JudikaturJustiz21R252/05z

21R252/05z – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
29. September 2005

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender), Dr. Hintermeier und Dr. Steger (Mitglieder) in der Rechtssache der klagenden Partei David B*****, ***** Loosdorf, *****, vertreten durch Dr. Hubert Reif und Partner, Rechtsanwälte OEG in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Landeshauptstadt St. P*****, ***** St. Pölten, *****, vertreten durch Dr. Georg Thum, Dr. Kurt Weinreich, Mag. Dr. Michael Schwarz, Rechtsanwälte in St. Pölten, 2. Prim. Prof. Dr. Erich S*****, Facharzt, **********, ***** St. Pölten, *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Dr. Robert Steiner, Rechtsanwälte in Wien, und die vormalige erstbeklagte Partei Land *****, ***** St. Pölten, *****, vertreten durch Dr. Klaus Braunegg, Dr. Klaus Hoffmann und Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen € 9.000,-- s. A., über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse € 1.664,64) gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 28.7.2005, 5 C 303/05 v-17, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird n i c h t F o l g e gegeben. Die klagende

Partei ist schuldig, der vormaligen erstbeklagten Partei Land N*****

binnen 14 Tagen die mit € 199,87 (darin € 33,31 USt.) bestimmten

Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist j e d e n f a l l s u n z u l ä s s i g

.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht hält die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung der angefochtenen Kostenentscheidung im Ergebnis für zutreffend. Die Wiedergabe des Parteienvorbringens, des Verfahrensverlaufes und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist daher nicht erforderlich, es genügt vielmehr eine kurze Begründung (§§ 526 Abs. 3, 500a 2. Satz ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Rekursverfahren geht es um die Problematik des Kostenersatzes in einem Fall des gewillkürten Parteiwechsels nach § 19 Abs. 2 ZPO, dem zu Grunde lag, dass die vom Rekurswerber zunächst belangte Erstbeklagte (Land N*****) den Einwand der mangelnden Passivlegitimation erhoben hatte, wogegen die vormalige Nebenintervenientin und nunmehrige Erstbeklagte (Landeshauptstadt St. P*****) ihre Passivlegitimation ausdrücklich anerkannte. Das Erstgericht sprach der ausgeschiedenen Erstbeklagten in sinngemäßer Anwendung des § 237 Abs. 3 ZPO antragsgemäß einen Kostenersatz im Ausmaß von € 1.664,64 (für den Einspruch gegen den Zahlungsbefehl ON 5, den vorbereitenden Schriftsatz samt Streitverkündung ON 10 und eine halbe Stunde der mündlichen Streitverhandlung vom 12.5.2005) zu. Der Rekurswerber bestreitet eine Analogie zu § 237 Abs. 3 ZPO (und auch eine Analogie zu sonstigen Kostenregelungen), weil es hier eben weder zu einer Beendigung des Prozessrechtsverhältnisses noch zu einer Aufgabe des rechtlichen Interesses gekommen sei, und vertritt die Auffassung, dass ein allfälliger Kostenersatzanspruch der vormaligen Erstbeklagten - soweit ein solcher bestehe - kraft des Parteiwechsels auf die nunmehrige Erstbeklagte übergegangen sei, weil der Anwendungsfall des § 19 Abs. 2 ZPO als prozessuale Rechtsnachfolge anzusehen sei; hilfsweise macht der Rekurswerber geltend, dass die Beschlussfassung über einen allfälligen Kostenersatzanspruch der vormaligen Erstbeklagten erst im Rahmen der Gesamtkostenentscheidung zu ergehen gehabt hätte.

Dazu wurde erwogen:

Im Rahmen der Auslegung der Prozessvorschriften ist unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß § 7 ABGB auch die Füllung unbeabsichtigter Gesetzeslücken (Regelungslücken) zulässig und geboten. Dabei ist durchaus mit Analogie vorzugehen (Fasching LB2 Rz 128). Wie der Rekurswerber selbst zugestehen muss, enthält die Bestimmung des § 19 Abs. 2 ZPO keine Regelung über den Kostenersatz, also weder dahin, dass der als Partei eintretende Nebenintervenient die bis dahin gegebene kostenrechtliche Position der vormaligen Partei mit übernehme, noch dahin, dass die ausgeschiedene Partei jedenfalls einen Kostenersatz gegenüber dem Kläger beanspruchen könne.

Aus den Begriffen des gewillkürten Parteiwechsels und der prozessualen Rechtsnachfolge ist für den Standpunkt des Rekurswerbers nichts zu gewinnen, weil die durch den Parteiwechsel eintretende Rechtsnachfolge im Prozessrechtsverhältnis noch nicht automatisch besagt, dass dadurch auch eine Rechtsnachfolge bezüglich der diversen Ansprüche der vormaligen Partei gegeben wäre (vgl. Schubert in Fasching/Konecny2 Rz 90 vor § 1).

Eine Judikatur zur Kostenersatzproblematik nach § 19 Abs. 2 ZPO liegt - soweit überblickbar - nicht vor, ebensowenig eine solche zum Fall des gewillkürten Parteiwechsels nach § 234 ZPO. Nur zum Tatbestand des gewillkürten Parteiwechsels nach § 23 ZPO (Auktorbenennung) liegt eine Judikatur vor. Danach sind in dem Beschluss auf Entbindung des Beklagten diesem keine Kosten zuzusprechen. Der Beklagte muss seinen Kostenersatzanspruch vielmehr im Rahmen seiner bürgerlich-rechtlichen Beziehungen zum Auktor geltend machen; dieser kann im Falle seines Obsiegens die vor seinem Eintritt aufgelaufenen Kosten des ausgeschiedenen Beklagten verzeichnen und erhält sie vom Gegner ersetzt. Falls der bisherige Beklagte fürchtet, seinen Kostenersatzanspruch durch den Auktor nicht befriedigt zu erhalten, steht es in seinem Belieben, keinen Antrag auf Eintritt des Auktors zu stellen, sondern selbst den Rechtsstreit weiterzuführen. Im Falle eines Unterliegens des Auktors hat dieser dem Kläger auch die durch die Tätigkeit des bisherigen Beklagten erwachsenen Kosten zu ersetzen; für deren Rückersatz durch diesen sind die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Beklagten und dem Auktor maßgebend (MGA JN/ZPO15 E. 3, 5 zu § 23 ZPO; Schubert aaO Rz 5 zu leg. cit.). Diese Rechtsprechung erscheint jedoch nicht analogiefähig, zumal sie auf einem im Gesetz angesprochenen ganz konkreten materiellrechtlichen Verhältnis zwischen dem Beklagten und dem Auktor aufbaut, während bei der Nebenintervention ein viel breiter gefächertes "rechtliches Interesse" (§ 17 Abs. 1 ZPO) ausreicht. Dass ein bloßes rechtliches Interesse Regressansprüche hinsichtlich der Prozesskosten zwischen dem ausgeschiedenen und dem eingetretenen Beklagten begründen könnte, kann in dieser Allgemeinheit keinesfalls gesagt werden. Stellt man sich die gegenständliche Kostenersatzproblematik ganz allgemein vor Augen, so ist nicht zu übersehen, dass die Klagsführung des Rekurswerbers gegen die vormalige Erstbeklagte an deren mangelnder Passivlegitimation kostenpflichtig gescheitert wäre (§ 41 ZPO), wogegen es dem Rekurswerber jetzt ausschließlich aufgrund des Entgegenkommens von Beklagtenseite offensteht, eine urteilsmäßige Niederlage gegen die vormalige Erstbeklagte infolge fehlender Passivlegitimation zu vermeiden und das gegen sie begründete Prozessrechtsverhältnis mit der tatsächlich passiv legitimierten Erstbeklagten nahtlos fortzusetzen. Warum die Kostenfolgen dieser einvernehmlichen Vorgangsweise auf die ausgeschiedene Erstbeklagte (Verwehrung eines Kostenersatzanspruches) bzw. auf die eingetretene Erstbeklagte (Abhängigmachung vom Prozesserfolg nach dem weiteren Verfahrensverlauf) abgewälzt werden sollten, erscheint dem Rekursgericht nicht ersichtlich und nachvollziehbar. Vielmehr erweist sich sehr wohl eine Analogie zu den Regelungen des § 237 Abs. 3 ZPO, des § 48 Abs. 1 ZPO und des § 52 Abs. 1 ZPO (Zwischenstreit) als sachgerecht und angemessen. In die gleiche Richtung geht die hg. Judikatur zum "Identitätsstreit" (vgl. MGA aaO E. 69 zu § 41 ZPO; 2 Ob 601, 602/92; hg. 36 R 99/99 y, 36 R 442/03 y, 21 R 124/04 z ua). Aus allen diesen Erwägungen konnte daher dem Rekurs des Klägers kein Erfolg beschieden sein.

Gemäß den §§ 41 und 50 ZPO iVm § 11 RATG hat der Kläger der vormaligen Erstbeklagten auch die Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen. Dabei war allerdings der Ansatz nach Maßgabe der TP 3A I Z 5 lit. b) RAT zu reduzieren (Kostenrekurs) und der Streitgenossenzuschlag gänzlich auszuscheiden, zumal der ausgeschiedenen Erstbeklagten (stets und insbesondere in diesem Rekursverfahren) nur eine Partei "gegenüber stand" und ihre Rechtsfreunde auch nicht mehrere Personen zu vertreten hatten (§ 15 RATG).

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs. 2 Z 3 ZPO jedenfalls

unzulässig.

Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6