JudikaturJustiz1Ob569/90

1Ob569/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Mai 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H***, Landwirt, Biedermannsdorf, Ortsstraße 25, vertreten durch Dr.Viktor Wolczik, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei Josef H***, Landwirt, Biedermannsdorf, Ortsstraße 28, vertreten durch Dr.Ferdinand Pieler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,056.885,90 samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15.November 1989, GZ 16 R 108/89-82, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 31.Jänner 1989, GZ 39 Cg 177/88-76, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 22.420,53 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.136,09 Umsatzsteuer und S 3.600 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Brüder. Mit Übergabsvertrag vom 7.Dezember 1966 übergab Maria Magdalena H*** dem Beklagten und seiner Ehegattin Leokadia H*** ihre aus den Liegenschaften EZ 62, 146, 309, 313, 412 KG Biedermannsdorf und EZ 78 KG Hennersdorf bestehende Landwirtschaft mit dem Anwesen Biedermannsdorf, Ortsstraße 28. Als Abtretungspreis war ein Betrag von S 100.000 vereinbart, den der Beklagte und seine Ehegattin an Gertrude S***, die Schwester der Streitteile, auszuzahlen hatten. Der Übergeberin war ein lebenslängliches und unentgeltliches Ausgedinge zu leisten. Dieses bestand aus einem Wohnrecht mit Heizung und Beleuchtung, freier Kost einschließlich Diätverpflegung und einem wertgesicherten monatlich zu leistenden Taschengeld in der Höhe von S 500. Die Übernehmer hatten weiters Kredit in der Höhe von S 143.439 zur Rückzahlung zu übernehmen. Unter den in der KG Biedermannsdorf übergebenen Grundstücken befand sich auch das Grundstück 310 Acker. Dieses Grundstück verkauften der Beklagte und seine Ehegattin mit Vertrag vom 21.Jänner 1974 an die "Wohnungseigentümer" G*** W*** GesmbH um den Preis von S 4,670.440. Maria Magdalena H*** verstarb am 20.September 1978. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 29.9.1979, 2 A 446/78-5, wurde ihr aus Aktiven von S 8.027 bestehender Nachlaß auf Abschlag der Forderungen an bezahlten Leichenkosten dem Beklagten überlassen. Zum Todeszeitpunkt hatten die verbliebenen übergebenen Liegenschaften einen Gesamtwert von S 9,227.670. Die Aufwendungen des Beklagten und seiner Ehegattin aus dem Übergabsvertrag für das zu leistende Ausgedinge betrugen zum Übergabstag S 315.000.

Der Kläger begehrt nach einer rechtskräftigen Teilabweisung zuletzt den Zuspruch des Betrages von S 1,056.885,90 samt Anhang bei sonstiger Exekution in die übergebenen Liegenschaften. Der Übergabsvertrag vom 7.Dezember 1966 habe überwiegend Schenkungscharakter gehabt, er sei dadurch in seinem Pflichtteilsanspruch um den Klagsbetrag verkürzt worden. Der Beklagte wendete ein, der Übergabsvertrag vom 7.Dezember 1966 habe keinen Schenkungscharakter gehabt. Es sei nicht vom Verkehrswert, sondern vom Wohlbestehenswert auszugehen. Mit seinem Beschluß vom 9.12.1987, 1 Ob 683/87 = NZ 1989, 98, auf dessen nähere Begründung verwiesen wird, gab der Oberste Gerichtshof einer Revision gegen das stattgebende Urteil des Berufungsgerichtes vom 28.Jänner 1987, ON 62, Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Das Berufungsgericht hatte festgestellt, daß zum Übergabszeitpunkt der Verkehrswert jener Grundstücke, von denen schon im Zeitpunkt der Übergabe feststand, daß sie entweder bereits Bauland waren oder bei denen auf Grund damals schon bestehender tatsächlicher und rechtlicher Aufschließungsmöglichkeiten eine künftige Verbauung bereits so konkret Gestalt angenommen hatte, daß sie nach der Verkehrsauffassung als zusätzliches werterhöhendes Moment angesehen und daher später unter Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes von den Übernehmern gewinnbringend veräußert werden konnten, S 1,816.639, der Ertragswert der restlichen Grundstücke einschließlich des lebenden und toten Inventars S 1,158.085, insgesamt gerundet S 2,975.000 betragen habe. Diesem Wert der Übergabsliegenschaften seien Ausgedingsleistungen im Umfang von S

545.429 gegenübergestanden. Zum Todeszeitpunkt habe der Wert der noch im Miteigentum der Beklagten stehenden übergebenen Liegenschaften S 9,121.000, der Wert des verkauften Grundstückes 310 aus EZ 62 KG Biedermannsdorf zum selben Zeitpunkt S 10,398.000 betragen. Der Oberste Gerichtshof führte aus, das Berufungsgericht habe zwar im zweiten Rechtsgang den Wert der beiderseitigen Vertragsleistungen festgestellt, nicht aber, ob die Vertragsparteien sich des Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung und sich damit des doppelten Chrakters des abgeschlossenen Geschäftes als entgeltlichen und unentgeltlichen bewußt gewesen seien. Die rechtliche Beurteilung, es läge eine gemischte Schenkung vor, könnte daher nur dann erfolgen, wenn im Tatsachenbereich auf Grund der Gesamtumstände des Vertragsabschlusses eine Feststellung über eine derartige Willenseinigung getroffen worden wäre, die Vertragsschließenden sich also des wahren Wertes bewußt waren. Ob aus diesem Grund eine (teilweise) Schenkungsabsicht bestand, wurde vom Berufungsgericht aber bis jetzt nicht festgestellt. In dieser Richtung blieb sein Verfahren ergänzungsbedürftig.

Im dadurch notwendig gewordenen dritten Rechtsgang vor dem Berufungsgericht gab dieses nunmehr der Berufung des Beklagten gegen das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichtes Folge und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück (ON 68).

Das Erstgericht wies nunmehr das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab nach Beweiswiederholung der Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es stellte fest, der 1922 geborene Kläger sei Ende 1945 aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt und habe von da an in der Landwirtschaft seiner Mutter gearbeitet. Sein Bruder, der Beklagte, sei bei der Rückkehr des Klägers aus der Gefangenschaft erst 16 Jahre alt gewesen, sodaß es zunächst der Kläger gewesen sei, der die Landwirtschaft seiner Mutter geführt habe. Im Jahre 1950 habe der Kläger von Aloisia F***, einer entfernten Verwandten, die von ihm bereits bewirtschaftete Landwirtschaft, die ihm schon im Jahre 1942 testamentarisch zugesichert worden sei, geerbt. Zwischen Magdalena H*** und den Streitteilen sei später mehrmals die Rede davon gewesen, daß der Kläger die "F***-Wirtschaft" und der Beklagte die Landwirtschaft seiner Mutter erhalten solle. Damit seien grundsätzlich alle einverstanden gewesen. Auch der Kläger habe nie Interesse an der schließlich dem Beklagten und seiner Gattin übergebenen Landwirtschaft gehabt. Da der Kläger aber nach dem Krieg in der Landwirtschaft seiner Mutter gearbeitet und sich auch um seine jüngeren Geschwister gekümmert habe, habe er es für recht und billig gefunden, daß er ein Grundstück aus der Liegenschaft seiner Mutter bekomme, was ihm diese auch wiederholt zugesichert habe. Es sei dies das Grundstück "Äußeres Bergfeld" gewesen, das später im Tauschweg gegen das Grundstück "Herinnere Sulz" der Firma W*** übertragen worden sei. Der Kläger habe in der Folge immer das Grundstück "Herinnere Sulz" im Ausmaß von etwa 3 ha übertragen erhalten wollen. Wegen der wiederholten Versprechungen der Mutter der Streitteile, dieses Grundstück dem Kläger zu übertragen und den wiederholten Forderungen des Klägers sei es zu familiärem Unfrieden gekommen, der sich immer mehr vertieft habe. Auch von seinem Bruder habe der Kläger das Grundstück mehrmals verlangt. Schließlich sei es im Jahr 1966 zum Übergabsvertrag zwischen Maria Magdalena H*** einerseits und dem Beklagten sowie dessen Gattin andererseits gekommen. Als der Kläger davon erfahren habe, habe er wieder das Grundstück verlangt. Diese sei ihm vom Beklagten verweigert worden. Vor dieser Übergabe habe Maria Magdalena H*** das Eigentum an den Grundstücken 195/1 Acker und 195/2 Acker der EZ 62 KG Biedermannsdorf an ihre Tochter Gertrude S*** und ihren Schwiegersohn Karl S*** übergeben. Maria Magdalena H*** habe vor dieser Übergabe erreicht, daß diese Grundstücke in Bauland umgewidmet wurden, dies habe ihrer Tochter ermöglicht, eines dieser Grundstücke günstig zu verkaufen und mit dem Erlös ihren Hausbau auf dem anderen Grundstück zu finanzieren. Von 1962 bis 1966 habe sich Maria Magdalena H*** intensiv um die Umwidmung des Grundstückes 310 bemüht. Die Gemeinde Biedermannsdorf sei selbst an der Umwidmung interessiert gewesen, weil Siedlungsgebiet benötigt worden sei. Grundstücke an der Grundgrenze der Landwirtschaft der Maria Magdalena H*** seien bereits von Grünland in Bauland umgewidmet worden. 1965 seien mehrere Grundstücke in Biedermannsdorf umgewidmet worden. Erst nach 1972 sei es zur Umwidmung des Grundstückes 310 gekommen. Der Beklagte und seine Frau hätten schließlich am 21.1.1974 dieses Grundstück an die "Wohnungseigentümer" G*** W*** mbH um

S 4,670.440 veräußert. Der Beklagte habe sich nie Gedanken darüber gemacht, daß durch die Übergabe der Landwirtschaft an ihn der Kläger benachteiligt sein könnte, weil dieser die "F***-Wirtschaft" erhalten hatte. Aus all diesen Umständen ergäbe sich, daß Maria Magdalena H*** einerseits und der Beklagte sowie Leokadia H*** andererseits zum Zeitpunkt der Übergabe gewußt hätten, daß der Wert der Leistungen, die sie nach dem Übergabsvertrag zu erbringen hatten, und der Wert der Landwirtschaft in einem auffälligen Mißverhältnis gestanden seien. Die für das Verfahren noch allein wesentliche Tatsachenfrage, ob sich die Parteien des Übergabsvertrages vom 7.12.1966 des krassen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung bewußt gewesen seien, lasse sich naturgemäß nicht durch direkte Fragestellung lösen. Die Antwort auf eine solche Frage stehe wohl angesichts der Prozeßstandpunkte von vornherein fest. Aus ihr sei daher nichts Verläßliches zu gewinnen. Lediglich aus den Umständen vor der Übergabe lasse sich auf das Wissen der Vertragsparteien schließen. Vor allem die Tatsache, daß der Beklagte und seine Mutter ganz offensichtlich eine familienintern gerechte Aufteilung darin gesehen hätten, daß der Kläger die "F***-Wirtschaft", der Beklagte aber die Landwirtschaft der Maria Magdalena H*** zur Bewirtschaftung hatten oder bekommen sollten, spreche eine deutliche Sprache dafür, daß der Beklagte und seine Frau die übergabe der Landwirtschaft nicht als ein ausschließlich entgeltliches Geschäft angesehen hätten, sondern vielmehr zumindest teilweise als einen Erbteil, der ihnen bereits zu Lebzeiten der Mutter zugekommen sei. Auch die Bemühungen der Mutter der Streitteile, die Umwidmungen zu erreichen und der wohl ortsbekannte Bedarf der Gemeinde nach Baugründen ließen schon zur Zeit der Übergabe erwarten, daß der Wert der übergebenen Liegenschaft in absehbarer Zeit wesentlich steigen würde. Anzunehmen, der Beklagte und dessen Gattin hätten zu diesem Zeitpunkt nichts von wertsteigernden Umwidmungsmöglichkeiten gewußt, sei nahezu lebensfremd. Das Berufungsgericht sei daher zu der Feststellung gelangt, daß der Beklagte und seine Mutter von einem erheblichen Unterschied zwischen Leistung und Gegenleistung nach dem Übergabsvertrag gewußt hätten. Ausgehend von diesen Feststellungen und in den bereits im Urteil des Berufungsgerichtes vom 28.1.1987 getroffenen Feststellungen über den objektiven Wert der Liegenschaften zum Zeitpunkt der Übergabe und zum Zeitpunkt des Todes der Maria Magdalena H*** ergebe sich rechtlich, daß sich der Übergabsvertrag vom 7.12.1966 als eine gemischte Schenkung darstelle. Es sei die Absicht der Maria Magdalena H*** gewesen, dem Beklagten und seiner Frau wesentlich mehr zukommen zu lassen als den im Vertrag ausbedungenen Gegenleistungen entsprochen habe. Diese Schenkungsabsicht sei dem Beklagten auch bewußt gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die ausschließlich aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

In ihr wird zum Teil unter Anführung unzulässiger Neuerungen und Ausführungen zur Glaubwürdigkeit einzelner Aussagen ausgeführt, daß das Berufungsgericht aus den von ihm getroffenen Tatsachenfeststellungen die unrichtige rechtliche Schlußfolgerung gezogen habe, daß der Beklagte und seine Mutter zum Zeitpunkt der Übergabe gewußt hätten, der Wert der Leistungen, wie sie nach dem Übergabsvertrag zu erbringen gewesen seien, und der übergebenen Landwirtschaft seien in einem auffälligen Mißverhältnis gestanden. Damit wird aber der geltend gemachte Revisionsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht. Mit diesen Ausführungen wird nämlich nicht die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, sondern dessen irrevisible Beweiswürdigung bekämpft. Ob jemand von einem bestimmten Sachverhalt (hier dem Wert der gegenseitig zu erbringenden Leistungen) Kenntnis hat, ist eine Tatfrage (SZ 42/177); wird eine solche Feststellung auf Grund von Schlußfolgerungen im Tatsachenbereich getroffen, ändert dies nichts an der Zuordnung zu diesem Bereich (EFSlg 55.078; SZ 57/121; SZ 48/120). Auch die Beurteilung über das Vorliegen einer bestimmten inneren Absicht wie der Schenkungsabsicht ist eine Tatsachenfeststellung (SZ 49/43; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1926). Daß die zum Teil auf Grund von Schlußfolgerungen im Tatsachenbereich getroffenen ergänzenden Feststellungen des Berufungsgerichtes gegen Denkgesetze oder Gesetze der Logik verstoßen würden, wurde nicht behauptet. Ein solcher dem Berufungsgericht unterlaufener Fehler liegt auch nicht vor.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.