JudikaturJustiz1Ob95/50

1Ob95/50 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juli 1950

Kopf

SZ 23/227

Spruch

Zulässigkeit der Vereinbarung zwischen Miteigentümern, daß im Falle des Vorversterbens des einen die ihm gehörige Liegenschaftshälfte dem anderen zufallen soll.

Entscheidung vom 25. Juli 1950, 1 Ob 95/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Bad Aussee; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Die Klägerin behauptet, mit dem verstorbenen Albert H. die Abmachung getroffen zu haben, daß ein ihnen im Wege eines Erbübereinkommens je zur Hälfte zugefallenes Haus im Falle des Ablebens eines von ihnen dem anderen zufallen solle. Die Klage auf Übertragung der erblasserischen Hälfte wurde vom Erstgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hob auf, zur Feststellung, ob die Niederschrift über dieses Abkommen nicht etwa ein schriftliches Kodizill sei.

Der Oberste Gerichtshof hat den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes bestätigt.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die zwischen zwei Miterben getroffene Vereinbarung, in der sie sich gegenseitig verpflichten, ein in die Verlassenschaft fallendes Haus im Wege des Erbübereinkommens mit dem übrigen Miterben zu übernehmen, und miteinander vereinbaren, daß im Falle Ablebens des einen der beiden Vertragspartner die von ihnen im Wege des Erbübereinkommens erworbene Hälfte an den anderen fallen soll, ist weder eine letztwillige Verfügung noch ein Erb- oder Vermächtnisvertrag, sondern eine schuldrechtliche Vereinbarung, gegen deren Gültigkeit keine Bedenken bestehen.

Es ist seit der vom Kaiser Justinian 521 erlassenen Constitutio Cod. 4, 11 unbestritten, daß Abmachungen des Inhaltes gestattet sind, ut liceat et ab heredibus et contra heredes incipere actiones et obligationes. Daran hat auch das ABGB. nichts geändert. Unser Recht beruht auf dem Grundsatz der vollen Vertragsfreiheit und schließt auch Verträge nicht aus, welche unter keine der im Gesetz nominatim aufgezählte Typen subsumiert werden können. Ein zwischen zwei Miteigentümern oder zwischen zwei Personen, die gemeinsam eine Sache erwerben wollen, geschlossener aleatorischer Vertrag, dem überlebenden Miteigentümer die Haushälfte des anderen zu übertragen, ist im Gesetze weder ausdrücklich noch stillschweigend ausgeschlossen.

Gerade das Gegenteil ergibt sich aus § 602 ABGB. der nur Erbverträge und Verträge über eine Quote der Erbschaft verbietet, nicht aber Verträge über einzelne zum Nachlaß gehörige Sachen; wäre es anders, so könnte niemand sich einem anderen gegenüber verpflichten, eine Lebensversicherung auf sein Leben abzuschließen, in der er den anderen unwiderruflich begünstigt. Verträge über die Überlassung eines Grundstückes nach dem Ableben des Kontrahenten gegen Gewährung einer Leibrente in der Form, daß das Eigentum erst nach dem Tode des Kontrahenten auf den Rentenpflichtigen übergehen soll usw., wären unzulässig. Das vertragsmäßig dem überlebenden Miteigentümer eingeräumte Aufgriffsrecht unter der Verpflichtung der Auszahlung der Erben des Miteigentümers wäre nicht mehr möglich. Es könnten nicht mehr Heiratsgüter in der Form bestellt werden, daß die Eltern der ausheiratenden Tochter ein Grundstück vertragsmäßig auf den Todesfall übertragen usw.

Der Ausschluß der Vermächtnisverträge im österreichischen Recht hat nur den Sinn, daß durch einen Vertrag die Rechtsstellung eines Legatars im technischen Sinn nicht geschaffen werden kann, sie beweist aber nicht die Unmöglichkeit von Verträgen unter Lebenden über einzelne, zum Vermögen des einen Vertragspartners gehörige Sachen für den Fall seines Ablebens. Es wäre auch in der Tat nicht einzusehen, warum die unentgeltliche Veräußerung einer Sache auf den Todesfall, wenn die für Schenkungen vorgeschriebenen Förmlichkeiten eingehalten worden sind, zulässig sein soll, nicht aber die entgeltliche Veräußerung.

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung vom 18. Jänner 1950, 1 Ob 19/50, SZ. XXIII/8, ausdrücklich anerkannt, daß in einem Gesellschaftsvertrag die Bestimmung wirksam vereinbart werden kann, daß das ganze Unternehmen dem überlebenden Teil zufallen soll. Der vorliegende Fall unterscheidet sich nur dadurch, daß diesmal zwischen den Parteien kein Gesellschaftsverhältnis bestand, sondern eine schlichte Rechtsgemeinschaft nach dem 16. Hauptstück, bzw. eine Vereinbarung für den Fall abgemacht wurde, daß die in Aussicht genommene Rechtsgemeinschaft zustande käme. Wenn aber die aleatorische Klausel, daß ein Unternehmen dem Überlebenden zufallen soll, im Falle eines Gesellschaftsvertrags zulässig ist, so muß sie auch unter Miteigentümern oder präsumptiven Miteigentümern gestattet sein.

Es wäre auch abwegig, wenn man gegen die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung einwenden wollte, daß dadurch die Erben verkürzt werden könnten, denn durch jeden Verpflichtungsvertrag mindert der Erblasser sein Vermögen; nichtsdestoweniger kann er sich zu seinen Lebzeiten frei verpflichten. Die Erben können, wenn sie rechtswidrig verkürzt wurden, die ihnen zustehenden Anfechtungsrechte geltend machen.

Es werden auch die erbrechtlichen Vorschriften dadurch nicht umgangen, weil der Erblasser, der ein solches Abkommen abschließt, sich schon zu seinen Lebzeiten verpflichtet und bereits zu Lebzeiten des Erblassers bindende Verpflichtungen und Verfügungen, die erst nach seinem Tode wirksam werden sollen, nur dann verboten sind, wenn sie in Erbverträgen usw. übernommen werden.

Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß die behauptete Vereinbarung an sich zulässig ist. Da aber bisher nicht ausdrücklich festgestellt wurde, ob die Vereinbarung tatsächlich so, wie behauptet, abgeschlossen worden ist und insbesondere die Frage nicht erörtert wurde, ob der verstorbene Albert H., der angeblich minderjährig war, die Vereinbarung gültig abgeschlossen hat, ist die Sache noch nicht spruchreif und mußte demnach der Aufhebungsbeschluß, wenn auch aus anderen Erwägungen, bestätigt werden.