JudikaturJustiz1Ob253/68

1Ob253/68 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 1968

Kopf

SZ 41/125

Spruch

Zur Frage der Glaubhaftmachung der zur Rechtfertigung eines Antrages um Fristverlängerung gemäß § 128 (4) ZPO. angeführten Umstände.

Entscheidung vom 3. Oktober 1968, 1 Ob 253/68.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung eines Werklohnes in der Höhe von 5987 S s. A.

Anläßlich der vom Erstgericht für den 6. August 1968 anberaumten ersten Tagsatzung, zu der für den Kläger dessen bevollmächtigter Vertreter und für die Beklagte eine Rechtsanwaltsanwärterin aus der Kanzlei des nunmehrigen Beklagtenvertreters erschienen sind, wurde der Letztgenannte gemäß dem § 38 (1) ZPO. einstweilen als Bevollmächtigter zugelassen um die nachträgliche Vorlage der Vollmacht binnen drei Tagen angeordnet (§ 38 (2) ZPO.). Der Kläger beantragte für den Fall der nicht rechtzeitigen Vollmachtsvorlage die Fällung eines Versäumungsurteiles im Sinne des Klagebegehrens. Das Erstgericht erklärte während der ersten Tagsatzung die Sache zur Ferialsache (§ 224 (2) ZPO.) und beraumte die Streitverhandlung für den 13. August 1968 an. Am 9. August 1968 langte beim Erstgericht ein Schriftsatz des Beklagtenvertreters ein, in dem dieser mit dem Hinweis, daß sich die Beklagte auf Urlaub befinde und deshalb für ihn bisher nicht zu erreichen gewesen sei, um eine Verlängerung der Frist zur Nachbringung der Vollmacht, zumindest bis zum 13. August 1968, ansuchte.

Das Erstgericht hat diesem Antrag entsprochen und die dem Beklagtenvertreter gesetzte Frist zur Nachbringung der Vollmacht bis 13. August 1968, dem Tag, für den die Streitverhandlung anberaumt worden war, verlängert. Da zu der mündlichen Verhandlung die klagende Partei nicht erschienen ist und die für die beklagte Partei erschienene Rechtsanwaltsanwärterin aus der Kanzlei des nunmehrigen Beklagtenvertreters nicht verhandelt hat, ist nach dem Akteninhalt am 13. August 1968 Ruhen des Verfahrens eingetreten. Der Beklagtenvertreter hat die mit 6. August 1968 datierte schrittliche Vollmacht der beklagten Partei mit einem am 26. August 1968 bei Gericht eingelangten Schriftsatz vorgelegt.

Das Rekursgericht hat infolge Rekurses der klagenden Partei in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses den Antrag der Beklagten, die Frist zur Vorlage der Vollmacht bis 13. August 1968 zu verlängern, verworfen. Die Beklagte habe in ihrem fristgerecht (§ 128 (3) ZPO.) gestellten Antrag zwar erhebliche, eine Verlängerung der gesetzten richterlichen Frist gemäß dem § 128 (2) ZPO. rechtfertigende Gründe behauptet, diese aber nicht entsprechend bescheinigt. Sie habe damit einer ihr nach dem § 128 (2) und (4) ZPO. obliegenden Verpflichtung nicht entsprochen, sodaß die vom Erstgericht zugestandene Verlängerung der Frist nicht zu rechtfertigen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Auszugehen ist davon, daß der einschreitende Anwalt den Antrag auf Fristverlängerung auf sehr erhebliche Gründe, nämlich auf die Ortsabwesenheit der beklagten Partei und die auf diese Tatsache zurückzuführende Unmöglichkeit der Beibringung einer schriftlichen Bevollmächtigung, gestützt hat. Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, daß es grundsätzlich der antragstellenden Partei zukommt, die für eine Fristverlängerung sprechenden Umstände nicht nur zu behaupten, sondern auch zu bescheinigen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, zu prüfen, ob ein echtes Bedürfnis für eine Fristverlängerung vorliegt. Das Rekursgericht hat aber die Bestimmung des § 128 (4) ZPO. vernachlässigt, derzufolge dem Gericht die zur Rechtfertigung des Antrages angeführten Umstände auf Verlangen glaubhaft zu machen sind. Diese Vorschrift kann sinnvoll nur dahin verstanden werden, daß ein der Bescheinigungsmittel entbehrender Antrag nicht aus diesem Grund zurückgewiesen ("verworfen") werden kann, daß das Gericht vielmehr dann, wenn seine eigene Kenntnis von der Sachlage nicht hinreicht, die antragstellende Partei zur Bescheinigung der vorgebrachten Antragsgrunde aufzufordern hat (Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, II S. 679 f; Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen[4], I S. 694).

Wenn das Erstgericht die im Gesetz vorgesehene Aufforderung zur Vorlage der Bescheinigungsmittel unterlassen und die Fristverlängerung auf Grund der Darlegungen der antragstellenden Partei bewilligt hat, dann erhellt daraus, daß es die vorgebrachten Gründe für gegeben angesehen hat.