JudikaturJustiz1Ob227/61

1Ob227/61 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 1961

Kopf

SZ 34/116

Spruch

Kein Anspruch auf einen Ersatzweg nach § 495 ABGB. bei endgültiger Unbrauchbarkeit des Servitutsweges.

Entscheidung vom 6. September 1961, 1 Ob 227/61.

I. Instanz: Bezirksgericht Bregenz; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.

Text

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 24. Februar 1960, C 1169/58-40, wurden die Beklagten schuldig erkannt, ob den Liegenschaften. EZ. 131 KG. L. in die Einverleibung des Dienstbarkeitsrechtes des Fahrweges zugunsten des jeweiligen Eigentümers der auf Grundparzelle 956/19 errichteten Gebäude über die Grundparzelle 956/1 KG. L., beginnend vom Ende der Grundparzelle 1712/4 (T.-Weg) auf dem bestehenden Privatweg zum Hause G. Nr. 7, von dort zum Haus G. Nr. 10, von dort auf dem bestehenden Heuweg in einem Bogen quer über die Wiese ostwärts des Hauses G. Nr. 10 zur Grundparzelle 956/19 Kg. L., einzuwilligen. Das Begehren, die Beklagten seien schuldig zu dulden, daß der Kläger den bestehenden Heuweg ostwärts vom Hause G. Nr. 10 schräg über die Grundparzelle 956/1 KG. L. zu seinem Hause auf der Grundparzelle 956/19 zu einem

2.50 m breiten, auf der ganzen Länge zur Ausübung eines Geh- und Fahrrechtes tauglichen Fahrweg ausbaue, wurde abgewiesen. Zur Begründung der Abweisung führte das Erstgericht aus, der Kläger habe die Dienstbarkeit des Fahrrechtes bis zum Hause G. Nr. 10 und von da weg infolge der Wegeverhältnisse nur das Gehrecht weiter zu seinem Grundstück ausgeübt. Diese Ausübung der Dienstbarkeit ab dem Hause G. Nr. 10 sei infolge der mangelhaften Entwässerungsverhältnisse unmöglich geworden. Es bestehe somit hinsichtlich der Duldung des Ausbaues des vorhandenen Heuweges zur Fahrstraße nunmehr Unmöglichkeit der Leistung (§ 1447 ABGB.). Das Klagebegehren auf Duldung des Ausbaues habe deshalb abgewiesen werden müssen. Dieses Urteil wurde vom Berufungsgericht bestätigt (Landesgericht Feldkirch, 4. Oktober 1960, R 174/60-47).

Nunmehr beantragt der Kläger, die Beklagten schuldig zu erkennen, dem Kläger einen neuen Weg vom Hause G. Nr. 7 über die Grundparzellen 956/1, 935/3 und 934 zur Grundparzelle 956/19 laut einer im Verfahren vorgelegten Skizze zuzuweisen und die Anlage eines Fahrweges über die Grundparzellen 956/1, 935/3 und 934 zur Grundparzelle 956/19 laut dieser Skizze als Verbindungsweg zu dulden.

Das Erstgericht wies dieses Begehren ab. Es legte seinem Urteil auf Grund der Akten C 1169/58 folgenden Sachverhalt zugrunde:

Vom Ende des T.-Weges bis zum Hause G. Nr. 10 besteht ein Privatweg der Beklagten, der die Ausübung eines Geh- und Fahrrechtes gestattet. Vom Hause G. Nr. 10 führt zirka 40 m weit ein Fußweg hart am Rand der linksufrigen Böschung des S.-Baches entlang zum Beginn eines Heuweges, welcher in östlicher Richtung quer über die Grundparzelle 956/1 zum Grundstück des Klägers führt. Dieser etwa 120 m lange Heuweg hat nur die Merkmale eines Fußweges. Infolge Durchnässung des Hanges sind die Bodenverhältnisse so beschaffen, daß insbesondere für den 40 m langen Fußweg entlang des S.-Grabens eine dringende Abrutschgefahr entstanden ist. Der Ausbau dieses Fußweges und des Heuweges zum Fahrweg zur Grundparzelle 956/19 ist unter den gegenwärtigen Umständen ausgeschlossen. Der Hang würde ins Rutschen kommen. Die Untersuchung durch Dipl.-Ing. Viktor H. ergab, daß die Möglichkeit besteht, durch Errichtung entsprechender forsttechnischer Anlagen den Hang trockenzulegen und die Rutschgefahr weitgehend zu beseitigen. Unerläßlich wäre es aber, daß bei der Errichtung der Schutzbauten die Grundparzelle 935/2 im Eigentum des Franz K. in Anspruch genommen wird. Auch nach Beseitigung der Rutschgefahr müßte der Ausbau des Fahrweges so in Angriff genommen werden, daß im Gemüsegarten des K. eine Böschung zu errichten wäre. K., der in keinerlei Rechtsverhältnis zu den Streitteilen steht, verweigert seine Zustimmung zur Errichtung irgendwelcher Bauten in seinem Gemüsegarten. Es ist somit der Ausbau des Heuweges und des damit im Zusammenhang stehenden Fußweges infolge Wassereinwirkung auf das Erdreich unmöglich geworden. Der Ausbau des Geh- und Heuweges zu einer Fahrstraße ist nur möglich, wenn der ganze Hang entwässert wird und entsprechende Schutzbauten errichtet werden und wenn überdies auch der Grund des K., welcher mit den Streitteilen in keinem Rechtsverhältnis steht, in Anspruch genommen wird. K. weigert sich, seine Zustimmung zur Errichtung irgendwelcher Bauten auf seinem Grund zu geben. Solange aber eine solche Weigerung des K. vorliegt, ist der Ausbau des Geh- und Heuweges ab dem Hause G. Nr. 10 zu einem Fahrwege unmöglich.

K. als Eigentümer des Gemüsegartens Grundparzelle 935/2 KG. L. gestattet niemals, daß über seinen Gemüsegarten ein Weg gebaut wird oder daß man dort irgendwelche Stützen errichtet. Dieser Garten ist dem K. heilig. K. gestattet auch nicht, daß am Rande des Gemüsegartens Stützanlagen errichtet werden.

Rechtlich hielt das Erstgericht die Voraussetzungen des § 495 ABGB. nicht für gegeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gefolgt muß den Beklagten darin werden, daß nach den erstrichterlichen Feststellungen und insbesondere infolge der rechtskräftigen Vorentscheidung des Erstgerichtes vom 24. Februar 1960 der geltend gemachte Anspruch auf § 495 ABGB. nicht gegrundet werden kann. Gemäß dieser Gesetzesstelle muß dann, wenn "Wege und Steige durch Überschwemmung oder durch einen anderen Zufall

unbrauchbar (werden), ........ bis zu der Herstellung in den vorigen

Stand ....... ein neuer Raum angewiesen werden". Schon nach der

eigentümlichen Bedeutung dieser Worte in ihrem Zusammenhang (§ 6 ABGB.) kann die Gesetzesstelle nur dahin verstanden werden, daß eine vorübergehende Maßnahme ermöglicht werden soll, die nur so lange zu bestehen hat, bis der vorige Stand wiederhergestellt ist. Daß dem Gesetz dieser Sinn innewohnt, wird um so gewisser, als durch den Untergang der dienstbaren Sache die Dienstbarkeit erlischt (§ 525 ABGB.). Wenn nun - wie hier - mit rechtskräftigem Urteil das Begehren des Klägers, die Beklagten seien schuldig, den Ausbau des verfallenden Weges zu dulden, abgewiesen wurde, so kann nicht gemäß § 495 ABGB. nunmehr statt der Duldung des Ausbaues dieses Weges die Duldung der Anlage eines anderen Weges verlangt werden. Daß dieser andere Weg bloß vorübergehend bestehen solle, ist nicht richtig, weil ja gerade der ursprüngliche Weg nach dem Urteil gar nicht ausgebaut werden darf. Nachdem das Begehren auf Duldung des Ausbaues des ursprünglichen Weges abgewiesen worden ist, gemäß § 495 ABGB. dem Kläger einen Ersatzweg zuzusprechen, stellt einen Widerspruch in sich dar.

Über dieses Ergebnis vermögen die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen nicht hinwegzuhelfen. Wenn im Vorprozeß Unmöglichkeit der Leistung - nämlich des Wegbaues - vorlag, so muß sie auch in diesem Rechtsstreit bestehen. Darauf, daß "K. oder auch seine Rechtsnachfolger irgendwann einmal die Zustimmung" erteilen werden, können die Beklagten nicht verwiesen werden. Eine Maßnahme, die von einem Zustand abhängt, der bloß "irgendwann" eintreten kann, dessen Eintreten aber derzeit unwahrscheinlich ist, ist keine vorübergehende, sondern eine endgültige Maßnahme. Die Wiederherstellung des vorigen Standes muß, wenn eine vorübergehende Maßnahme eingreifen soll, wenigstens einigermaßen sicher und in vorhersehbarer Zeit zu erwarten sein; das Gegenteil ist aber hier der Fall, zumal schon ein rechtskräftiges abweisendes Urteil hinsichtlich der Herstellung des ursprünglichen Weges besteht.

Die bisherigen Ausführungen ergeben, daß der vom Kläger erhobene, auf § 495 ABGB. gestützte Anspruch unbegrundet ist.