JudikaturJustiz1Ob184/53

1Ob184/53 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. März 1953

Kopf

SZ 26/73

Spruch

Die triftigen Gründe für eine Verweigerung der Heiratsbewilligung können nur aus dem Verhältnis der künftigen Ehegatten zueinander und nicht aus dem Verhalten des Bräutigams gegenüber dem Vater genommen werden.

Entscheidung vom 18. März 1953, 1 Ob 184/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Das Erstgericht wies den Antrag der am 27. Jänner 1934 geborenen Johanna H. ab, ihr die Einwilligung zur beabsichtigten Eheschließung mit Rudolf Z. mangels einer Einwilligung des Vaters Rudolf H. zu erteilen. Seitens der Landesberufsvormundschaft W. werde zwar den beiden Brautleuten das beste Zeugnis ausgestellt. Die mj. Johanna H. gelte als eine fleißige und tüchtige Arbeitskraft. Sie helfe in ihrer Freizeit beim Hausbau der Familie Z. mit. Auch Rudolf Z. werde als sehr gut beleumundet und charakterlich einwandfreier Mann beschrieben. Trotz dieser günstigen Erhebungsberichte vermöge das Gericht den seitens des Vaters gegen die beabsichtigte Eheschließung vorgebrachten Gründen die Berechtigung nicht abzusprechen. Die Minderjährige sei erst 18 Jahre alt. Die Erfahrung lehre, daß die früh und zu rasch geschlossenen Ehen selten von Bestand seien. Hievon geben insbesondere die während des letzten Krieges geschlossenen Ehen ein beredtes Zeugnis. Eine Bewährungsfrist, wie sie früher bei Brautleuten allgemein üblich gewesen sei, werde auch im vorliegenden Fall nur im Interesse beider Brautleute liegen, um sich vorerst in ihrem Wesen und Charakter gegenseitig kennenzulernen und sich gegenseitig anzupassen.

Das Rekursgericht erteilte infolge Rekurses der Minderjährigen die beantragte Einwilligung. Das Mädchen sei nahezu 19 Jahre alt. Sie kenne ihren Bräutigam seit eineinhalb Jahren. Die Absicht beider Teile, einander zu heiraten, sei unverändert. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen seien voll erfüllt. Von einer unbedachten übereilten Handlung könne man daher nicht sprechen. Die vielleicht überraschend schnell zum Vorschein gekommene Heiratsabsicht auf seiten des Mädchens erkläre sich aus dem natürlichen Verlangen, den bisher vermißten Schutz und Anschluß, den andere in der Familie der Eltern haben, im Wege einer Heirat an Seite eines Mannes zu suchen. Da auch auf seiten des Bräutigams Bedenken gegen die Eheschließung nicht vorliegen, habe das Rekursgericht geglaubt, dem Rekurse stattgeben und die Ehebewilligung erteilen zu müssen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Vaters nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 3 Abs. 3 Ehegesetz kann der Vormundschaftsrichter die Einwilligung zur Eheschließung erteilen, wenn der gesetzliche Vertreter die Einwilligung ohne triftige Gründe verweigert. Solche triftige Weigerungsgrunde vermag der Revisionsrekurs nicht aufzuzeigen.

Wenn sich der Revisionsrekurs gegen die Ausführung des Rekursgerichtes wendet, daß es der Minderjährigen nicht gegönnt gewesen sei, ein geordnetes Familienleben kennenzulernen, so bestätigen doch seine eigenen Darlegungen im Ergebnis diese Annahme. Dabei soll nicht bezweifelt werden, daß sich der Vater bemühte, seiner Familie ein geordnetes Heim zu bieten. Die Tatsachen entsprachen aber durch lange Zeit, insbesondere während des 13 Monate langen Aufenthalts im Obdachlosenasyl, nicht diesem Bemühen. Gerade diese Zeit war aber für die heranwachsende Minderjährige von besonderer Bedeutung.

Die Behauptung des Revisionsrekurses, daß die Verhältnisse bei der Familie Z. nicht der allgemeinen Norm einer bürgerlichen Familie entsprechen, gerät damit in Widerspruch, daß auch der Revsionsrekurswerber seiner Familie nur wenig normale Umstände bieten konnte, und vor allem damit, daß er nach bloß viertägiger Bekanntschaft seiner Tochter gestattete, mit Z. nach G. zu fahren. Gerade das letztere Verhalten des Revisionsrekurswerbers nimmt ihm das Recht, an die weitere Entwicklung besonders strenge Maßstäbe anzulegen.

Zu der immer wiederkehrenden Behauptung, Rudolf Z. habe die Minderjährige entführt, muß darauf hingewiesen werden, daß das Erstgericht die Akten zur Feststellung oder Ausschließung eines strafbaren Tatbestandes nach § 96 StG. der Staatsanwaltschaft Innsbruck zugefertigt hat, daß aber mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 16. Jänner 1952 das über Antrag der Staatsanwaltschaft gegen Rudolf Z. wegen Verdachtes des Verbrechens nach § 96 StG. eingeleitete Strafverfahren gemäß § 90 StPO. eingestellt wurde.

Der Umstand allein, daß der Vater das Verhalten des künftigen Schwiegersohnes ihm gegenüber nicht billigt, kann keinen Grund für eine Verweigerung der Heiratsbewilligung bilden. Die triftigen Gründe hiefür können nur aus dem Verhältnis der künftigen Ehegatten und nicht aus dem Verhalten des Bräutigams gegenüber dem Vater genommen werden. Bei solcher Betrachtung ergibt aber das bisherige Verfahren, daß triftige Gründe für die Verweigerung der Einwilligung zur Eheschließung nicht vorliegen. Mag vielleicht zunächst auch der vom Vater geltend gemachte und allein ernsthaft in Betracht kommende Grund, nämlich, daß der Entschluß der Tochter wegen der kurzen Zeit, in der sie Z. erst kennt, nicht ernsthaft genug sei, bestanden haben, so ist er jedenfalls bis zurBeschlußfassung der Untergerichte weggefallen. Daß ein ernster und überlegter Ehewille und -entschluß besteht, zeigt vor allem auch der Umstand, daß die Minderjährige gegen den abweislichen erstrichterlichen Beschluß, der erst nahezu ein Jahr nach ihrem Wegziehen aus I. ergangen ist, rekurriert hat und daß sie nunmehr bereits seit eineinhalb Jahren in G. lebt, wohin sie das erste Mal mit Zustimmung des Vaters fuhr.

Bei diesem Sachverhalt kann für die Verweigerung der Ehebewilligung keintriftiger Grund gefunden werden.

Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.