JudikaturJustiz21R41/07y

21R41/07y – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2007

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des

Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Steger und Mag.

Nigl in der Rechtssache der klagenden Partei S ***** GmbH, vorm.

E***** GmbH*****, ***** W*****, vertreten durch Sattlegger Dorninger Steiner Partner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Hans-Peter L*****, *****, *****, ***** S*****, vertreten durch Mag. Petra Grafinger, p.A. Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, Färbergasse 3, 4400 Steyr, als zu 17 P 73/06i des Bezirksgerichtes Steyr bestellte Sachwalterin, wegen € 39,99 s. A., über den Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Haag vom 21.12.2006, 2 C 1384/04t-7, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird F o l g e gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag der beklagten Partei auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Zahlungsbefehls zu 2 C 1384/04t des Bezirksgerichtes Haag vom 12.10.2004 zurückgewiesen wird. Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen deren mit €

55,88 (darin € 9,32 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist j e d e n f a l l s

u n z u l ä s s i g .

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte vom Beklagten mittels Mahnklage vom 11.10.2004 die Zahlung von € 39,99 aus dem Titel der Lieferung laut Rechnung, dazu € 3,65 als Mahnkosten der Klägerin selbst und € 33,79 als anwaltliche Mahnkosten jeweils als Nebenforderung im Sinn des § 54 Abs. 2 JN (je s.A.).

Der antragsgemäß erlassene Zahlungsbefehl wurde dem Beklagten nach der Aktenlage am 19.11.2004 zugestellt. Die Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls wurde am 28.12.2004 bestätigt.

Am 23.11.2006 langte ein Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung gemäß § 7 Abs. 3 EO verbunden mit einem Einstellungsantrag betreffend die Exekution zu 12 E 3545/05y des BG Steyr ein, in dem die zu 17 P 73/06i des BG Steyr mit Beschluss vom 18.10.2006 bestellte Sachwalterin behauptete, der Beklagte sei auch schon zum Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls vom 12.10.2004 nicht prozessfähig gewesen, die Zustellung sei daher als rechtsunwirksam anzusehen. Dem Antrag legte sie das neurologisch-psychiatrische Gutachten aus dem Sachwalterschaftsverfahren bei, wo es heißt, dass mit höherer Wahrscheinlichkeit angenommen werden müsse, dass in den letzten 1 bis 2 Jahren die Handlungsfähigkeit in Geldangelegenheiten krankheitsbedingt deutlich eingeschränkt gewesen sei (das Gutachten datiert vom 9.6.2006).

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht nun - ohne ein weiteres Verfahren durchzuführen - antragsgemäß die Vollstreckbarkeitsbestätigung aufgehoben und die Zustellung des Zahlungsbefehles an den Beklagten zu Handen der Sachwalterin angeordnet.

Aus dem Gutachten leitete die Rechtspflegerin ab, dass der Beklagte aufgrund seiner Erkrankung und der damit verbundenen Einschränkungen im Bereich der Alltags- und Sozialkompetenz eine Sachwalterschaft für finanzielle Angelegenheiten benötige und diese Erkrankung schon seit Jugend an vorliege.

Mittlerweile ist auch ein Einspruch der Sachwalterin eingelangt. Diesen Beschluss bekämpft die Klägerin aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, ihn ersatzlos zu beheben, in eventu ihn aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Der Rekurs ist im Sinn einer Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die ältere Rechtsprechung (SZ 71/113; RIS-Justiz RS0110275) die Auffassung vertreten hat, dass im Fall, dass der Eintritt von Scheinrechtskraft infolge Beteiligung einer prozessunfähigen Partei behauptet wird und die Feststellung der Prozessfähigkeit von streitigen Tatsachen abhängig ist, die Partei die kumulative Wahlmöglichkeit zwischen der Nichtigkeitsklage und dem Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung gemäß § 7 Abs. 3 EO habe, weil Rechtsschutzziel und verfahrensrechtliche Möglichkeiten unterschiedlich seien. Durch die Entscheidung des verstärkten Senats zu 1 Ob 6/01s (veröffentlicht in SZ 74/200) wurde von dieser Rechtsprechung abgegangen. Unter Rechtskraft im Sinn des § 529 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 ZPO sei die formelle Rechtskraft zu verstehen, die auch dann eintrete, wenn die Prozessunfähigkeit der Partei nicht erkannt wurde. Die Partei, die ihre Prozessunfähigkeit behaupte, könne mit dem ihr zu Gebote stehenden ordentlichen Rechtsmittel den Nichtigkeitsgrund geltend machen. Ist die Rechtsmittelfrist verstrichen, daher die formelle Rechtskraft eingetreten, könne sie bis spätestens 4 Wochen nach der - keine Zulässigkeitsvoraussetzung bildenden - Zustellung an den gesetzlichen Vertreter durch diesen Nichtigkeitsklage aus dem Grund des § 529 Abs. 1 Z 2 ZPO erheben (SZ 74/200). Der 6. Senat hat sich in der Entscheidung 6 Ob 127/03z dann auch mit der Frage befasst, ob bei behaupteter Prozessunfähigkeit die nach der zitierten älteren Rechtsprechung eingeräumte Möglichkeit nach wie vor offen stehe, neben der Nichtigkeitsklage einen Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit gemäß § 7 Abs. 3 EO zu stellen. In dieser Entscheidung meinte er, diese Rechtsprechungslinie könne nach der Entscheidung des verstärkten Senats nicht mehr fortgeschrieben werden. In der Entscheidung 5 Ob 261/05a wurde dazu noch weiter ausgeführt, dass die Prozessfähigkeit kein nach dem Zustellgesetz zu prüfender oder zu beachtender Umstand sei; bei Einhaltung der im Zustellgesetz enthaltenen Formvorschriften liege eine formell wirksame Zustellung vor. Diese sei Voraussetzung für den Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung. Nur eine nach den Zustellvorschriften unwirksame Zustellung könne mit einem Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit nach § 7 Abs. 3 EO geltend gemacht werden.

Dieser Meinung ist auch der 4. Senat in der Entscheidung 4 Ob 182/06b, die einen ganz vergleichbaren Sachverhalt (insbesondere auch behauptete Prozessunfähigkeit bei Zustellung eines ohne Durchführung eines Verfahrens mit dem Beklagten erlassenen Zahlungsbefehls) betraf. Auch das Rekursgericht schließt sich dieser Auffassung an. Hier hat der Beklagte - wie in dem zu 4 Ob 182/06b entschiedenen Fall - behauptet, im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls unerkannt prozessunfähig gewesen zu sein. Selbst wenn dies zuträfe, wäre dies kein Umstand, der dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung entgegenstünde; es liegt kein Fall einer gesetzwidrig oder irrtümlich erteilten Bestätigung der Vollstreckbarkeit vor. Dieser Antrag ist schon seinen Behauptungen nach nicht auf einen tauglichen Aufhebungsgrund (nämlich einen Zustellmangel) gestützt, er ist daher unzulässig, ohne dass seine inhaltliche Berechtigung näher zu überprüfen wäre.

Der angefochtene Beschluss war daher dahingehend abzuändern, dass der Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung zurückgewiesen wird.

Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat der Beklagte der Klägerin im Zwischenstreit über die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung die Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen, die tarifgemäß verzeichnet wurden. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs. 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig. Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6