JudikaturJustiz1Ob247/97y

1Ob247/97y – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Dezember 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Peter M*****, vertreten durch Dr.Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die Antragsgegnerin Gemeinde H*****, vertreten durch Dr.Rainer Kinz, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Leistung einer Entschädigung nach § 34 Abs 4 WRG, infolge außerordentlicher Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 10.Juni 1997, GZ 3 R 185/97x-69, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der als Rekurs und Revision bezeichnete außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers und der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin werden mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Verwiesen wird auf die beiden Parteien bekannte Vorentscheidung 1 Ob 1045/95.

Die Bezirksverwaltungsbehörde legte gemäß § 34 Abs 1 WRG 1959 zum Schutz eines Grundwasserpumpwerks der Antragsgegnerin, einer Gemeinde, auch eine Teilfläche der als Mischkultur des biologischen Landbaus genutzten und im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Freifläche/Landwirtschaftsgebiet ausgewiesenen Liegenschaft des Antragstellers in der Schutzzone II für das Trinkwasserschutzgebiet fest und traf gleichzeitig besondere Anordnungen über die Bewirtschaftung oder sonstige Nutzung. Die Entschädigung des Antragstellers nach § 34 Abs 4 WRG 1959 wurde vom Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 23.November 1993 mit 293.825 S samt 4 % Zinsen vom 1.Februar 1992 bis zum Tag der Auszahlung und vom Erstgericht im Rahmen seiner sukzessiven Kompetenz im zweiten Rechtsgang mit 1,153 Mio S festgesetzt.

Das Rekursgericht wies die Anträge des Antragstellers auf Durchführung einer mündlichen Rekursverhandlung (Punkt 1.) sowie auf Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof wegen unverhältnismäßigen Eingriffs in das Eigentumsrecht durch § 34 Abs 4 WRG (Punkt 2.) ab, gab dem Rekurs des Antragstellers nicht (Punkt 3.), dem Rekurs der Antragsgegnerin hingegen teilweise Folge (Punkt 4.) und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es - unter Berücksichtigung einer Teilzahlung der Antragsgegnerin von 290.825 S und Nichtberücksichtigung der Verkehrswertminderung der Liegenschaft von 248.400 S - den Entschädigungsbetrag mit restlichen 613.775 S festsetzte und den Kostenzuspruch an den Antragsteller auf 180.560,40 S reduzierte (Punkt 5.).

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien sind nicht zulässig.

a) Wie der erkennende Senat bereits in seiner Vorentscheidung vom 26. März 1996, 1 Ob 1045/95, darstellte, sind nach § 34 Abs 4 WRG 1959 idF der WRG-Novelle 1990 die durch wasserrechtsbehördliche Vorkehrungen verursachten Nutzungseinschränkungen zu entschädigen, somit jede mögliche Nutzung, die dem Anspruchsberechtigten infolge des Eingriffs verwehrt bleibt, sofern diese mögliche Nutzung bei Anordnung der Einschränkung rechtlich zulässig und durch etwa erforderliche behördliche Bewilligungen (Widmungen, Baubewilligungen udgl) gedeckt war (so schon 1 Ob 1/94 = SZ 67//27; RIS-Justiz RS0082579). Durch die Streichung des Wortes "weiter" im § 34 Abs 4 WRG 1959 durch die WRG-Novelle 1990 wurde der Inhalt des Entschädigungsanspruchs wesentlich ausgedehnt.

Damit erledigt sich sowohl das Rechtsmittel der Antragsgegnerin, die weiterhin den Standpunkt vertritt, es sei nur die Ertragsminderung zu entschädigen, die sich auf den vom Antragsteller ausgeübten biologisch-dynamischen Landbau beziehe, als auch die im Rechtsmittel des Antragstellers aufgestellte Behauptung, eine Umwidmung in Bauland sei zu berücksichtigen. Denn im Zeitpunkt der Nutzungsbeschränkung war das betroffene Grundstück des Antragstellers nicht als Bauland gewidmet. Ebenso ist es unerheblich, ob es aus der Sicht der vom Europäischen Gerichtshof gewahrten Grundrechte und allgemeinen Rechtsgrundsätze der Europäischen Union zulässig und verhältnismäßig sei, im Fall der Festlegung eines Wasserschutz- oder -schongebiets die Entschädigung der davon betroffenen Grundeigentümer auf unmittelbar aktuelle Nutzungen zu beschränken und die sonstigen wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten außer Betracht zu lassen, deren der Grundeigentümer durch die Nutzungsbeschränkungen verlustig gehe, weil zufolge § 34 Abs 4 WRG ohnehin jede mögliche Nutzung entschädigt wird. Das Bebauen oder der Verkauf des betroffenen Grundstücks als Bauland ist keine mögliche Nutzung. Der Antragsteller kann daher schon begrifflich keiner wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten und insoweit keiner Rechte verlustig gehen, die er im Zeitpunkt der Nutzungsbeschränkung gar nicht hatte. Da der Rekurswerber somit offenbar von einer vor der WRG-Novelle 1990 maßgeblichen Rechtslage ausgeht, bedarf es keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gemäß Art 177 Abs 3 EGV, weil die aufgeworfene Frage nicht entscheidungserheblich ist.

Die weitere Argumentation des Antragstellers, die Nichtzulassung des ordentlichen Rechtsmittels verstoße gegen zwingendes Gemeinschaftsrecht, weil das im Zuge eines Verfahrens anzurufende Höchstgericht ohne Beschränkungen jedweder Art in der Lage sein müsse, gemeinschaftsrechtlich erhebliche Fragen dem Europäischen Gerichtshof nach Art 177 Abs 3 EGV zur Vorabentscheidung vorzulegen, übersieht, daß die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs nicht auf Höchstgerichte beschränkt, sondern jedem einzelstaatlichen Gericht zugänglich ist. Trat keine der Vorinstanzen gemäß Art 177 EGV an den Europäischen Gerichtshof heran, obwohl nach der Verfahrenslage ein solcher Verfahrensschritt geboten war, so kann dieser Umstand ohnehin als erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts iSd § 502 Abs 1 ZPO bzw § 14 Abs 1 AußStrG zum Gegenstand eines insoweit zulässigen außerordentlichen Rechtsmittels gemacht werden. Relevante gemeinschaftsrechtliche Fragen bringt der Antragsteller indes nicht zur Darstellung. Der Hinweis auf die Dienstleistungsfreiheit nach Art 59 ff EGV übersieht, daß der Antragsteller, der Landwirt ist bzw war, nicht dem Dienstleistungsbegriff des Art 60 EGV unterfällt. Zu einem behaupteten unverhältnismäßigen Eigentumseingriff und zu einem allfälligen Verstoß gegen Art 1 Abs 2 der 1.ZPzEMRK wurde bereits in der Vorentscheidung 1 Ob 1045/95 Stellung genommen,

b) Der Anregung des Antragstellers, § 34 Abs 4 WRG idgF einem Normenprüfungsverfahren beim VfGH zu unterziehen, ist nicht näher zu treten. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits zu § 34 Abs 4 WRG idF vor der WRG-Novelle 1990 ausgesprochen hat (VfSlg 6443/1970, 9190/1977 ua), bestehen gegen die zitierte Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Umso weniger können solche, hier gar nicht näher dargestellte Bedenken gegen die geltende Fassung des § 34 Abs 4 WRG bestehen, wurde doch der in seinen Rechten Beschränkte durch die Ausdehnung des Entschädigungsumfangs erheblich besser gestellt.

c) Entgegen den Rechtsmittelausführungen des Antragstellers hat das Rekursgericht die Nichtzuerkennung der Verkehrswertminderung von 248.400 S als nicht entschädigungspflichtige Tatsache in seinem Beschluß (S 9 erster Absatz der Beschlußausfertigung = ON 69 AS 495) unter Hinweis auf Lehre und Rspr (vgl dazu Raschauer, WRG, § 34 Rz 13) begründet. Inhaltlich wird dagegen im Rechtsmittel auch nichts vorgetragen.

d) Die Herabsetzung des Entschädigungsbetrags durch die zweite Instanz resultiert zum Teil aus deren Beschlußannahme, die Antragsgegnerin habe den im Verwaltungsverfahren zugesprochenen Betrag von 290.825 S bezahlt. Der Antragsteller bringt nun dazu vor, es fehlten entsprechende Feststellungen in erster Instanz. Dieser Feststellungen bedarf es allerdings schon deshalb nicht, weil der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 10.Februar 1995 ON 30 vorbrachte, letzte Woche festgestellt zu haben, daß ihm die Antragsgegnerin den Betrag von 312.243 S (erkennbar 295.825 S zuzüglich der ihm im Verwaltungsverfahren zuerkannten Zinsen ab 1. Februar 1992) auf sein Konto überwiesen habe; er habe daraufhin diesen Betrag auf das Kanzleikonto seines Rechtsfreunds überwiesen. Da der mit einer gerichtlichen Hinterlegung verbundene Aufwand vermieden werden solle, werde der Vertreter des Antragstellers diesen Betrag treuhändig verwalten, bis die endgültige gerichtliche Entscheidung vorliegt. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Schriftsatz ON 55 (wiederholt im Rekurs ON 62) die vom Antragsteller behauptete Zahlung von 312.243 S ausdrücklich zugestanden. Bei dieser Verfahrenslage bedarf es keiner weiteren Feststellungen. Vom Entschädigungswerber angenommene Teilzahlungen des Wasserberechtigten nach § 34 Abs 4 WRG sind aber beim Zuspruch im gerichtlichen Verfahren nach § 117 WRG zu berücksichtigen.

e) Die Beweisrüge und die Anfechtung der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung durch den Antragsteller entziehen sich zufolge § 117 Abs 6 WRG iVm § 24 EisbEG 1954 und § 15 AußStrG bzw § 14 Abs 2 Z 2 AußStrG einer meritorischen Behandlung durch den Obersten Gerichtshof.

Erhebliche Rechtsfragen stellen sich demnach nicht zur Beurteilung. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 117 Abs 6 WRG iVm § 24 EisbEG 1954, § 16 Abs 3 AußStrG und § 508a Abs 2, § 510 ZPO).