JudikaturJustiz1Ob87/21g

1Ob87/21g – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Mai 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch die Draxler Rexeis Sozietät von Rechtsanwälten OG, Graz, gegen die beklagte Partei Mag. W*****, Rechtsanwalt, *****, wegen 18.130 EUR sowie Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. März 2021, GZ 3 R 28/21v 42, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 9. Dezember 2020, GZ 22 Cg 48/19m 37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO

mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger stützt seine Ansprüche darauf, dass ihn der Beklagte als von ihm beauftragter Rechtsanwalt vor Abschluss einer seine zwei Kinder betreffenden Unterhaltsvereinbarung nicht darüber aufgeklärt habe, dass er nach dem „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodell“ zu keinen Geldunterhaltszahlungen verpflichtet gewesen wäre.

[2] Beide Vorinstanzen gaben der Klage statt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Streitwert des Berufungsverfahrens insgesamt 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die vom Beklagten erhobene außerordentliche Revision ist nicht zulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird:

[4] 1. Die Anwendung des „

betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells“, das zu einem Entfall des Geldunterhaltsanspruchs des Kindes führt, setzt voraus, dass die Betreuungs- und Naturalleistungen der Eltern annähernd gleichwertig und ihre Einkommen etwa gleich hoch sind (RS0131331).

[5] 2.1. Der Revisionswerber kritisiert, dass das Berufungsgericht die vom Erstgericht im zweiten Rechtsgang getroffene – von ihm bekämpfte – Beurteilung, der Kläger betreue die Kinder in annähernd gleichem Zeitausmaß wie die Mutter, übernahm, obwohl im ersten Rechtsgang ein tatsächliches Verhältnis von 40 % zu 60 % zugunsten der Mutter festgestellt worden war. Darin liege ein Verstoß gegen § 496 ZPO, weil abschließend erledigte Streitpunkte nach Aufhebung des Urteils gemäß Abs 1 Z 4 leg cit nicht wieder aufgerollt werden dürfen.

[6] 2.2. Der Beklagte übersieht jedoch, dass er eine Beratung des Klägers beim Abschluss der Unterhaltsvereinbarung auf Grundlage der zu diesem Zeitpunkt zwischen den Eltern (bestehenden und) für die Zukunft vorgesehenen Betreuungsregelung schuldete. Dem von ihm zu beurteilenden Entwurf der Unterhaltsvereinbarung lag eine Betreuung der Kinder durch den Kläger alle zwei Wochen jeweils in der Zeit von Samstag bis Mittwoch sowie in den Wochen dazwischen vom Montag bis Mittwoch zugrunde, was den im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen entspricht. Dass der Beklagte den Kläger darüber aufklären hätte müssen, dass insoweit – hinsichtlich der im Wesentlichen gleichwertigen Betreuungsleistungen der Eltern (vgl RS0130654 zu einem Verhältnis von 4 : 3) – die Voraussetzungen für eine Anwendung des „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells“ gegeben wären, begegnet somit keinen Bedenken. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers wurde – da der im ersten Rechtsgang (im Nachhinein festgestellten) tatsächlichen Betreuung der Kinder durch den Kläger für die Beurteilung der Beratungspflicht des Beklagten keine Relevanz zukommt – kein entscheidungserheblicher abschließend erledigter Streitpunkt „aufgerollt“.

[7] 3. Dass die Mutter Naturalleistungen in „viel höherem Ausmaß“ als der Kläger erbringe, kann dem Sachverhalt nicht entnommen werden. Vielmehr steht fest, dass sich die Eltern die Kosten für Kleidung und sonstigen Alltagsbedarf sowie für die Aktivitäten der Kinder teilen. Mit seinem Hinweis darauf, dass die Mutter zur Gänze die Kosten der Nachmittagsbetreuung der Kinder an „ihren Betreuungstagen“ trägt, übergeht der Revisionswerber, dass nur sie eine solche Betreuung benötigt und die dafür anfallenden Kosten (ebenso wie jene für den Fußballverein in Höhe von 100 EUR pro Jahr) zudem durch die von ihr bezogene Familienbeihilfe gedeckt sind. Wie hoch die (angeblich) von der Mutter getragenen Aufwendungen für Schule und Kindergarten sind, führt der Revisionswerber nicht aus. Dass das ältere Kind von ihr ein monatliches Taschengeld von 10 EUR erhält, fällt nicht ins Gewicht. Dass ihr aus (vom Revisionswerber erwähnten) Arztterminen der Kinder Kosten entstünden, behauptet er (weiterhin) nicht. Im Übrigen gilt auch hier, dass der Beklagte eine Beratung des Klägers auf Basis der bei Abschluss der Unterhaltsvereinbarung vorliegenden Informationen schuldete. Dass zu diesem Zeitpunkt Anhaltspunkte dafür vorgelegen wären, dass die Eltern nicht annähernd gleichwertige Naturalleistungen erbringen würden, legt er in seinem Rechtsmittel nicht dar.

[8] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).