schaden von der Klägerin und vom Beklagten abzuwenden. Die Kosten dieser Maßnahme seien € 3.339,89 gewesen.

Letztlich wurde das Klagebegehren dahin aufgeschlüsselt, dass 1.734 Entschuldigungsmails verschickt hätten werden müssen á € 1,75, dazu komme die Rückforderung der Co-Gewinne laut Beilage ./E und der Gebühr für die Kontosperre.

Der Beklagte erhob Einspruch gegen den Zahlungsbefehl, bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte Abweisung der Klage und wendete ein, es gebe für den Ersatzanspruch der Klägerin keine Rechtsgrundlage. Das Spamverbot des Telekommunikationsgesetzes (TKG), das die Versendung von Werbemails an willkürliche Adressaten pönalisiert, sei nicht einschlägig, weil der Beklagte keine Werbemails versandt habe. Auch auf die AGB könne die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch nicht stützen. In Punkt 6. Freundschaftswerbung sei nicht die Rede davon, dass der Teilnehmer nur persönlich Bekannte werben darf, sondern "persönlich bekannte Kontakte". Die bekanntgegebenen E-mail-Adressen seien alle persönlich bekannte Kontakte des Beklagten gewesen aus einem Internetspiel. Außerdem seien die Vertragsbestimmungen unwirksam im Sinn des § 6 Abs. 3 KSchG, dies gelte auch für die Klausel, dass der Beklagte für Ansprüche Dritter, Aufwandsentschädigungen und sonstige Forderungen haften müsse. Weiters seien die Klauseln der Teilnahmebedingungen auch sittenwidrig im Sinn des § 879 ABGB; soweit darin eine Vertragsstrafe zu sehen sei, werde auch das richterliche Mäßigungsrecht geltend gemacht. Die Gewinnzuschreibungen von € 42,77 und € 283,50 könnten nicht zurückgefordert werden, weil diese Beträge dem Beklagten nie ausbezahlt, sondern lediglich auf dem Teilnehmerkonto gutgebucht worden seien. Im Übrigen habe die Klägerin gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen. Die Klägerin brachte noch ergänzend vor, dass der Beklagte entgegen den Teilnahmebedingungen insgesamt 7 Teilnehmerkonten eingerichtet habe, um seine Gewinnchancen ungerechtfertigterweise zu erhöhen. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht dem Klagebegehren mit einem Betrag von € 305,39 s.A. stattgegeben, das Mehrbegehren von € 3.034,50 s.A. wurde - rechtskräftig - abgewiesen. Dabei ging die Erstrichterin von den Feststellungen auf den Seiten 6 bis 10 der Urteilsausfertigung aus, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden darf.

Rechtlich vertrat sie die Auffassung, die allgemeinen Teilnahmebedingungen der Klägerin seien Vertragsinhalt geworden, weil sie bereits bei der Registrierung des Beklagten von ihm durchgelesen werden hätten können und als anerkannt angeklickt werden hätten müssen. Die vom Beklagten angegebenen 1.734 E-mail-Adressen seien nicht unter den Begriff der persönlich bekannten Kontakte gefallen, die Klägerin habe aber nicht nachweisen können, dass durch die Verletzung des Punktes 6. der allgemeinen Teilnahmebedingungen ihr tatsächlich ein Schaden aus dem Titel der Aufwandsentschädigung von €

3.034,50 entstanden sei. Im Gegensatz dazu seien die besonderen Teilnahmebedingungen bzw. Verhaltensmaßregeln „Freunde werben“ nicht Vertragsinhalt geworden. Die Klägerin könne daher vom Beklagten höchstens den ihr tatsächlich entstandenen Schaden und die in den allgemeinen Teilnahmebedingungen vertraglich vereinbarte Gebühr für die Kontosperre und die Rückforderung der Gewinne begehren. Den klagsstattgebenden Teil dieses Urteiles bekämpft der Beklagte mittels Berufung aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren auch insoweit abgewiesen werden möge. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin hat sich am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligt. Die Berufung ist im Sinn ihres Eventualantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist - und dies wurde sowohl von den Parteien als auch von der Erstrichterin bislang übersehen -, dass es sich hier um einen Sachverhalt mit Auslandsbeziehung handelt. Die Klägerin hat ihren Sitz

in Deutschland. Gemäß § 3 IPRG ist fremdes Recht von Amts wegen und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden. Gemäß § 4 Abs. 1 IPRG ist es auch von Amts wegen zu ermitteln. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien diese Frage unbeachtet gelassen haben (MGA JN/ZPO16, E. 2 zu § 271 ZPO). Die Nichtermittlung der anzuwendenden ausländischen Rechtsnormen ist - auch wenn sie von den Parteien nicht gerügt wurde - ein Verfahrensmangel eigener Art (MGA JN/ZPO16, E. 15 zu § 271 ZPO).

Gemäß § 182 a ZPO hat das Gericht das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern und darf außer in Nebenansprüchen seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur dann stützen, wenn es diese mit den Parteien erörtert (§ 182 ZPO) und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat.

Nach Auffassung des Berufungsgerichtes zwingt § 182 a ZPO prinzipiell in jedem Fall, in dem von Amts wegen an sich eine kollisionsrechtliche Beurteilung des Falls vorzunehmen wäre, zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zwecks Erörterung dieser für die Parteien überraschenden Rechtsansicht durch den Erstrichter. Den Parteien muss nämlich die Möglichkeit gegeben werden, zur kollisionsrechtlichen Beurteilung des Falls ein Vorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu erstatten. Schon aus diesem Grund musste das Ersturteil aufgehoben werden. Mit den Parteien wird zunächst zu erörtern sein, ob von ihnen eine Rechtswahl getroffen wurde (dabei wird insbesondere auch der Punkt 15. der Teilnahmebedingungen Beilage ./A mitzubedenken sein). Erst wenn abschließend geklärt ist, welches Recht überhaupt auf dieses Schuldverhältnis der Streitteile angewendet werden muss, wird abschließend beurteilt werden können, ob und in welchem Umfang allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin tatsächlich zwischen den Streitteilen wirksam vereinbart wurden, ob und inwieweit allenfalls eine Sittenwidrigkeit der diesbezüglichen Geschäftsbedingungen vorliegen könnte bzw. die Klauseln nach den jeweiligen Konsumentenschutzgesetzen als unwirksam anzusehen wären. Dass die Klägerin zu der noch streitgegenständlichen Forderung von €

305,39 (der in der Berufung reklamierte Rechenfehler wirkt sich ja nicht zu Ungunsten des Beklagten aus!) kein Vorbringen erstattet hätte, ist so nicht richtig. In der Tagsatzung vom 25.1.2006 hat die Klägerin zwecks Aufschlüsselung ihrer diesbezüglichen Forderung auf die Beilage ./E verwiesen. Dies ist gemäß § 208 Abs. 2 ZPO grundsätzlich zulässig. Parteierklärungen, die eine Einschränkung oder Abänderung des Klagebegehrens, eine ausdrückliche Anerkennung einer Schuld oder eines Teils derselben oder Verzichtleistungen auf den Anspruch oder einen Teil desselben oder auf Rechtsmittel enthalten sowie Erklärungen über die beantragte eidliche Vernehmung einer Partei sind durch die Aufnahme in das Verhandlungsprotokoll festzustellen. Nach der genannten Bestimmung können derartige Erklärungen und Anträge aber auch in besonderen Schriftstücken dem Protokoll als Anlage beigefügt werden. In diesem Fall hat deren Feststellung durch das Verhandlungsprotokoll zu unterbleiben. Genau dies ist durch die Bezugnahme auf die Beilage ./E hier geschehen. Allerdings hat sich die Erstrichterin nicht mit dem Argument des Beklagten auseinandergesetzt, es handle sich dabei in Wahrheit um keinen Schaden der Klägerin, weil eine Ausbezahlung dieser Gewinngutschrift an den Beklagten gar nicht erfolgt sei; auch zum begehrten richterlichen Mäßigungsrecht ist dem erstgerichtlichen Sachverhalt lediglich zu entnehmen, dass ein durch das Verhalten des Beklagten der Klägerin entstandener Schaden nicht festgestellt werden könne. In dem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass die Erstrichterin in der mündlichen Verhandlung vom 14.6.2006 offenbar den Gegenstand des Verfahrens auf den Grund des Anspruchs eingeschränkt und die Fällung eines Zwischenurteils angekündigt hat, dessen ungeachtet sich aber im angefochtenen Urteil nun auch mit der Höhe der Klagsforderung befasste. Wenngleich eine diesbezügliche Mängelrüge von Seiten des Beklagten nicht erhoben wurde, wird im zweiten Rechtsgang doch auch über die Höhe der Klagsforderung - so eine Klagsstattgebung in diesem Ausmaß wieder angedacht werden sollte - zu verhandeln sein.

Aus all diesen Gründen musste das angefochtene Urteil aufgehoben werden, wegen der Notwendigkeit der weiteren Erörterungen und des nicht absehbaren Umfangs allfälliger zusätzlicher Beweisaufnahmen kam eine Verfahrensergänzung durch das Berufungsgericht selbst nicht in Betracht (§ 496 Abs. 3 ZPO).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6