JudikaturJustiz21R232/07m

21R232/07m – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
04. Oktober 2007

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Steger und Dr. Jungblut in der Rechtssache der klagenden Partei T- ***** GmbH, ***** Wien, *****, vertreten durch Dr. Michael Mathes, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Arnold K*****, Polizist, ***** St. Pölten, *****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Mag. Hannes Huber, Rechtsanwälte in Melk, wegen € 704,34 s.A., über die Berufung des Beklagten (Berufungsinteresse € 412,77 s.A.) gegen das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 25.7.2007, 8 C 448/07t-8, gemäß § 492 Abs. 2 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird F o l g e gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem klagsabweisenden Teil mangels Anfechtung unberührt bleibt, wird im Übrigen dahingehend abgeändert, dass es insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren des Inhaltes, der Beklagte sei schuldig, der klagenden Partei € 704,34 samt 12 % Zinsen seit 24.3.2007 sowie €

14,-- Mahnspesen, € 201,75 Inkassokosten und € 219,12 kapitalisierte Zinsen zu bezahlen, wird

a b g e w i e s e n .

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit € 517,82 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten € 86,30 an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit € 224,66 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten € 58,-- an Barauslagen und € 27,78 an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die Revision ist j e d e n f a l l s u n z u -

l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrte den Zuspruch von € 704,34 s.A. an ausstehenden Telefonrechnungen sowie kapitalisierte Zinsen, vertraglich vereinbarte Mahnspesen und als Schadenersatz Inkassospesen.

Der Beklagte bestritt, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen zusammengefasst ein, dass mit der Rechnung vom 20.7.2004 - als Datendienste bezeichnet - ein Einwählvorgang seines Handys zu einer E-mail-Adresse verrechnet worden sei, er jedoch solche Dienste nicht in Anspruch genommen habe und auch nicht wisse, auf welche E-mail-Adresse diese Einwahl erfolgt sei. Nach seiner Beschwerde bei der klagenden Partei sei ihm eine unverzügliche Deaktivierung dieser Funktion des Handys zugesichert worden, tatsächlich sei aber in der Rechnung vom 19.8.2004 neuerlich eine solche Abrechnung erfolgt. Eine Löschung dieser Konfiguration seines Handys sei erst nach neuerlicher Kontaktaufnahme zur klagenden Partei und Interventionen in einem einschlägigen Geschäft erfolgt. Der Beklagte habe dabei erfahren, dass sich das Handy alle 30 Minuten kontinuierlich in das Internet einwähle und Verbindungen herstelle. Für diese Konfiguration des Handys treffe den Beklagten kein Verschulden, eine tatsächliche Einwahl des Beklagten habe nicht stattgefunden.

Die klagende Partei replizierte, dass aus einem Bericht der Rundfunk- und Telekomregulierungs-GmbH hervorgehe, dass es sich bei der betreffenden Konfiguration nicht um eine Voreinstellung des Handys gehandelt habe. Ein technischer Fehler liege nicht vor. Der Beklagte habe mit Schreiben vom 5.8.2004 um Ratenzahlung ersucht. Die Behauptung des Beklagten, er habe die angeführten Datendienste nicht in Anspruch genommen, stelle lediglich eine Schutzbehauptung dar. Die Nebengebühren würden aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt, die verrechneten Rücklastspesen sowie die Mahn- und Inkassospesen und die Höhe der Verzugszinsen seien in den AGB geregelt und vertraglich vereinbart.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren mit einem Teilbetrag von € 291,57 samt Zinsen sowie Inkassospesen von € 201,75 und € 219,12 an kapitalisierten Zinsen ab. Hingegen wurde dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von € 412,77 samt Zinsen sowie € 14,-- an Mahnspesen (als Nebenforderung) Folge gegeben. Es ging dabei nach Aufnahme der auf den Seiten 2 und 3 der Urteilsausfertigung angegebenen Beweismittel von dem auf den Seiten 3 bis 8 festgestellten Sachverhalt aus, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden darf. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass die klagende Partei die vertragsgemäße Leistung, nämlich die Herstellung von Verbindungen erbracht habe und das vertragsgemäße Entgelt lukrieren könne. Hingegen habe der Beklagte nach Zusicherung, dass sein Handy für bestimmte Dienste oder Nummern gesperrt werde, darauf vertrauen können, dass solche unerwünschten Internetverbindungen nicht weiter hergestellt werden. Unter Berücksichtigung der Teilzahlungen des Beklagten, einer nur zum Teil berechtigten Forderung aus der Rechnung vom 19.8.2004 sowie darüber hinaus von sonstigen offenen Rechnungsbeträgen ergebe sich ein vom Beklagten zu zahlender Restbetrag von € 412,77.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Berufung des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer vollinhaltlichen Klagsabweisung.

Die klagende Partei erstattete eine Berufungsbeantwortung mit dem Antrag auf Abweisung der Berufung.

Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Zusammengefasst wird die Berufung des Beklagten im Wesentlichen darauf gestützt, dass die durch manipulatives Handeln verursachte, vom Beklagten selbst nicht vorgenommene willentliche Nutzung des Netzes der klagenden Partei nicht vom Beklagten zu verantworten sei. Aus dem Sachverhalt der angefochtenen Entscheidung hervorzuheben ist, dass der Beklagte ein sogenanntes "SMS-Premium-Service" in Anspruch genommen hat. Diesem Mehrwertdienst liegt zu Grunde, dass über Anforderung des Kunden ein Datenpaket mit Klingeltönen, Bildern, Videos, Musik und Spielen im Wege eines Antwort-SMS übermittelt wird. Unter diesen Daten ist ein Programm enthalten gewesen, das bewirkt hat, dass sich das Handy des Beklagten automatisch im 30-Minuten-Abstand ins Internet einwählt und automatisch eine E-mail-Abfrage aufbaut. Diese dadurch hergestellten Internetverbindungen wurden in der Folge in den Rechnungen als Datendienste mit unterschiedlicher Bezeichnung verrechnet. In diesem Zusammenhang ist also vorauszuschicken, dass die klagende Partei Betreiberin eines Mobilfunknetzes ist und der Beklagte aufgrund eines mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrages Anschlussinhaber eines bestimmten Mobiltelefonanschlusses ist. Wie sich aus dem Sachverhalt, nämlich den als Mehrwertleistungen verrechneten Daten- und Zusatzdiensten ergibt, gewährt die Klägerin Teilnehmern im Sinn des § 3 Z 19 TKG 2003 Zugang zu ihrem Netz über Mehrwertnummern. Daraus ergibt sich eine in der Funktion der Klägerin notwendige Unterscheidung zwischen der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Infrastruktur (Transport-Ebene) und dem von den Teilnehmern über Mehrwertnummern angebotenen Inhalt (Inhalte-Ebene; RIS-Justiz RS0117755). Die Rechtsprechung unterscheidet deshalb bei "Telefon-Mehrwertdiensten" zwischen dem Vertrag des Anschlussinhabers mit dem Netzbetreiber und dem (davon gesonderten) Vertrag mit dem Mehrwertdiensteleister, dessen Partner der jeweilige Benutzer des Anschlusses ist (4 Ob 7/04i mwV). Diese Unterscheidung ist insoweit von entscheidungswesentlicher Bedeutung, als den vom Beklagten beeinspruchten Rechnungen vom Beklagten bestrittene Mehrwertdienste zugrundeliegen. Mit der Bestreitung des Beklagten dahin, dass von ihm diese Mehrwertleistungen nicht in Anspruch genommen worden seien, im Zusammenhalt mit der Feststellung, dass das Handy des Beklagten selbständig eine automatische Einwahl in das Internet und damit im Zusammenhang E-mail-Abfragen vorgenommen hat, ist das Vertragsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Mehrwertdiensteleister zu klären. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Programm, wodurch die automatische Internetverbindung ermöglicht wurde, den Feststellungen des Erstgerichtes zufolge, als sogenanntes "Dialer"-Programm mit jenem Antwort-SMS "verdeckt" mitgeliefert wurde, in dem dem Beklagten über dessen Anfrage Daten wie Klingeltöne, Bilder, Videos und ähnliches übermittelt wurden. Nun ist aufgrund des Sachverhaltes davon auszugehen, dass der Beklagte mit seinem Anforderungs-SMS Daten wie Klingeltöne, Bilder, Videos, Musik, Spiele und ähnliches bestellt hat, mit dem Antwort-SMS wurde das bestellte Leistungspaket übermittelt, sodass das Vertragsverhältnis zwischen dem im Verfahren unbekannt gebliebenen Mehrwertdiensteleister und dem Beklagten auch in diesem Umfang zustandegekommen ist. Dass in diesem vom Beklagten angeforderten Datenpaket auch ein solches "Dialer"-Programm als "bestellt" anzusehen ist, kann nicht angenommen werden, zumal sich der sonstige Leistungsumfang auf Daten bezieht, die einer bewussten Inanspruchnahme und bewussten Auswahl(Verwendung) des Empfängers bedürfen, hingegen dieses "Dialer"-Programm den Feststellungen entsprechend eine selbständige automatische, vom Empfänger nicht beherrschbare Internetverbindung herstellt. Der Sachverhalt lässt allerdings keine ausdrückliche oder auch nur konkludente Willenserklärung des Beklagten erkennen, die darauf gerichtet war, dass dieses "Dialer"-Programm mit seinem Anforderungs-SMS bestellt wurde. Die in weiterer Folge durch dieses Programm ausgelösten regelmäßigen (im 30-Minuten-Abstand) hergestellten Internetverbindungen durch automatische E-mail-Abfrage erfolgten, dem Sachverhalt entsprechend, ohne aktives Zutun des Beklagten. Gemäß § 863 ABGB sind schlüssige Willenserklärungen nur dann anzunehmen, wenn aus dem objektiven Verhalten kein vernünftiger Grund Anlass zu Zweifeln daran gibt, dass der Vertragswille auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet ist. In rechtlicher Konsequenz ist nach Ansicht des Berufungsgerichtes davon auszugehen, dass die Nutzung der durch das „Dialer“-Programm ausgelösten Mehrwertdienstleistungen nicht vom rechtsgeschäftlichen Willen des Beklagten getragen war, wusste doch der Beklagte gar nicht um das Vorhandensein dieses Programms und wurde von ihm auch sonst nichts in irgend einer Form dazu beigetragen. Um eine solche dem Beklagten als Vertragspartner des Mehrwertdiensteleisters zurechenbare rechtsgeschäftliche Erklärung annehmen zu können, hätte es aber zumindest eines konkludenten Verhaltens bedurft.

Betrachtet man jene Rechtsprechung, die sich mit der Frage der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Mehrwertdiensten befasst (1 Ob 244/02t), so lässt sich daraus zusammenfassen, dass der Anschlussinhaber dem Netzbetreiber gegenüber nicht für Mehrwertdienstgespräche haftet, die von einem Dritten ohne Zustimmung des Anschlussinhabers geführt wurden; in diesem Fall schuldet der Anschlussinhaber nur das normale Verbindungsentgelt, nicht aber das Entgelt für den Mehrwertdienst. Dieser Ansatz kann auch für den hier zugrundeliegenden Fall insoweit fruchtbar gemacht werden, als die Schlussfolgerung zulässig ist, dass wenn ein Anschlussinhaber für zwar missbräuchliche, aber dennoch "erfolgreich" konsumierte Mehrwertdienstleistungen nicht haftet, der Anschlussinhaber dann erst recht nicht zu haften hat, wenn die verrechnete Mehrwertdienstleistung automatisch ohne willentliches Zutun des Anschlussinhabers oder eines Dritten erfolgte und in diesem Sinn auch von niemandem konsumiert wurde.

Bei der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation liegt aber auch keine in den AGB geregelte Haftungsgrundlage zu Lasten des Beklagten vor, da kein Fall einer sorglosen Verwendung oder Verwahrung gegeben ist (§ 5 Abs 4 AGB) und die Mehrwertdienstleistung auch tatsächlich von niemandem in Anspruch genommen wurde (§ 5 Abs 3 AGB), sondern - wie bereits dargestellt - durch einen vom Beklagten weder gewollten noch beherrschbaren und auch nicht von seinem rechtsgeschäftlichen Willen getragenen automatischen Vorgang entstand. Eine grundsätzliche Haftung des Anschlussinhabers aus dem Umstand, über einen Handyanschluss zu verfügen, kann nach allgemeinen Grundsätzen nicht erblickt werden, da eben die Vertragsebene mit dem Netzbetreiber zu unterscheiden ist von jenem Vertrag mit einem allfälligen Mehrwertdiensteanbieter.

Aus diesen Überlegungen heraus gelangte das Berufungsgericht zur Ansicht, dass der Beklagte aus der Rechnung vom 20.7.2004 neben der Grundgebühr auch die für Telefonie, SMS und Zusatzdienste (SMS-Premium-Services) entstandenen Verbindungen inklusive Umsatzsteuer von insgesamt € 21,77 und aus der Rechnung vom 19.8.2004 die für Grundgebühr und Telefonieverbindungen entstandenen Entgelte von insgesamt € 18,50 zu bezahlen hat. Unter Berücksichtigung der sich aus dem Sachverhalt darüber hinaus ergebenden unstrittigen Rechnungsbeträge von € 46,63 (Urteil S. 11 unten, und zwar die letzten drei Positionen) stellt sich somit für die Klägerin eine berechtigte Forderung von insgesamt € 86,90. Dem stehen festgestellte (teilweise gewidmete) Teilzahlungen des Beklagten von € 149,64 gegenüber.

In den der Klägerin zuerkannten Forderungen ist allerdings nicht berücksichtigt jenes Entgelt, das für die strittigen Mehrwertdienste der Klägerin gegenüber als normales Verbindungsentgelt entstanden ist, wofür der Anschlussinhaber in den Fällen der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Mehrwertdienstleistungen zu haften hat. Ob angesichts des Umstandes, dass auch dieses Verbindungsentgelt durch kein rechtsgeschäftliches Handeln des Beklagten als Anschlussinhaber oder eines Dritten entstanden ist, der Klägerin dem Grunde nach ein Entgelt hiefür zusteht, muss allerdings vom Berufungsgericht aus nachstehenden Erwägungen nicht geprüft werden. Gemäß § 273 Abs. 2 ZPO kann dieser im Verhältnis zum Gesamtbetrag unbedeutende Entgeltsanteil vom Berufungsgericht nach freier Überzeugung bemessen werden. Unter Bedachtnahme darauf, dass für den Zeitraum vom 20.12.2004 bis 18.11.2005 ein durchschnittlicher monatlicher Gesamtrechnungsbetrag von rund € 20,-- (allerdings einschließlich der jeweiligen monatlichen Grundgebühr von € 17,--, die bei der Berechnung des durchschnittlichen Verbindungsentgeltes außer Betracht zu bleiben hat) entstanden ist, ist für das Berufungsgericht eine Bemessung des allenfalls zustehenden Verbindungsentgeltes mit bis zu € 48,-- jedenfalls angemessen. Mit der vom Beklagten bisher geleisteten "Überzahlung" von € 62,74 wäre daher jedenfalls auch dieses Verbindungsentgelt, sofern der Klägerin dem Grunde nach dieser Anspruch zuerkannt würde, abgedeckt. Es ergibt sich daher für die klagende Partei - selbst unter Berücksichtigung dieses allfälligen Verbindungsentgeltes - keine weitere Entgeltsforderung, zumal auch noch die restlichen Kosten von € 14,30 (hiezu zählen € 7,-- Rücklastspesen, € 2,20 Zahlscheinentgelt und € 5,10 Umstellung auf Zahlschein)

durch die "Überzahlung" des Beklagten getilgt wären.

Zusammengefasst erweisen sich die vom Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Rechnungen vom 20.7.2004 und 19.8.2004 als begründet, sodass auch die damit im Zusammenhang stehenden Kosten der außergerichtlichen Betreibung unbegründet sind. Dass darüber hinaus die begehrten Mahnspesen notwendig und zweckmäßig gewesen wären, wäre von der klagenden Partei zu behaupten und beweisen gewesen. Aus allen diesen Erwägungen ergibt sich eine gänzliche Berechtigung der Berufung (Klagsabweisung).

Dementsprechend ist dem Beklagten sowohl für das Verfahren erster Instanz als auch das Rechtsmittelverfahren (§§ 50, 41 ZPO) ein vollständiger Kostenersatz zuzuerkennen.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6