JudikaturJustiz1Ob135/16h

1Ob135/16h – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers DI V***** H*****, Slowakei, vertreten durch Mag. Thomas Stöger, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, gegen die beklagte Partei Ing. Z***** H*****, vertreten durch Dr. Lydia Friedle, Rechtsanwältin in Mannersdorf am Leithagebirge, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 19. Mai 2016, GZ 20 R 92/16v 27, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 4. April 2016, GZ 3 Fam 11/16g 22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Antragsteller begehrte von seiner ehemaligen Ehegattin die Zahlung von 4.000 EUR samt Zinsen und berief sich darauf, dass die Antragsgegnerin die in seinem Alleineigentum stehende ehemalige Ehewohnung, aus der er weggewiesen worden sei, ohne Rechtsgrund benütze und aus bereicherungsrechtlichen Gründen zur Zahlung eines Benützungsentgelts von 500 EUR monatlich verpflichtet sei. Mit rechtskräftigem Beschluss des Rekursgerichts wurde der streitige Rechtsweg für unzulässig erklärt und ausgesprochen, dass die Klage gemäß § 40a JN in einen Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens umgedeutet wird. Nachdem der Antragsteller vorgebracht hatte, dass über Antrag der Antragsgegnerin ein Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach slowakischem Recht anhängig sei und nach den einschlägigen slowakischen Normen die nunmehr geltend gemachten Bereicherungsansprüche dort nicht berücksichtigt werden könnten, dehnte er sein Begehren auf 7.500 EUR samt Zinsen aus und qualifizierte es als Teilantrag im nachehelichen Aufteilungsverfahren.

Das Erstgericht unterbrach das Verfahren gemäß § 25 AußStrG bis zum rechtskräftigen Abschluss des in der Slowakei anhängigen Aufteilungsverfahrens. Der Antragsteller begehre bereicherungsrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit in die Aufteilungsmasse fallenden Vermögenswerten, nämlich die in seinem Alleineigentum stehende ehemalige Ehewohnung, wobei das slowakische Aufteilungsverfahren noch anhängig sei. Es sei von einer Präjudizialität dieses Verfahrens auszugehen, weil die Ehegatten gemäß § 144 des slowakischen bürgerlichen Gesetzbuchs gemeinsam auch die zur Nutzung und Erhaltung der Sachen erforderlichen Belastungen zu tragen hätten, weshalb gerade die hier geltend gemachten Ansprüche auch im slowakischen Aufteilungsverfahren zu berücksichtigen wären. Um die Berechtigung der Ansprüche zu prüfen, müsste das angerufene Gericht selbst ein (paralleles) Aufteilungsverfahren durchführen, was einen erheblichen Verfahrensaufwand verursachte. Da durch die Unterbrechung keine unzumutbare Verzögerung eintrete, lägen die Voraussetzungen für eine amtswegige Unterbrechung nach § 25 AußStrG vor.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Voraussetzung für eine Unterbrechung gemäß § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG sei einerseits ein (anhängiges) Verfahren vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde, in welchem über das Bestehen oder Nichtbestehen eines hier als Vorfrage zu beurteilenden Rechtsverhältnisses zu entscheiden sei, und andererseits die Präjudizialität der Vorfrage für das zu unterbrechende Außerstreitverfahren. Dass in dem Vorverfahren lediglich gleiche oder gleichartige Fragen zu beurteilen sind, reiche für eine Unterbrechung nicht aus, auch wenn eine solche im Einzelfall möglicherweise zweckmäßig sein könnte. Im vorliegenden Fall scheide eine Bindung der österreichischen Gerichte an die im slowakischen Aufteilungsverfahren zu treffende Entscheidung mangels einer einschlägigen multilateralen oder bilateralen Rechtsquelle aus. Insbesondere erführen Entscheidungen über das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse aufgrund des österreichisch tschechoslowakischen Rechtshilfevertrags, der weiterhin gelte, keine Anerkennung und Vollstreckung im Verhältnis zur Republik Österreich. Damit hätten sowohl das Erstgericht als auch das slowakische Gericht zwei parallel laufende Aufteilungsverfahren zu führen, in denen beide Gerichte aufgrund der (slowakischen) Staatsangehörigkeit der Streitteile slowakisches materielles Recht anzuwenden hätten. Auch wenn die in diesem Verfahren ergehenden Entscheidungen wechselseitig weder anerkannt noch vollstreckt werden könnten, ließen sich die beiden Verfahren nicht getrennt voneinander beurteilen. Dies betreffe insbesondere die Höhe einer im slowakischen Aufteilungsverfahren auferlegten Ausgleichszahlung. Eine parallele, voneinander losgelöste Fortführung beider Aufteilungsverfahren brächte die Gefahr einander widersprechender Entscheidung mit sich, die keiner „Bedachtnahmemöglichkeit“ zugeführt werden könnten. Die Gefahr, die geltend gemachten Benützungsentgelte könnten dem Antragsteller in beiden Verfahren zugesprochen werden, sei nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Im Umfang und Ausmaß der Ausgleichszahlung bestünden somit zwischen den Verfahren in beiden Staaten inhaltsimmanente Überlagerungen, die eine inhaltliche Rücksichtnahme bei der Bemessung der Ausgleichszahlung erforderten. Unter Bedachtnahme auf den Zweck des § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG, der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen, und unter Beachtung des Umstands, dass eine Fortführung des Aufteilungsverfahrens vor dem Erstgericht möglicherweise auch durch Einholung eines Rechtsgutachtens über die Judikatur und Literatur des slowakischen Aufteilungsrechts erheblich verzögert würde, erweise sich der erstgerichtliche Unterbrechungsbeschluss als rechtens. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof zu der Frage bestehe, ob eine inhaltliche Berücksichtigung ausländischer, in Österreich nicht vollstreckbarer, gerichtlicher Entscheidungen über die Höhe und den Umfang der Ausgleichszahlung zu einer Unterbrechung gemäß § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG führen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig und berechtigt.

Gemäß der Regelung in § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG, die § 190 Abs 1 ZPO nachgebildet ist, kann das Gericht das Verfahren – auch von Amts wegen – unterbrechen, wenn eine Vorfrage über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses den Gegenstand eines anderen anhängigen oder eines vom Amts wegen einzuleitenden Verfahrens vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde bildet, die Lösung der Vorfrage im anhängigen Verfahren nicht ohne einen erheblichen Verfahrensaufwand möglich und mit der Unterbrechung keine unzumutbare Verzögerung verbunden ist.

Grundvoraussetzung für eine solche Unterbrechung ist also ein anhängiges (oder ein von Amts wegen einzuleitendes) Verfahren vor einem Gericht oder vor einer Verwaltungsbehörde, in welchem – als Hauptfrage! – über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zu entscheiden ist, das im zu unterbrechenden Verfahren als Vorfrage zu beurteilen ist ( Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 25 Rz 41, Rechberger in Rechberger , AußStrG 2 § 25 Rz 9). Die Vorfrage muss für das (zu unterbrechende) Außerstreitverfahren präjudiziell sein; sie muss also in dem anderen Verfahren bindend für dieses Verfahren gelöst werden (vgl nur Gitschthaler aaO Rz 42 mwN). Dass in dem Verfahren lediglich gleiche oder gleichartige Fragen zu beurteilen sind, reicht für eine Unterbrechung hingegen nicht aus, auch wenn eine solche im Einzelfall möglicherweise (etwa aus verfahrensökonomischen Gründen oder weil dadurch Beweisergebnisse erlangt würden) zweckmäßig sein könnte ( Gitschthaler aaO Rz 42 mwN). Nur wenn im anderen Verfahren die Vorfrage präjudiziell gelöst wird, kann ein Unterbrechungstatbestand vorliegen; ist dies nicht der Fall, hat das Gericht die Vorfrage selbst zu beurteilen.

Für den vorliegenden Fall ist unstrittig, dass eine Rechtsgrundlage für eine Anerkennung und/oder Vollstreckung der zu erwartenden Entscheidung im slowakischen Gerichtsverfahren in Österreich nicht besteht, sind doch weder die einschlägigen Vorschriften des internationalen Zivilverfahrensrecht der Europäischen Union noch der österreich tschechoslowakische Rechtshilfevertrag (BGBl 309/1962) auf Entscheidungen über das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse anzuwenden. Wie schon das Rekursgericht zutreffend gefolgert hat, ist damit aber der Voraussetzung der Bindungswirkung iSd § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG mangels materieller Rechtskraft der (zukünftigen) slowakischen Aufteilungsentscheidung in Österreich der Boden entzogen (vgl nur RIS Justiz RS0110172; Höllwerth in Fasching/Konecny , ZPO 3 § 190 Rz 28). Geht man nun – wie dargelegt – davon aus, dass eine präjudizielle Entscheidung iSd § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG nur vorliegt, wenn sie auch für das zu unterbrechende Verfahren bindend ist, worauf der Revisionsrekurswerber richtig hinweist, mangelt es an einem für die Unterbrechungsentscheidung notwendigen Tatbestandselement. Darüber hinaus ist – mangels eingehender Erörterung des slowakischen materiellen Aufteilungsrechts – auch nicht zu erkennen, inwieweit das slowakische Gericht überhaupt eine Vorfrage im dargelegten Sinn – als Hauptfrage – zu beantworten hätte und was genau Gegenstand dieser Vorfrage sein könnte.

Wenn das Rekursgericht die Zulässigkeit der Unterbrechung – über den gesetzlichen Tatbestand hinaus – damit begründet hat, dass es das Ziel von Unterbrechungsbestimmungen sei, einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern, so ist dies doch jedenfalls auf solche Entscheidungen zu beschränken, die in jenem Staat, in denen das zu unterbrechende Verfahren geführt wird, auch anerkannt werden und damit bindend sind. Eine solche Konstellation liegt hier aber gerade nicht vor. Geht man vielmehr davon aus, dass der Antragsteller die Entscheidung über seinen in Österreich gestellten Antrag nur in Österreich durchsetzen kann – weil auch in die Gegenrichtung keine Anerkennung vorgesehen ist –, erscheint es umso mehr erforderlich, dass das österreichische Gericht eine selbständige Prüfung vornimmt und nicht in erster Linie bestrebt ist, eine Übereinstimmung seiner Entscheidung mit der des slowakischen Gerichts herbeizuführen. Das Bestreben, einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern, stellt ja keineswegs einen Selbstzweck dar. Ist eine ausländische Entscheidung nicht anzuerkennen, kann (und soll) sie für ein inländisches Gericht keine ausschlaggebende Bedeutung haben. Dieses hat vielmehr sowohl auf tatsächlicher als auch auf rechtlicher Ebene sämtliche Vorfragen, die für die Beurteilung des jeweiligen Streitgegenstands von Bedeutung sind, selbständig zu beurteilen. Auch unter diesem Gesichtspunkt würde ein Abwarten der slowakischen Entscheidung jedenfalls erheblichen Zeitverlust, kaum aber einen verwertbaren Erkenntnisgewinn bringen.

Der erstgerichtliche Unterbrechungsbeschluss ist daher aufzuheben und das Verfahren vor dem Erstgericht fortzusetzen.

Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass die Sache noch nicht im Sinne des § 78 Abs 1 AußStrG erledigt wird. Angesichts der amtswegigen Unterbrechung liegt ein Zwischenstreit, in dem eine eigene Kostenentscheidung zu treffen wäre, nicht vor.