JudikaturJustiz1Ob11/85

1Ob11/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Mai 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl A, Postbeamter, Wörschach Nr.50, vertreten durch Dr.Sieglinde Lindmayr, Rechtsanwalt in Liezen, wider die beklagte Partei L*** B, vertreten durch Dr.Hans Baier, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 82.265,10 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 10.September 1984, GZ.5 R 98/84-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 4.Mai 1984, GZ.13 Cg 229/83-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.889,40

bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 335,40 Umsatzsteuer und S 1.200 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 11.11.1981 ereignete sich auf der Landesstraße 742 im Ortsgebiet von Wörschach bei der Einmündung der Herrengasse, einer Gemeindestraße, in die Landesstraße ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Halter eines Personenkraftwagens mit dem pol. Kennzeichen St 235.576 und Dr.Markus P*** als Halter und Lenker eines Personenkraftwagens mit dem pol. Kennzeichen St 835.271 beteiligt waren. Dr.Markus C war, auf einer von Westen in die Herrengasse einmündenden Gemeindestraße kommend, in die Herrengasse eingebogen und wollte die Landesstraße 742 überqueren, um seine Fahrt auf der in die Landesstraße 742 von Norden einmündenden Klammstraße fortzusetzen. Der Kläger befuhr die Landesstraße 742 in west-östlicher Richtung. In einer Entfernung von 45 m vor der Landesstraße 742 war in der Herrengasse unmittelbar vor der Einmündung der von Westen kommenden Gemeindestraße das Vekehrszeichen 'Vorrang geben' (§ 52 lit.c Nr.23 StVO 1960) angebracht. Ein Verkehrsteilnehmer, der die von Westen in die Herrengasse einmündende Gemeindestraße bentüzte, kann nur die durch eine Geschwindigkeitsbegrenzungstafel teilweise verdeckte Rückseite dieses Verkehrszeichens wahrnehmen. Im März 1983 wurde am Verkehrszeichen eine Zusatztafel '45 m' angebracht. Der Kläger begehrte zu 9 Cg 2/82 des Kreisgerichtes Leoben von Dr.Markus C und dessen Haftpflichtversicherer die Bezahlung des Betrages von S 44.176 s.A. mit der Begründung, Dr.Markus C habe seinen, des Klägers, Vorrang an der Kreuzung mißachtet, so daß ihn das alleinige Verschulden am Unfall treffe. Das Klagebegehren wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 16.11.1982, 4 R 114/82, abgewiesen. Der Oberste Gerichtshof hatte dem Berufungsgericht in seiner Entscheidung vom 19.10.1982, 2 Ob 217/82, die Rechtsansicht überbunden, daß das in einer Entfernung von ca. 50 m vor der Kreuzung der Herrengasse mit der Landesstraße 742 aufgestellte Verkehrszeichen 'Vorrang geben' keine Vorrangregelung bewirken konnte (§ 51 Abs 2 StVO 1960). Es sei daher von einer Gleichrangigkeit der Landesstraße und der Herrengasse auszugehen, so daß Dr.Markus C als Rechtskommendem gemäß § 19 Abs 1 StVO 1960 gegenüber dem Kläger der Vorrang zugekommen sei. Dem Kläger sei eine schwerwiegende Veletzung des Vorranges des Dr.Markus C anzulasten, so daß eine Schadensausgleichung gemäß § 11 EKHG nicht Platz zu greifen habe.

Der Kläger begehrt, gestützt auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes, die Bezahlung des Betrages von S 82.265,10 s. A.

(Reparatkurkosten, Wechselspesen, Kosten der Rechtsverfolgung im Verfahren 9 Cg 2/82 des Kreisgerichtes Leoben) und führte zur Begründung aus, das Verkehrszeichen 'Vorrang geben' sei bestimmt gewesen, die Vorrangsituation an der Einmündung der Herrengasse in die Landesstraße 742 zu regeln. Das Verkehrszeichen sei derart ungünstig aufgestellt gewesen, daß es von einem Verkehrsteilnehmer, der die von Westen in die Herrengasse einmündende Gemeindestraße benützte, nur von hinten gesehen werden konnte, so daß der Eindruck entstehen mußte, als würde dieses Verkehrszeichen die Einmündung der erwähnten Gemeindestraße in die Herrengasse regeln. Das Verschulden der Behörde sei darin zu erblicken, daß das Verkehrszeichen auf einem dafür ungeeigneten Platz aufgestellt worden sei. Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die Landesstraße sei keine Vorrangstraße, das in der Herrengasse angebrachte Vekehrszeichen habe sich nicht auf die Vorrangsverhältnisse an der Kreuzung der Herrengasse mit der Landesstraße 742 bezogen. Es sei auch von der Landesstraße her ein negatives Vorrangzeichen nicht zu erblicken gewesen, so daß der Kläger verhalten gewesen wäre, den Vorrang des Dr.Markus C zu wahren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte fest: Das Verkehrszeichen 'Vorrang geben' sei von der Gemeinde Wörschach angebracht worden, um die Vorrangsverhältnisse an der Kreuzung der Herrengasse mit der Landesstraße 742 zu regeln. Die Bezirkshauptmannschaft Liezen habe eine Veordnung, daß Verkehrsteilnehmern auf der Landesstraße 742 der Vorrang gegenüber Verkehrsteilnehmern aus der Herrengasse zukomme, nicht erlassen. In rechtlicher Hinsicht fürhte das Erstgericht aus, die behördliche Bestimmung des Aufstellungsplatzes eines Verkehrszeichens sei der Hoheitsverwaltung zuzurechnen, wogegen die Aufstellung, Erhaltung und Kostentragung der Verkehrszeichen Ausfluß der privatwirtschaftlichen Obsorge für die Straßenerhaltung und damit der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen sei. Ansprüche gegen den Straßenerhalter wegen vorschriftswidriger Aufstellung von Verkehrszeichen und wegen Verletzung der ihm obliegenden Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß Straßen mit den den Vorschriften entsprechenden Verkehrseinrichtungen versehen werden, und wegen einer Verletzung der den Straßenerhalter gemäß § 98 Abs 4 StVO 1960 treffenden Verpflichtung, der Behörde Umstände, die für die Erlassung einer Verordnung nach § 43 StVO 1960

maßgebend sein könnten, bekanntzugeben, seien nicht nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes, sondern nach den allgemeinen Bestimmungen des Privatrechts geltend zu machen. Ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten von Organen der beklagten Partei liege nicht vor. Für die Bezirkshauptmannschaft Liezen habe keine zwingende Verpflichtung bestanden, den Vorrang an der gegenständlichen Kreuzung durch Verordnung in anderer Weise zu regeln, als er sich aus § 19 Abs 1 StVO 1960 ergebe. Wollte man eine solche Verpflichtung annehmen, wäre ein Amtshaftungsanspruch nur aus der Unterlassung der entsprechenden Verordnungssetzung abzuleiten. Im übrigen stehe dem einzelnen Verkehrsteilnehmer ein Anspruch darauf, daß die Vorrangverhältnisse an einer Kreuzung in bestimmter Weise geregelt werden, nicht zu.

Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils gab der Berufung des Klägers nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Der Rechtsansicht des Klägers, wonach ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten von Organen der beklagten Partei darin gelegen sei, daß gegen die Bestimmung des § 96 Abs 2 StVO 1960

verstoßen wurde, sei nicht zu folgen. Die vorgenannte Bestimmung verpflichte die Behörde, alle zwei Jahre unter Beiziehung des Straßenerhalters alle angebrachten Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs auf ihre Erforderlichkeit zu prüfen und nicht mehr erforderliche Einrichtungen zu entfernen. Diese sogenannte 'Signalschau' könne sich aber nur auf jene Einrichtungen beziehen, die mit Genehmigung der Behörde aufgestellt worden seien. Eine Verpflichtung der Behörde, im gesamten Zuständigkeitsbereich nach allenfalls ohne Genehmigung aufgestellten Verkehrssicherungseinrichtungen zu forschen, könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Es ergebe sich auch daraus, daß andernfalls die Festlegung einer Zweijahresfrist nicht verständlich wäre. Diese Frist beziehe sich auf den Zeitpunkt der Aufstellung der zu überprüfenden Verkehrseinrichtungen durch die Behörde. Demnach sei dem Kläger der Beweis des schuldhaften und rechtswidrigen Verhaltens von Organen der beklagten Partei nicht gelungen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Klägers kommt Berechtigung nicht zu.

Die Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Gemäß § 43 Abs 1 lit.b Z 2 StVO hat die Behörde für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken durch Verordnung ein bestimmtes Verhalten (zB vor einer Kreuzung Vorrang zu geben) vorzuschreiben, wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs erfordert. Gemäß § 44 Abs 1 StVO sind die in § 43 StVO bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen und treten mit der Anbringung dieser Zeichen in Kraft. Die auf Grund des § 43 StVO 1960 zu treffenden generellen Anordnungen, mit denen den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben und die Kundmachung durch die entsprechenden Verkehrszeichen verfügt wird, sind Hoheitsakte (ZVR 1981/64). Die Behörde bestimmt in Ausübung der Hoheitsverwaltung durch Verordnung, ob und wo Straßenverkehrszeichen aufzustellen sind (SZ 56/134;

SZ 54/12; EvBl.1959/177; Dittrich-Veit-Schuchlenz, StVO § 32 FN 1). Der Kläger gründet das Klagebegehren darauf, daß das Verkehrszeichen 'Vorrang geben' an einem absolut ungeeigneten Platz angebracht worden sei. Das Verfahren hat aber ergeben, daß die Behörde eine Verordnung, daß Lenker von Fahrzeugen an der in Rede stehenden Kreuzung den auf der Landesstraße 742

herannahenden Fahrzeugen Vorrang zu geben haben, nicht erlassen hat, so daß auch ein entsprechendes Vorrangzeichen gemäß § 52 lit.c Z 23 StVO 1960 nicht anzubringen war. Das im Unfallszeitpunkt angebrachte Verkehrszeichen war von der Gemeinde Wörschach angebracht worden, ohne daß dem eine Verordnung der Behörde zu Grunde gelegen wäre. Im Revisionsverfahren wird, wie bereits im Berufungsverfahren, ein haftungsbegründendes Verhalten der beklagten Partei nur mehr darin erblickt, daß es Organe der Bezirkshauptmannschaft Liezen, der beklagten Partei zurechenbar, unterlassen hätten, eine Überprüfung der von der Gemeinde Wörschach aufgestellten Verkehrszeichen im Sinne des § 96 Abs 2 StVO 1960

vorzunehmen. Auf diesen Rechtsgrund oder eine wohl eher in Betracht kommende Verletzung von sich aus § 98 Abs 3 StVO 1960 ergebenden Verpflichtungen wurde das Klagebegehren aber nicht gestützt, so daß hierauf nicht einzugehen ist. Der Kläger hat insbesondere nicht behauptet, daß er im Vertrauen auf die ihm bekannte Vorrangsregelung angenommen habe, daß ihm an der in Rede stehenden Kreuzung der Vorrang zukomme. Im Verfahren erster Instanz wurde auch nicht vorgebracht, daß es die Behörde schuldhaft unterlassen habe, eine im Interesse der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs gebotenen Verkehrsregelung im Verordnungswege dahin zu treffen, daß Verkehrsteilnehmer, die die Herrengasse benützen, Verkehrsteilnehmern auf der Landesstraße 742

Vorrang zu geben haben.

Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.