JudikaturJustiz21R33/08y

21R33/08y – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
06. März 2008

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender), Dr. Steger und Dr. Jungblut (Mitglieder) in der Rechtssache der klagenden Partei DI Dr. Michael G*****, Chemiker, ***** Wien, *****, vertreten durch Mag. Thomas Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Peter P*****, Krankenpfleger, ***** Klosterneuburg, *****, 2. Ingrid P*****, ebendort wohnhaft, 3. H ***** AG, ***** Wien, *****, vertreten durch Dr. Walter Anzböck, Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in Tulln, wegen € 600,-- s.A., über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse € 1.182,17) gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Tulln vom 15.1.2008, 2 C 172/07m-17, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird t e i l w e i s e F o l g e gegeben und die Kostenentscheidung des erstgerichtlichen Urteiles (Punkt 3.), die im Umfang eines Zuspruches von € 1.093,50 mangels Anfechtung unberührt bleibt, im Übrigen dahin abgeändert, dass sie zusammengefasst wie folgt zu lauten hat:

„3. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit € 2.234,97 (darin € 183,92 USt und € 1.131,42 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz zu ersetzen.“

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit € 256,34 (darin € 42,72 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen. Der Revisionsrekurs ist j e d e n f a l l s

u n z u l ä s s i g .

Text

Begründung:

Der Kläger erlitt einen Verkehrsunfall, an dem die Beklagten das Alleinverschulden (des Erstbeklagten) zu vertreten haben. Der Kläger wurde dabei verletzt und erhielt vorprozessual von der Drittbeklagten einen Schmerzengeldbetrag von € 1.500,-- ausbezahlt. Mit der am 21.12.2006 beim Bezirksgericht Tulln eingebrachten Klage begehrte DI Dr. G***** auf Basis eines behaupteten angemessenen Schmerzengeldes von € 2.500,-- unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlung ein restliches Schmerzengeld von € 1.000,-- s.A. Aufgrund des medizinischen Sachverständigengutachtens ON 8, das in der mündlichen Streitverhandlung vom 29.11.2007 noch erörtert und ergänzt wurde, schränkte der Kläger letztlich sein Klagebegehren hinsichtlich der Position Schmerzengeld um € 500,-- s.A. auf € 500,-- s.A. ein und dehnte es unter einem aus dem Titel der notwendigen Haushaltshilfe um € 100,-- s.A. auf € 600,-- s.A. aus. Die Beklagten bestritten sowohl das ursprüngliche als auch das modifizierte Klagebegehren. Mit Urteil vom 15.1.2008 hat das Bezirksgericht Tulln dem Klagebegehren mit € 500,-- s.A. stattgegeben (Punkt 1.), das Mehrbegehren von € 100,-- s.A. abgewiesen (Punkt 2.) und die Beklagten zum anteiligen Kostenersatz im Ausmaß von € 1.093,50 verpflichtet (Punkt 3.).

Es ist dabei, nach Aufnahme der auf Seite 3/4 des Urteiles angeführten Beweismittel, von den in den Seiten 4 bis 5 des Urteiles enthaltenen Feststellungen ausgegangen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

In seiner rechtlichen Beurteilung hat das Erstgericht den Standpunkt vertreten, dem Kläger gebühre noch ein restliches Schmerzengeld von €

400,-- s.A. sowie die gesamte Forderung für die Haushaltshilfe von €

100,-- s.A., wogegen das Schmerzengeldmehrbegehren von € 100,-- s.A. als nicht gerechtfertigt abzuweisen sei.

Die Kostenentscheidung hat das Erstgericht auf § 43 Abs. 1 ZPO gegründet. Es hat dabei zwei Verfahrensabschnitte gebildet, wobei der Kläger im ersten mit 50 % und im zweiten mit rund 83 % obsiegt habe. Demnach könne der Kläger im ersten Verfahrensabschnitt 50 % seiner Barauslagen und im zweiten Verfahrensabschnitt 66 % seiner Anwaltskosten und 83 % seiner diesbezüglichen Barauslagen beanspruchen. Den rückzuüberweisenden Kostenvorschussrest von € 14,50 hat das Erstgericht bei den Barauslagen in Abzug gebracht. Gegen die Kostenentscheidung dieses Urteiles, und zwar im Umfang eines Nichtzuspruches weiterer Kosten von € 1.182,17, richtet sich der Kostenrekurs des Klägers, der unter Geltendmachung des Rekursgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beantragt, die erstgerichtliche Entscheidung dahin abzuändern, dass ihm ein Kostenersatz von insgesamt € 2.275,67 zuerkannt werde. Die Beklagten haben in ihrer Rekursbeantwortung den Antrag gestellt, dem Kostenrekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Dem Kostenrekurs kommt teilweise Berechtigung zu.

Die Rechtsprechung zu § 43 Abs. 2 ZPO geht einhellig dahin, dass es die beklagte Partei nicht in der Hand haben soll, durch Teilleistungen oder Teilanerkenntnisse das Kostenrisiko zu ihren Gunsten zu verschieben. Gleichgültig, ob eine solche Teilerledigung vor oder im Prozess erfolgt, vermindern Teilanerkenntnis und Teilzahlung hier nur die Bemessungsgrundlage, haben aber keinen Einfluss auf den Grund der Ersatzpflicht. Auch bei der Beurteilung, ob eine Überklagung vorliegt, ist unter Außerachtlassung einer vor Prozesseinleitung geleisteten Teilzahlung das gesamte ursprünglich erhobene Begehren mit dem insgesamt ersiegten Anspruch zu vergleichen (MGA JN/ZPO16, E. 101, 104 zu § 43 ZPO; Obermaier, Kostenhandbuch, Rz 140, 143). Auf diese Judikatur hat das Erstgericht offensichtlich nicht Bedacht genommen, worauf der Rekurswerber zutreffend hinweist. Vergleicht man nun im Sinne der zitierten Rechtsprechungslinie das Gesamtschmerzengeldbegehren des Rekurswerbers von ursprünglich €

2.500,-- mit seinem diesbezüglichen Gesamterfolg von € 1.900,-- (wovon € 1.500,-- vorprozessual geleistet und weitere € 400,-- durch Urteil erstritten wurden), so ergibt sich eine Erfolgsquote von 76 %, weshalb von einer Überklagung - die das Rekursgericht in ständiger Rechtsprechung bei einem Erfolg von unter 50 % annimmt - keine Rede sein kann und somit § 43 Abs. 2 ZPO zur Anwendung kommt (vgl. MGA a. a.O., E. 114 bis 116 zu § 43 ZPO; Obermaier a.a.O., Rz 127). Nach der Klagseinschränkung ist sogar nur mehr ein Gesamtschmerzengeldbegehren von € 2.000,-- zu veranschlagen (Erfolgsquote von 95 %). Für den vollen Erfolg mit dem Haushaltshilfeersatzbegehren im zweiten Abschnitt gilt ohnedies § 41

ZPO.

Prinzipiell richtig hat der Rekurswerber bei seiner Kostenberechnung im Rechtsmittel darauf Bedacht genommen, dass nach ständiger Rechtsprechung die „gesamten Kosten“ nur nach den für den ersiegten Betrag geltenden Tarifsätzen zuzusprechen sind (MGA a.a.O., E. 72 zu § 43 ZPO), also hier auf einer Bemessungsgrundlage von € 400,-- (erster Abschnitt) bzw. € 500,-- (zweiter Abschnitt), was nach dem RAT keinen Unterschied bewirkt. Zusätzlich muss aber auch die zu ersetzende Pauschalgebühr dem ersiegten Betrag angepasst werden (MGA a. a.O., E. 74 zu § 43 ZPO), sodass insoweit eine Reduktion auf €

59,80 vorzunehmen war.

Die in der Rekursbeantwortung zu den verzeichneten Privatbeteiligungskosten erhobenen Einwände erscheinen nicht gerechtfertigt. Die Eingabe vom 2.3.2006 beinhaltete die Bekanntgabe der Bevollmächtigung des Klagevertreters, die Angabe einiger wesentlicher Unfallsdaten, die Behauptung der vom Rekurswerber erlittenen Verletzungen, die Bezifferung und Aufschlüsselung einer Gesamtschadenersatzforderung von € 4.060,-- sowie die Erklärung eines diesbezüglichen Privatbeteiligungsanschlusses, weshalb von einer ganz einfachen Eingabe im Sinne der TP 1 RAT nicht gesprochen werden kann. Ebensowenig folgt das Rekursgericht dem Argument der Beklagten, wonach der Antrag auf Übersendung einer Kopie des Strafaktes vom 22.8.2006 nicht separat zu honorieren sei, weil er mit dem zuvor behandelten Privatbeteiligtenanschluss zu verbinden gewesen wäre. Da nämlich die erste Eingabe zulässigerweise schon im Stadium der laufenden Polizeierhebungen gestellt wurde und die komplette Verkehrsunfallsanzeige am 31.7.2006 beim Bezirksanwalt einlangte, war ein Kopierersuchen erst zu einem nachfolgenden Zeitpunkt sinnvoll und zweckmäßig.

Aus allen diesen Erwägungen war daher in teilweiser Stattgebung des Kostenrekurses des Klägers die erstgerichtliche Kostenentscheidung wie im Spruch ersichtlich abzuändern.

Die Kostenentscheidung in zweiter Instanz beruht auf den §§ 43 Abs. 2 und 50 ZPO iVm § 11 RATG. Seit der Novellierung des § 11 RATG durch Art. XII des BRÄG 2008, die im vorliegenden Fall schon zum Tragen kommt (Art. XVII § 16 des BRÄG 2008), vertritt das Rekursgericht die Auffassung, dass nunmehr im Kostenrekursverfahren § 41 bzw. § 43 ZPO zur Anwendung gelangt, und zwar nach Maßgabe des Rekurserfolges im Vergleich zur Bemessungsgrundlage, d.h. zu dem Betrag, dessen Zuspruch oder Aberkennung im Kostenrekurs beantragt wird (§ 11 Abs. 1 RATG nF). Damit folgt das Rekursgericht im Grundgedanken den Überlegungen, die Obermaier (a.a.O., Rz 285) bereits zur vorhergehenden Rechtslage angestellt hat (hg. 21 R 20/08m, 21 R 29/08k). Nach der geänderten Rechtslage ist aber auch der Tatbestandsfall des verhältnismäßig geringfügigen Unterliegens nach § 43 Abs. 2 ZPO im Kostenrekursverfahren anwendbar. Die in der zitierten Belegstelle (Obermaier a.a.O., Rz 285) enthaltene Aussage, wonach § 43 Abs. 2 ZPO „nach der jetzigen Rechtslage keinen Anwendungsbereich“ habe, weil nach § 11 RATG ohnehin der ersiegte Betrag die Bemessungsgrundlage darstelle, lässt sich für die geänderte Rechtslage nicht mehr heranziehen, weil es jetzt nicht mehr auf den „ersiegten Betrag“ ankommt. Da der Kläger einen Rekurserfolg von 97 % vorzuweisen hat, sind ihm gemäß § 43 Abs. 2 ZPO die vollen Rekurskosten zuzuerkennen.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs. 2 Z 3 ZPO jedenfalls

unzulässig.

Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6