JudikaturJustiz21R346/07a

21R346/07a – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
10. Januar 2008

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Steger und Dr. Jungblut in der Rechtssache der klagenden Partei Anton R*****, *****, ***** St. P *****, vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagten Parteien 1. Johann T *****, ***** St. P *****, 2. Mag. Rosa T *****, *****, beide vertreten durch Dr. Oswin Lukesch, Dr. Anton Hintermeier, Mag. Michael Pfleger, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen € 416,46 s.A., über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 2.11.2007, 4 C 461/07z-10, gemäß § 501 Abs. 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t F o l g e gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen deren mit €

183,32 (darin € 30,55 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens

zu ersetzen.

Die Revision ist j e d e n f a l l s u n z u -

l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelaus- führungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Urteiles für zutreffend. Die Wiedergabe des Parteienvorbringens, der Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist daher nicht erforderlich, es genügt vielmehr eine kurze Begründung (§ 500 a zweiter Satz ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger meint zusammengefasst, der Umstand, dass sich an der Grundstücksgrenze auf dem Grundstück der Beklagten ein „25 Jahre alter“ und 12 m hoher Nussbaum befindet, wobei einige Äste dieses Nussbaums über die Grenze ragen und über den vom Kläger gemieteten Abstellplatz hängen, sodass im Jahr 2006 Nüsse von den über die Grundstücksgrenze hängenden Ästen des Nussbaums herabfallen und das Fahrzeug des Klägers beschädigen konnten, könne nicht mit einem bloßen Naturereignis oder bloßen Naturwirken im Sinn der Entscheidung 2 Ob 13/97v verglichen werden, wo es um erosionsbedingte Steinschläge gegangen sei.

Es handle sich vielmehr um unmittelbare Einwirkungen seitens der Beklagten im Sinn des § 364 Abs. 2 ABGB, wobei der Kläger das Eindringen der grob körperlichen Stoffe = der Nüsse nicht dulden müsse.

Diese Meinung kann im Ergebnis aber nicht geteilt werden. Klar ist, dass die vom Kläger behaupteten Immissionen solche sind, die sich aus dem Überhang der Äste des Nussbaums der Beklagten über die Grundstücksgrenze ergeben. Die ständige Rechtsprechung vor Inkrafttreten des ZivRÄG 2004 hat die Auffassung vertreten, dass der § 422 ABGB die Rechte des Nachbarn bezüglich des Überhangs abschließend regle. Über das in § 422 ABGB normierte Selbsthilferecht hinaus habe der Nachbar nicht die Möglichkeit ein auf sein Eigentumsrecht gestütztes Begehren zur Beseitigung des Überhangs durch den Eigentümer des Baums oder Strauchs zu stellen. Daraus folge, dass der Baumeigentümer mit dem Belassen von über die Grundgrenze gewachsenen Wurzeln oder überhängenden Ästen nicht gegen die §§ 421, 422 ABGB verstoße und damit auch nicht rechtswidrig handle. Er könne daher nach diesen Bestimmungen auch nicht für einen dem Nachbarn daraus entstehenden Schaden haftbar gemacht werden (RIS-Justiz RS0011093). Fraglich könnte sein, inwieweit der durch das ZivRÄG 2004 eingefügte § 364 Abs. 3 ABGB daran etwas geändert hat. Er regelt die Abwehr bestimmter negativer Immissionen durch Pflanzen, und zwar solche, die sich in einem Entzug von Licht oder Luft äußern, darum geht es im hier strittigen Fall nicht. Der Regelungsgehalt des § 364 Abs. 3 ABGB ist tatsächlich ein sehr eingeschränkter, weil er ja nur normiert, dass der Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen kann, als diese das Maß des Abs. 2 leg.cit. überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen. Nach dem Gesetzeswortlaut scheint durch die Schaffung dieses § 364 Abs. 3 ABGB eine Änderung in Bezug auf positive Immissionen durch Pflanzen nicht eingetreten zu sein. Der § 422 ABGB wurde im Übrigen auch durch das ZivRÄG 2004 ausdrücklich aufrecht erhalten und teilweise in seinem Regelungsgehalt etwas verändert; in Bezug auf das Eindringen von Wurzeln und Ästen ist daher nach wie vor davon auszugehen, dass § 422 ABGB die lex specialis zu § 364 ABGB ist (so auch Oberhammer in Schwimann3, Rz 30 zu § 364; ggt. Klicka a.a.O., Rz 5 zu § 422).

Jedenfalls ist aus der Existenz des § 422 Abs. 1 ABGB abzuleiten, dass es nach wie vor nicht rechtswidrig sein kann, Wurzeln des eigenen Baums bzw. Äste des eigenen Baums über die Grundstücksgrenze wachsen zu lassen, solange nicht dadurch eine unzumutbare Beeinträchtigung der Nutzung des Nachbargrundstücks durch den Entzug von Licht oder Luft im Sinn des § 364 Abs. 3 ABGB bewirkt wird. Dass dies hier der Fall gewesen wäre, hat der Kläger nicht einmal behauptet, von einem rechtswidrigen Verhalten der Beklagten kann daher auch nach der durch das ZivRÄG 2004 geänderten Rechtslage nach Auffassung des Berufungsgerichts keine Rede sein.

Darüber hinaus wäre für den Kläger nichts gewonnen, wollte man ihm tatsächlich einen nachbarrechtlichen Anspruch aus § 364 ABGB zuerkennen; der Kläger macht ja keineswegs einen Unterlassungsanspruch in Bezug auf das Wachsenlassen der Nussbaumäste geltend, sondern einen Geldersatzanspruch. Geldersatz kommt aber nur bei rechtswidrigem und schuldhaftem Verhalten der Beklagten in Betracht. Nach Auffassung des Berufungsgerichts mangelt es schon an der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten, selbst wenn man diese aber unterstellen wollte, könnte aus dem Sachverhalt keinerlei Verschulden abgeleitet werden. Die Beklagten haben den Baum laufend gepflegt, die Entfernung der Äste wurde von ihnen nie verlangt und demgemäß auch nicht verweigert und die Nüsse, die auf das Auto des Klägers fielen, taten dies ohne weiteres Zutun der Beklagten. Für den verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch im Sinn des § 364 a ABGB fehlt es an den nötigen Tatbestandsvoraussetzungen, aber auch an den erforderlichen Behauptungen. Von einer behördlich genehmigten Anlage für den Nachbargrund kann keine Rede sein und auch eine analoge Anwendung des § 364 a ABGB kommt hier nicht in Betracht. Sie ist dann geboten, wenn der geschädigte Nachbar faktisch nicht auf Unterlassung klagen hätte können, wie etwa bei Störfällen als Einmalereignis oder weil die Schädigung unvorhersehbar war, bzw. wenn eine Anlage eine besondere Gefahrensituation schafft und allfällige Schadensfolgen für den Betreiber objektiv kalkulierbar gewesen wären (nachbarrechtliche Gefährdungshaftung, siehe hiezu Oberhammer a.a.O., Rz 9 zu § 364 a). All dies ist hier nicht anzunehmen, weil im Verfahren gar nicht strittig war, dass die Äste des Nussbaums der Beklagten bereits längere Zeit über die Grundstücksgrenze hängen und somit von einem unvorhersehbaren Einmalereignis beim Herabfallen der Nüsse keine Rede sein kann.

Insgesamt konnte der Berufung des Klägers daher kein Erfolg beschieden sein.

Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat der Kläger den Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen, wobei gemäß § 23 Abs. 10 RATG nur einfacher Einheitssatz zusteht.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs. 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6