JudikaturJustiz1Ob551/90

1Ob551/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Mai 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Barbara F***, Angestellte, Leoben, Kärntner Straße 130, vertreten durch Dr.Helmut Fetz, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Karin A***, Angestellte, Graz, Liebenauer Hauptstraße 283 a, vertreten durch Dr.Maximilian Geiger, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 36.000 samt Anhang infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 28.Dezember 1989, GZ 2 R 259/89-16, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 25.Oktober 1989, GZ 10 Cg 198/89-11, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

In der ersten Tagsatzung vom 16.8.1989 wurde der Beschluß verkündet, die unvertretene Beklagte habe die Klagebeantwortung spätestens zum 5.9.1989 zu überreichen. Die Beklagte wurde über die Bestimmungen des absoluten Anwaltszwanges sowie über die Verfahrenshilfe belehrt. Noch am selben Tag beantragte die Beklagte, ihr die Verfahrenshilfe im vollen Umfang zu bewilligen. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 21.8.1989, ON 4, wurde ihr die Verfahrenshilfe auch durch Beigebung eines Rechtsanwaltes bewilligt. Mit Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 28.8.1989 wurde Dr.Maximilian G*** zum Vertreter bestellt. Der Bescheid wurde ihm am 7.9.1989 zugestellt. Am 5.10.1989 wurde die Klagebeantwortung überreicht. Die Klagebeantwortung wurde dem Klagevertreter am 9.10.1989 zugestellt. Am 10.10.1989 ordnete das Erstgericht die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den 25.10.1989 an. Eingangs der mündlichen Streitverhandlung beantragte der Klagevertreter die Fällung eines Versäumungsurteiles, die Klagebeantwortung sei verspätet überreicht worden.

Das Erstgericht wies diesen Antrag zurück.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge. Es hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug ihm nach Rechtskraft des Beschlusses auf, in der Hauptsache ein Versäumungsurteil zu erlassen. Unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 225 Abs 1 ZPO habe die Frist zur Erstattung der Klagebeantwortung am 27.9.1989 geendet. § 145 Abs 2 ZPO sei auf verspätete Klagebeantwortungen nicht anzuwenden. Die im § 398 ZPO genannten Säumnisfolgen träten ohne Antrag ein.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht berechtigt. Die im Rechtsmittel aufgestellte Behauptung, der Prozeßrichter habe sich bei Festsetzung der Klagebeantwortungsfrist geirrt, er habe die Frist (entgegen der Vorschrift des § 243 Abs 1 ZPO) mit 5.10.1989 bestimmen wollen, ist nicht nur irrelevant, sie stellt auch eine unzulässige Neuerung dar. Wesentlich erscheint nur die Frage, ob die Vorschrift des § 145 Abs 2 ZPO auf die verspätete Klagebeantwortung anzuwenden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung treten die Säumnisfolgen infolge nicht rechtzeitiger Erstattung der Klagebeantwortung kraft Gesetzes ein. Sie können daher durch eine noch vor dem Antrag auf Erlassung des Versäumungsurteiles verspätet überreichte Klagebeantwortung nicht beseitigt werden (SZ 46/23; SZ 39/47; ZBl 1927/88). Diese Rechtsprechung wurde von der Lehre unter Hinweis auf die Materialien und die Fragebeantwortung geteilt (Sperl 536; Pollak, System2 716; Neumann4 1140, Petschek-Stagel 345 f; Fasching, Kommentar II 722, III 628). Eine entsprechende Belehrung sah auch das ZP-Form 68 (Protokoll über die erste Tagsatzung mit Anordnung der Klagebeantwortung) in seiner ursprünglichen Fassung vor. Erstmals R.Kralik (ÖJZ 1950, 129 f) vertrat die Ansicht, die Argumentation, die Präklusion sei schon mit Fristablauf eingetreten, die versäumte Prozeßhandlung könne nicht nachgeholt werden obwohl noch gewisse Rechtsnachteile nicht eingetreten seien, deren Verwirklichung noch von einem Antrag abhängig sei, widerspreche dem § 145 ZPO, der eben ein Nachholen der versäumten Prozeßhandlung zulasse. Dem haben sich in der Folge Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht2 280 und Rechberger in JBl 1974, 568 angeschlossen. Fasching, Lehrbuch2 Rz 1403 bezeichnet nunmehr die Frage, ob die Fällung eines Versäumungsurteiles noch möglich sei, wenn die Klagebeantwortung erst nach Ablauf der Frist, aber noch bis zum Tag der Einbringung des Antrages auf Fällung des Versäumungsurteiles einlange, als strittig, scheint aber, wie seine Ausführungen in Rz 571 zeigen, eher der Ansicht R.Kraliks zu folgen.

Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlaßt, von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abzugehen. § 243 Abs 4 ZPO verweist für den Fall einer nicht rechtzeitig erstatteten Klagebeantwortung auf die Vorschrift des § 398 ZPO. Danach ist Rechtsfolge einer nicht rechtzeitigen Überreichung der Klagebeantwortung die Befugnis des Klägers, die Erlassung des Versäumungsurteiles in der Hauptsache zu beantragen. Wie Fasching noch in Kommentar II 722 richtig erkannte, tritt die Präklusionswirkung des § 398 ZPO ohne Antragstellung ein. Der Beklagte ist auch dann von weiteren sachlichem Vorbringen ausgeschlossen, wenn der Kläger es verabsäumt haben sollte, den Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteiles zu stellen. Daß die Präklusion des Beklagten bereits durch die nicht rechtzeitige Überreichung der Klagebeantwortung eintritt, zeigt schon die Urfassung des § 398 ZPO. Die nicht rechtzeitige Überreichung der Klagebeantwortung berechtigte den Kläger, den Antrag auf Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung zu stellen. Nach § 398 Abs 2 ZPO in der damaligen Fassung hatte sich diese Streitverhandlung auf die vom Beklagten in der ersten Tagsatzung erhobenen Prozeßeinreden zu beschränken. Wurden diese Einreden verworfen (oder waren sie nicht erhoben worden) war sogleich auf weiteren, vom Kläger gestellten Antrag in der Hauptsache Versäumungsurteil zu erlassen. Durch die 1.GEN RGBl 1914/118 wurde es dem Kläger ermöglicht, bei nicht rechtzeitiger Erstattung der Klagebeantwortung sogleich ein dann außerhalb der Verhandlung ergehendes Versäumungsurteil zu beantragen. Durch diese Verfahrensvereinfachung sollte aber an der sich aus den Materialien und der Fragebeantwortung ergebenden Ausschlußwirkung nichts geändert werden. Petschek-Stagel aaO weisen zutreffend darauf hin, daß im Falle der Erhebung von Prozeßeinreden und der Nichterstattung einer Klagebeantwortung der Kläger vor Verwerfung dieser Einreden die Erlassung eines Versäumungsurteiles in der Hauptsache nicht beantragen kann (§ 398 Abs 2 ZPO). Dies würde aber bedeuten, daß bei Anwendung des § 145 Abs 2 ZPO der säumige Beklagte noch Monate nach Ablauf der Klagebeantwortungsfrist die nicht rechtzeitige Klagebeantwortung nachholen könnte, ohne daß ihn Säumnisfolgen träfen. Das kann dem Gesetzgeber, der ausreichend Rechtsbehelfe zur Sanierung eines dem Beklagten unterlaufenen Irrtums bei verspäteter Erstattung einer Klagebeantwortung zur Verfügung gestellt hat, nicht unterstellt werden. Die Bestimmung des § 398 ZPO ist somit eine die Säumnisfolgen bei nicht rechtzeitiger Erstattung der Klagebeantwortung regelnde Spezialvorschrift, die die Anwendung des § 145 Abs 2 ZPO verdrängt.

Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.