JudikaturJustiz1Ob534/85

1Ob534/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Wurz, Dr.Gamerith und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma Karlheinz und Agnes A Gesellschaft mbH, Wiener Straße 92, 3403 Klosterneuburg, vertreten durch Dr.Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) prot. Firma Wilhelm B Co, Aglassingerstraße 60-66, 5023 Salzburg, 2.) Wilhelm B, Bankkaufmann, ebendort, beide vertreten durch Dr.Georg Reiter, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 7,579.829 S s.A infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12.November 1984, GZ 1 R 260/84-17, womit das Urteil des Landes- als Handelsgerichtes Salzburg vom 7.Juni 1984, GZ 6 Cg 103/84-9, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben der klagenden Partei die mit 30.095,40 S bestimmten Rekursverfahrenskosten (davon 2.372,40 S Umsatzsteuer und 10.800 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei und die erstbeklagte Partei, deren persönlich haftender Gesellschafter der Zweitbeklagte ist, schlossen am 11. Jänner 1980

einen sogenannten 'Franchisevertrag', mit dem die klagende Partei (Franchisegeberin) der erstbeklagten Partei (Franchisenehmerin) das Recht einräumte, das gesamte ihr mitgeteilte Erfahrungswissen zur Errichtung und zum Betrieb eines Baumarktes in Salzburg und im angrenzenden westlichen Oberösterreich zu verwerten und den Baumarkt nach Vorbild des Franchisegebers und unter Verwendung der registrierten Marke 'Baumax' zu führen. Der Franchisenehmer sollte in diesem Baumarkt Waren vertreiben, die ihm vom Franchisegeber im Sortiment genannt oder geliefert werden. Der Franchisegeber stellte das Werbe-, Ausstattungs-, Vertriebs- und Verrechnungssystem bei. Die Vereinbarung wurde für die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen. Außer einer bei Vertragsabschluß zu bezahlenden Einmalgebühr von mindestens 350.000 S hatte der Franchisenehmer eine laufende Franchisegebühr von 3 % des Jahresumsatzes, jedenfalls aber 600.000 S im ersten Jahr, 750.000 S im zweiten Jahr und 900.000 S ab dem dritten Jahr zuzüglich Umsatzsteuer zu bezahlen.

Art. X des Vertrages sieht eine Schiedsklausel vor, nach der alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag und seiner Durchführung unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte durch einen Einzelschiedsrichter entschieden werden sollen. Am 5.März 1981 wurden die Gebäude, in denen die erstbeklagte Partei den Baumarkt betrieb, durch einen Brand zur Gänze zerstört. Mit Schreiben vom 6. April 1981 kündigte die erstbeklagte Partei den Franchisevertrag wegen dieser Brandkatastrophe auf.

Am 17.September 1981 brachte die klagende Partei beim Schiedsrichter Rechtsanwalt Dr.Fritz C gegen die erstbeklagte Partei eine Klage auf Zahlung des Barwertes der bis zur vorgesehen gewesenen Beendigung des Franchisevertrages (1989) anfallenden Franchisegebühren abzüglich der Eigenersparnisse in der Höhe von 7,579.828 S s.A ein. Die erstbeklagte Partei erhob im schiedsgerichtlichen Verfahren die Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichtes mit der Behauptung, daß die klagende Partei der Beendigung des Franchisevertrages zugestimmt habe, womit auch die Schiedsklausel außer Kraft getreten sei.

Am 30.Oktober 1981 erhob die erstbeklagte Partei gegen die klagende Partei beim Handelsgericht Wien die Klage auf Feststellung, daß das von den Streitteilen mit dem Franchisevertrag vom 11.Jänner 1980 begründete Rechtsverhältnis infolge Unterganges des Betriebsgebäudes einschließlich der im Punkt X des Franchisevertrages festgelegten Schiedsklausel einverständlich beendet wurde, und begehrte die Rückzahlung der bei Vertragsabschluß geleisteten einmaligen Franchisegebühr. Die klagende Partei (dort: beklagte Partei) erhob die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen ordentlichen Gerichtes. Der Oberste Gerichtshof bestätigte mit Beschluß vom 16.Juni 1982, 1 Ob 628/82 (nunmehr veröffentlicht in SZ 55/89), die Entscheidung der zweiten Instanz, mit der die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit verworfen wurde, mit der Begründung, bei behauptetem Erlöschen des Schiedsvertrages wegen dessen einverständlicher Aufhebung könne die Klage vor dem staatlichen Gericht erhoben werden. Hierauf stellte die klagende Partei (dort: beklagte Partei) den Zwischenantrag auf Feststellung, daß die im Franchisevertrag getroffene Schiedsvereinbarung nicht aufgelöst worden sei.

Dieser Zwischenantrag wurde in allen Instanzen, zuletzt mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 4.April 1984, 1 Ob 547/84, abgewiesen. Auch das Feststellungsbegehren der beklagten Partei (dort: klagenden Partei) wurde abgewiesen. Am 27.April 1983 vereinbarten die Parteien des Schiedsgerichtsverfahrens Ruhen des Verfahrens.

Am 28.Februar 1984 erhob die klagende Partei die vorliegenden Klage, mit der sie dieselben Ansprüche wie mit der vorgenannten Schiedsgerichtsklage - allerdings auch gegen den Zweitbeklagten als persönlich haftenden Gesellschafter der erstbeklagten Partei - geltend machte.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der Streitanhängigkeit, verwies auf das über denselben Anspruch anhängige Schiedsgerichtsverfahren und beantragte hilfsweise Abweisung des Klagebegehrens.

Am 15.Mai 1984 zog die klagende Partei die vor dem Schiedsgericht erhobene Klage zurück und führte dazu in ihrer Eingabe aus: 'Die beklagte Partei hat die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit erhoben und dies damit begründet, daß eine die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes begründende Vereinbarung nicht (mehr) vorliegt. Im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16.Juni 1982 zieht die klagende Partei hiermit die Klage vor dem Schiedsgericht zurück und verzichtet endgültig auf die Fortsetzung des Schiedsverfahrens.' Die beklagten Parteien machten hierauf geltend, die klagende Partei habe die Schiedsgerichtsklage nur unter Anspruchsverzicht zurückziehen können. Die Zurückziehung habe daher zum Anspruchsverlust der klagenden Partei geführt, so daß das Klagebegehren schon aus diesem Grunde abzuweisen sei. Das Erstgericht folgte dieser Ansicht und wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die Zurücknahme der Klage sei, so wie in dem der Entscheidung SZ 28/220 zugrundeliegenden Sachverhalt, zu dem Zweck erfolgt, das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit aus der Welt zu schaffen. Der Schutzzweck des § 237 Abs. 1 ZPO bestehe darin, dem Gegner nicht ohne seinen Willen einen weiteren Prozeß aufzulasten. Dieser Zweck komme hier nicht zum Tragen, da die klagende Partei auf eine weitere Klagsführung vor dem Schiedsgericht verzichtet habe und im Zeitpunkt der Klagsrücknahme bereits das Verfahren vor dem ordentlichen Gericht anhängig gewesen sei. Die Klagsrücknahme sei trotz Ruhens des Schiedsgerichtsverfahrens wirksam erfolgt.

Da die Schiedsgerichtsklage wirksam zurückgenommen worden sei, sei das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit bei Schluß der Verhandlung vor dem Erstgericht nicht mehr vorgelegen. Ein Anspruchsverzicht sei nicht erklärt worden und könne nicht angenommen werden, weil im Zeitpunkte der Zurücknahme der Schiedsgerichtsklage bereits die Leistungsklage vor dem Erstgericht anhängig gewesen sei und mit der Klagsrücknahme vor dem Schiedsgericht nur der dort erhobenen Einrede der Streitanhängigkeit Rechnung getragen werden sollte.

Der vom Erstgericht herangezogene Abweisungsgrund des Anspruchsverzichtes liege damit nicht vor, so daß das Verfahren nicht spruchreif sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Der Schiedsrichter gestaltete das Verfahren nach den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung. Daß die Heranziehung der Zivilprozeßordnung im schiedsgerichtlichen Verfahren dem § 587 Abs. 1 ZPO entsprach (vgl. Fasching IV 782; derselbe, LB Rz 2206), wird von den Streitteilen nicht in Zweifel gezogen, da sie bei ihren Rechtsbehauptungen zu den Wirkungen der umstrittenen Klagsrückziehung ausschließlich von Bestimmungen der Zivilprozeßordnung ausgehen. Die Parteihandlungen der Streitteile vor dem Schiedsgericht sind daher nach den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung zu beurteilen.

Gemäß § 237 Abs. 1 ZPO kann die Klage ohne Zustimmung des Beklagten nur bis zum Beginn der ersten Tagsatzung, wenn aber der Beklagte zu dieser nicht erscheint, auch noch bei der ersten Tagsatzung zurückgenommen werden; wenn gleichzeitig auf den Anspruch verzichtet wird, kann die Klage ohne Zustimmung des Beklagten bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung zurückgenommen werden. Mit dieser Einschränkung des Zurücknahmerechtes soll sichergestellt werden, daß der Beklagte nicht gegen seinen Willen mehrmals nacheinander in Rechtsstreitigkeiten wegen desselben materiellrechtlichen Anspruches belangt wird, ohne eine endgültige Klärung des Streitfalles in seinem Sinne herbeiführen zu können (Fasching, Zivilprozeßrecht LB Rz 1246). Die Bestimmung des § 237 Abs. 1 ZPO erfaßt aber nicht den Fall, daß der Kläger einer prozessualen Einrede des Beklagten Rechnung trägt und etwa unter ausdrücklicher Bezugnahmne auf die Einrede des Beklagten, daß das angerufene Gericht unzuständig sei, seine Klage allein aus diesem Grund zurückzieht. Der Beklagte ist zwar nicht berechtigt, wegen der Unzuständigkeitseinrede die Einlassung in die Verhandlung zur Hauptsache zu verweigern (§§ 260 Abs.1, 239 Abs.2 ZPO); mit der Erhebung der Unzuständigkeitseinrede stellt er sich aber immer noch auf den Standpunkt, daß der gegen ihn erhobene Anspruch meritorisch von einem anderen Gerichte zu erledigen sei und damit - wenn es nicht zu einer überweisung der Klage kommt - über denselben Anspruch ein weiteres Verfahren stattfinden muß. Wenn der Kläger in Anerkennung dieses Standpunktes und allein in Berücksichtigung der erhobenen Einrede vor der Entscheidung des Gerichtes über diese die Klage zurückzieht, betrifft diese Prozeßhandlung den materiellen Rechtsanspruch überhaupt nicht, so daß sich die Frage, ob die Klage unter Verzicht auf den materiellen Anspruch zurückgezogen werde, gar nicht stellt. Die Zurücknahme der Klage erfolgt vielmehr allein unter Bedachtnahme auf die prozessuale Einrede des Beklagten, die geltend macht, daß das angerufene Gericht nicht befugt sei, über den materiellen Anspruch abzusprechen. Diesen Fall hat § 237 Abs.1 ZPO nicht im Auge. Selbst wenn man aber annehmen wollte, § 237 Abs.1 ZPO habe doch zu gelten, müßte jedenfalls der Erhebung der Unzuständigkeitseinrede die Zustimmung des Beklagten unterstellt werden, die Klage in Entsprechung der Einrede ohne Anspruchsverzicht zurückzuziehen; und der Hinweis des Klägers darauf, daß er die Klage nur wegen der erhobenen Einrede zurückziehe, bedeutete allein, daß die Klage ohne Verzicht auf den Anspruch zurückgezogen werde. Eine Auffassung, ein Kläger dürfe nach der ersten Tagsatzung, aber vor Erledigung der Unzuständigkeitseinrede die Klage nur mit Zustimmung des Beklagten oder unter Anspruchsverzicht zurückziehen, obwohl er nur der Einrede entsprechen will und dies auch klarstellt, ist jedenfalls abzulehnen.

Daß die aus Zuständigkeitsgründen vorgenommene Zurücknahme der Klage einen Verzicht auf den Anspruch nicht voraussetzt, hat der Oberste Gerichtshof seit der Entscheidung SZ 28/220 wiederholt ausgesprochen (EvBl. 1970/233;

1 Ob 107/72; 4 Ob 575/75; 3 Ob 545/76; ausführlich 4 Ob 582/81). Dem ist auch die Lehre gefolgt (Fasching III 141, 143; derselbe, LB Rz 1252). Die Zulässigkeit einer solchen Zurücknahme der Klage wurde allerdings von der weiteren Voraussetzung abhängig gemacht, daß über denselben Anspruch zwischen denselben Parteien bereits ein Rechtsstreit eingeleitet worden ist, in welchem der Anspruch jedenfalls zur Entscheidung kommt (4 Ob 575/75; 4 Ob 582/81). Diese Voraussetzung wäre zwar auch im vorliegenden Fall gegeben, kann aber nicht entscheidend sein. Wesentlich ist nur, daß die Zurückziehung der Klage allein deswegen erfolgte, um der vom Beklagten erhobenen Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes Rechnung zu tragen. Die von der klagenden Partei aus diesem Grund erklärte Zurücknahme der Schiedsgerichtsklage bedurfte keiner Zustimmung der beklagten Partei und auch keiner Erklärung über einen Anspruchsverzicht. Sie konnte auch während des Ruhens des Schiedsgerichtsverfahrens wirksam erfolgen (EvBl. 1953/57; vgl. auch ÖJZ 1969, 165; MietSlg. 19.524; Fasching II 808; derselbe LB Rz 600).

Da das Erstgericht die Abweisung des Klagebegehrens nur auf den vermeintlichen Anspruchsverzicht durch die klagende Partei gestützt hat, sich aber mit dem sonstigen beiderseitigen Vorbringen nicht auseinandersetzte, ist die Rechtssache nicht spruchreif. Der Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz ist daher zu bestätigen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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